Statine: Weshalb Cholesterinsenker Muskelbeschwerden verursachen
Es ist schon länger bekannt, dass es bei Menschen, die Cholesterinsenker einnehmen, vermehrt zu Muskelschmerzen kommt. Warum diese Beschwerden auftreten, ist bislang nicht geklärt. Doch Forscherinnen von der Universität des Saarlandes sind den möglichen ursächlichen Ursachen dafür nun auf die Spur gekommen.
Statine kommen zum Einsatz, um bei Patientinnen und Patienten den Cholesterinspiegel zu senken und so das Risiko für Herzerkrankungen zu reduzieren. Es ist jedoch schon länger bekannt, dass deren Einnahme mit einer Reihe von gefährlichen Nebenwirkungen einhergeht. So können die Medikamente unter anderem anfällig für Diabetes machen, die Wahrscheinlichkeit einer Osteoporose erhöhen und die Muskeln schwächen. Forschende haben nun neue Erkenntnisse zu den Ursachen der Nebenwirkungen gewonnen.
Möglichen ursächlichen Zusammenhang gefunden
Patientinnen und Patienten, die Statine einnehmen, um ihren Cholesterinspiegel im Blut zu senken, klagen häufig über Muskelbeschwerden. Warum diese auftreten, ist bislang ungeklärt.
Wie die Universität des Saarlandes in einer Mitteilung schreibt, haben die Pharmazeutinnen Professor Alexandra K. Kiemer und Jessica Hoppstädter von der Universität des Saarlandes nun in einer Studie einen möglichen ursächlichen Zusammenhang gefunden:
Ihren Ergebnissen zufolge führen Statine dazu, dass der Körper vermehrt ein Protein namens „Gilz“ produziert, das die Muskelzellen beeinträchtigt.
Die Studie der Forscherinnen wurde in der Fachzeitschrift „The FASEB Journal“ veröffentlicht.
Viele Patienten klagen über Muskelbeschwerden
Cholesterinsenker zählen weltweit zu den meistverordneten Medikamenten. Ärztinnen und Ärzte greifen dabei vor allem nach Statinen, die im Allgemeinen gut verträglich sind. Relativ oft klagen die Patientinnen und Patienten aber über Muskelsymptome, die in Form von Schmerzen oder einer Muskelschwäche auftreten können.
„Zahlen aus klinischen Anwendungsstudien zufolge treten diese in fünf bis zu 29 Prozent der Fälle auf. Sowohl ältere und weibliche Patienten, aber auch Personen, die körperlich aktiv sind, scheinen ein höheres Risiko zu tragen“, erläutert Alexandra K. Kiemer, Professorin für Pharmazeutische Biologie an der Universität des Saarlandes.
Im Jahr 2018 wurden in Deutschland mehr als sechs Millionen Patientinnen und Patienten mit Statinen behandelt. Deshalb ist von mehreren Hunderttausend bis zu 1,8 Millionen Betroffenen auszugehen, bei denen Muskelbeschwerden auftreten. Welche Vorgänge dabei im Körper genau ablaufen und die Symptome auslösen, ist bis heute nicht geklärt.
Ein Protein namens „Gilz“ könnte für die Beschwerden verantwortlich sein
Alexandra K. Kiemer und ihre Forschungsgruppe könnten nun die tatsächliche Ursache der Muskelschmerzen gefunden haben: Sie machen ein Protein namens „Gilz“ für die entsprechenden Vorgänge im Körper verantwortlich.
„Gilz ist eine Kurzform für Glucocorticoid-induzierter Leuzin Zipper“, so Kiemer. Ihre Arbeitsgruppe befasst sich bereits seit Jahren und in vielen Studien mit diesem Protein.
„Eigentlich ist die Hauptfunktion von Gilz im Körper, Entzündungsprozesse zu unterdrücken. Statine schützen vor Herzinfarkten einerseits, indem sie den Cholesterinspiegel senken, andererseits aber auch, indem sie Gefäßentzündungen verringern“, erklärt die Wissenschaftlerin.
„Daher vermuteten wir einen Zusammenhang zwischen Statinen und Gilz. Unsere Daten weisen darauf hin, dass Gilz im Körper Gutes, aber auch Schlechtes bewirken kann“, sagt die Pharmazeutin. Sie bringt dieses Protein erstmals mit den Statinen und ihren Nebenwirkungen in Verbindung.
Muskelzellen werden beeinträchtigt
Auf diesen Anfangsverdacht hin analysierten die Forscherinnen für ihre Studie zunächst zahlreiche Datensätze aus weltweit verfügbaren Forschungsdatenbanken: Sie werteten diese daraufhin aus, ob Statine Gilz beeinflussen.
Nachdem sich ihr Verdacht erhärtet hatte, konnten die Wissenschaftlerinnen ihre Vermutung in Versuchsreihen an lebenden Zellen bestätigen. „Statine bewirken, dass das Protein Gilz in den Zellen vermehrt gebildet wird. Dadurch beeinträchtigen sie die Muskelzellen. Denn die vermehrte Gilz-Produktion führt dazu, dass die Muskelzellen eher absterben. Zusätzlich wird die Bildung neuer Muskelfasern gehemmt“, erläutert Kiemer.
Die Pharmazeutinnen schalteten daher Gilz in lebenden Zellen aus und beobachteten dann die Wirkung der Statine. „Wenn wir die Behandlung mit Statinen an Muskelzellen oder ganzen Muskelfasern durchführen, bei denen Gilz genetisch ausgeschaltet wurde, bleibt die eben beschriebene Schädigung praktisch komplett aus“, so die Wissenschaftlerin.
Besonders körperlich aktive Menschen betroffen
Wie es in der Mitteilung heißt, gibt es Hinweise darauf, dass besonders körperlich aktive Menschen nach der Einnahme von Statinen unter den Muskelsymptomen leiden. Zudem scheinen Statine auch den Trainingserfolg zu beeinträchtigen.
Daher planen die Pharmazeutinnen um Alexandra K. Kiemer eine neue Studie gemeinsam mit der Sportmedizinerin Anne Hecksteden aus der Arbeitsgruppe von Professor Tim Meyer an der Universität des Saarlandes.
„Wir haben Hinweise darauf, dass es einen Zusammenhang zwischen Statinen, körperlichem Training und dem Protein Gilz gibt und diesen wollen wir näher beleuchten“, sagt Alexandra K. Kiemer. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universität des Saarlandes: Cholesterinsenker: Forscherinnen kommen Ursache von Muskelschmerzen durch Statine auf die Spur, (Abruf: 10.02.2020)
- Jessica Hoppstädter Jenny Vanessa Valbuena Perez Rebecca Linnenberger Charlotte Dahlem Thierry M. Legroux Anne Hecksteden William K. F. Tse Sara Flamini Anastasia Andreas Jennifer Herrmann Christian Herr Rolf Müller Tim Meyer Robert Bals Carlo Riccardi Stefano Bruscoli Alexandra K. Kiemer: The glucocorticoid‐induced leucine zipper mediates statin‐induced muscle damage; in: The FASEB Journal, (veröffentlicht: 06.02.2020), The FASEB Journal
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.