Hilfe für Gewaltopfer wird ausgebaut
25.03.2014
In Berlin gibt es nun eine neue Anlaufstelle für Opfer häuslicher und sexueller Gewalt. In der neuen Gewaltschutzambulanz der Charité können Betroffene ihre Verletzungen dokumentieren lassen auch ohne sofort Anzeige zu erstatten. Dadurch blieben die Beweise für spätere Gerichtsverfahren gesichert.
Opferschutz soll weiter gestärkt werden
In der Berliner Charité können nun Menschen, die Opfer von Gewalt geworden sind, aber die Verbrechen nicht bei der Polizei anzeigen möchten, Hilfe bekommen. Betroffene können in der dortigen neuen Gewaltambulanz unabhängig von Alter und Geschlecht erlittene Verletzungen rechtsmedizinisch untersuchen und gerichtsfest dokumentieren lassen. Bei der Vorstellung des neuen Angebots am Montag im Roten Rathaus sprach Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) seine Freude darüber aus, dass mit der ersten Berliner Gewaltschutzambulanz der Opferschutz weiter gestärkt werden könne. Vor allem hoffe er darauf, dass das Tabuthema häusliche Gewalt ein Stück weiter aus dem Dunkelfeld herausgeholt werden könne. Opferschutz gehe alle an und erledige sich nie. Die neue Einrichtung hat ihre Arbeit bereits am 17. Februar aufgenommen.
Finanzierung noch nicht geklärt
Den Angaben des Senators zufolge gab es 2012 in Berlin knapp 500 Fälle von Misshandlungen von schutzbefohlenen Kindern, fast 15.800 Fälle häuslicher Gewalt sowie 13.000 Ermittlungsverfahren. Die Gewaltschutzambulanz wird vom Senat mit 150.000 Euro pro Jahr unterstützt. Noch ist die neue Einrichtung dem Institut für Rechtsmedizin der Charité in Moabit angegliedert, soll aber binnen der kommenden zwei Jahre in einen eigenen Bereich im Campus Virchow-Klinikum in Wedding ziehen. Die Baukosten dafür würden mit rund eineinhalb bis zwei Millionen Euro veranschlagt. Die Finanzierung sei aber noch nicht geklärt.Der Charité-Rechtsmediziner Professor Michael Tsokos sieht dafür die Krankenkassen in der Pflicht. Grundsätzlich sei die Gesundheitspolitik gefordert.
Gewalt zieht sich durch alle Schichten
In Berlin war es bislang fast nur möglich gewesen, durch Gewalt verursachte Verletzungen von Ärzten aus der Krankenversorgung dokumentieren zu lassen, erklärte Rechtsmedizinerin Saskia Etzold. Diese stünden oftmals stark unter Zeitdruck und seien eher auf die Wundversorgung als auf eine gerichtsfeste Dokumentation spezialisiert. Die Rechtsmedizin konnte nur bei besonders schweren Verletzungen von der Polizei eingeschaltet werden.In der neuen Gewaltschutzambulanz werden nun Opfer häuslicher Gewalt, Verletzungen nach Gewaltdelikten sowie Kindesmisshandlungen behandelt. Deren Ärztlicher Leiter, Michael Tsokos, meinte, dass sich Gewalt durch alle Schichten zieht.
Frauen kommen am häufigsten in die Gewaltambulanz
Am häufigsten kommen jedoch Frauen in die Einrichtung, die von ihrem Mann geschlagen wurden und die Gewalt dokumentieren lassen wollen ohne die Polizei sofort einzuschalten. Zudem hätten Mitarbeiter von Jugendämtern Kinder mit Verletzungen vorgestellt und auch Männer, die Opfer von gewalttätigen Überfällen wurden, seien bereits untersucht worden. Dieser Umstand ist vielen Menschen gar nicht bekannt: Häusliche Gewalt richtet sich auch gegen Männer. Wie eine Untersuchung im Rahmen einer Gesundheitsstudie des Robert-Koch-Instituts (RKI) vor wenigen Monaten ergab, sind Männer davon genauso häufig betroffen wie Frauen. Männliche Gewaltopfer nehmen jedoch seltener Hilfeangebote in Anspruch und verschweigen ihr Leid aus Scham. Die Psychotherapeutin Christa Roth-Sackenheim sagte damals gegenüber der Nachrichtenagentur dpa: „Das Thema häusliche Gewalt ist insgesamt hoch tabuisiert. Und bei Männern kommen noch höhere Schamgefühle hinzu, da es nicht der männlichen Rolle entspricht, geschlagen zu werden.“
Opfer sollten sich nicht zu lange Zeit lassen
Die neue Opferhilfe könne im Unterschied zur Behandlung eines Hausarztes Anzeichen von Gewalt wie beispielsweise Griffspuren oder Entkleidungsverletzungen besser erkennen. Nach der Untersuchung wird abgeklärt, ob weiterer Beratungsbedarf besteht. Betroffene und ihre Familien können dank der Kooperation mit den Berliner Netzwerken gegen Gewalt an Partner-Einrichtungen wie LARA, Weißer Ring oder die Initiative gegen Gewalt an Frauen (BIG) vermittelt werden. Betroffenen wird empfohlen, vorab einen Termin bei der Gewaltschutzambulanz zu vereinbaren. Wie die stellvertretende Leiterin der Einrichtung, Saskia Etzold, sagte, bekommen Hilfesuchende meist am gleichen oder am nächsten Tag einen Termin. Die Untersuchung selbst ist kostenlos. Auch eine Beratung per Telefon sei möglich. Menschen, die Opfer von Gewalt wurden, sollten sich für eine Dokumentation nicht zu lange Zeit lassen. Denn viele Verletzungen sind nach ein bis zwei Wochen nicht mehr sichtbar. Bei Hämatomen oder Würgemalen reicht oft ein Zeitraum von 72 Stunden, um die Spuren der Gewalt unsichtbar zu machen. (sb)
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