Neue Stoffklasse als potenzielles Medikamente gegen Chikungunya und andere Virusinfektionen
Ursprünglich war das Chikungunya-Virus vor allem in den Tropen verbreitetet, doch sind in denen vergangenen Jahren auch in Europa erste regionale Ausbrüche aufgetreten. Auf der Suche nach Therapieoptionen gegen Chikungunya hat ein internationales Forscherteam nun unter anderem eine neue Stoffklasse potenziell antiviraler Medikamente entdeckt.
Die Wissenschaftler nutzten eine neue Strategie für die Suche nach Behandlungsmöglichkeiten gegen Chiungunya und identifizierten mit deren Hilfe sowohl bereits bekannte Wirkstoffe als auch eine neue Stoffklasse, die das Potenziale für die Nutzung als antivirales Medikament bietet, berichtet die Ludwig-Maximillians-Universität München (LMU), von deren Seite aus der Pharmazeut Franz Bracher an den Untersuchungen beteiligt war. Nicht nur gegen Chikungunya, sondern auch gegen andere pathogene Viren könnte die entdeckte Stoffklasse eingesetzt werden, so die Hoffnung der Forscher. Die Ergebnisse ihrer Studie haben die Wissenschaftler in dem Fachmagazin „Nature Communications“ veröffentlicht.
Ausbreitung des Virus auch in Europa
Den Angaben der LMU zufolge hat sich das Chikungunya-Virus in den letzten Jahren zunehmend nach Norden ausgebreitet und bereits den Süden der USA erreicht. In Europa seien ebenfalls einige regionale Ausbrüche dokumentiert. Übertragen werde das Virus von der asiatischen Tigermücke und die Folgen seien grippeähnliche Symptome, die über Monate andauern und in seltenen Fällen sogar zum Tod führen können. Da derzeit weder ein Impfstoff noch ein zugelassenes Medikament gegen Chikungunya verfügbar ist, suchte das internationale Forscherteam nach neuen Ansätzen zur Behandlung der Virusinfektion. Hierfür nutzten die Wissenschaftler eine innovative Strategie, mit der schneller als bisher neue Behandlungsmöglichkeiten etabliert – und dabei entsprechende Wirkstoffe identifiziert – werden könne, berichtet die LMU.
Viren brauchen humane Proteine zur Vermehrung
Die Forscher machten sich den Fakt zunutze, dass Krankheitserreger für die Vermehrung bestimmte Proteine benötigen, die von der Wirtszelle gebildet werden. So identifizierten Thomas F. Meyer und Kollegen vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in einem ersten Schritt zunächst mit Hilfe eines genomweiten Screenings jene Proteine, die das Virus für seine Vermehrung in befallenen menschlichen Wirtszellen unbedingt benötigt. In einem aufwändigen automatisierten Verfahren schalteten die Forscher hierfür „jedes einzelne Gen der menschlichen Zellen aus, infizierten die so veränderten Zellen und analysierten dann das Ausmaß der Virusvermehrung“, so die Mitteilung der LMU. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler mehr als 100 humane Proteine identifizieren, die für die Vermehrung des Virus essenziell sind.
Die Virenvermehrung hemmen
Basierend auf den gewonnen Erkenntnissen analysierten die Forscher in Kooperation mit Virologen vom Institut Pasteur (Paris) sowie Forschern der Charité-Universitätsmedizin Berlin und dem Steinbeis Innovation Center in Berlin sowie dem Institute of Technology in Tartu (Estland) und der Arbeitsgruppe von Franz Bracher an der LMU in einem nächsten Schritt, welche Substanzen diese wichtigen humanen Proteine ansteuern. Zu den identifizierten Substanzen, die auch eine Vermehrung des Virus hemmen können, „gehören sowohl Arzneistoffe, die bereits für die Therapie anderer Krankheiten verwendet werden, aber bisher noch nicht zur Behandlung von Virusinfektionen in Betracht gezogen worden waren, als auch neuartige niedermolekulare Wirkstoffe, wie sogenannte Inhibitoren der Proteinkinase CLK1, die in unserem Labor synthetisiert wurden“, berichtet Franz Bracher von den Studienergebnissen.
Neue antivirale Medikamente möglich
Interessanterweise lässt sich die entdeckte Stoffklasse nicht nur gegen das Chikungunya-Virus einsetzen, sondern könnte auch gegen andere pathogene Viren wirken. Das Prinzip scheine nach ersten Erkenntnissen der Forscher auch auf andere pathogene Viren übertragbar, berichtet die LMU. Franz Bracher betont, dass mit der innovativen Herangehensweise nicht nur gut charakterisierte Wirkstoffe aus anderen Indikationsgebieten für den Einsatz gegen eine bestimmte Infektionskrankheit identifiziert werden und dann relativ schnell als Antiinfektiva auf den Markt gebracht werden können. Es bestehe auch die Gelegenheit, „wie im Fall unserer Kinase-Inhibitoren, völlig neue Stoffklassen als potenzielle Wirkstoffe“ zu identifizieren, berichtete Bracher weiter. (fp)
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