Darmerkrankungen: Neuer Therapieansatz?
Blutiger Durchfall, krampfartige Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit und Übelkeit: die Symptome chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen sind für die Betroffenen äußerst schmerzhaft und unangenehm. Forschende berichten nun über einen möglichen neuen Therapieansatz für solche Erkrankungen.
Wie das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) berichtet, leiden in Deutschland etwa 400.000 Menschen an chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Eine dieser Krankheiten ist Colitis ulcerosa. Diese ist bislang nicht heilbar und erhöht langfristig das Risiko für Darmkrebs. Forschende haben jetzt einen möglichen neuen Therapieansatz gefunden.
Fehlsteuerung des Immunsystems
Wie es in einer aktuellen Mitteilung der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg heißt, wird bisher nur bruchstückhaft verstanden, warum Menschen an chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) wie der Colitis ulcerosa erkranken.
Bekannt ist aber, dass die Bakterien der Darmflora und eine Fehlsteuerung des Immunsystems eine wichtige Rolle spielen. Bei CED-Patientinnen und -Patienten sterben vermehrt Zellen in der Darmwand, die sogenannten Epithelzellen, ab.
Daraufhin gelangen Bakterien aus dem Inneren des Darms in die geschädigte Darmwand, die dort dann Entzündungen hervorrufen. Und diese Entzündungen wiederum führen zu einem weiteren Absterben von Epithelzellen.
Dadurch wird die Darmbarriere, die Barriere zwischen dem Darminhalt und der Darmwand, durchlässiger. Mit zunehmendem Zelltod schreitet auch die Erkrankung voran, denn in der geschädigten Darmwand siedeln sich weitere Bakterien an – ein Teufelskreis.
Zelltod wird verhindert
Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Christoph Becker von der FAU hat jetzt einen Mechanismus gefunden, der den Zelltod verhindern, den Teufelskreis unterbrechen und damit möglicherweise als Therapie bei entzündlichen Darmerkrankungen eingesetzt werden könnte.
Die Ergebnisse der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wurden in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Cell Biology“ veröffentlicht.
Milderer Krankheitsverlauf bei viel EP4
Den Angaben zufolge zeigte sich in Mäusen und an Geweben von Colitis-ulcerosa-Erkrankten, dass ein Botenstoff namens Prostaglandin E2 die Epithelzellen vor einer besonderen Form des Zelltods, der Nekroptose, bewahren kann.
Wie in der Mitteilung erklärt wird, sind Prostaglandine hormonähnliche Botenstoffe und zeigen vielfältige Wirkungen im Organismus. Prostaglandine wie zum Beispiel das Prostaglandin E2 werden im Körper bei Entzündungen freigesetzt. Wie sie Entzündungsprozesse regulieren, ist aber noch nicht vollständig verstanden.
In den vergangenen Jahren hatten die Forschenden bereits zeigen können, dass die Fehlregulation der Nekroptose zu Zelltod und somit zu Löchern in der Darmbarriere führt. Prostaglandin E2 verhindert das, indem es an auf den Epithelzellen vorhandene Rezeptoren mit der Bezeichnung EP4 bindet.
Je mehr dieser Rezeptoren aktiviert werden, so das Forschungsteam von der Medizinischen Klinik 1 – Gastroenterologie, Pneumologie und Endokrinologie – am Universitätsklinikum Erlangen, umso weniger Zellen sterben ab.
Erkrankte mit viel EP4 auf der Zelloberfläche zeigen einen milderen Krankheitsverlauf als Patientinnen und Patienten mit wenig EP4.
Eindringen von Bakterien blockiert
Laut den Fachleuten wirkt die Aktivierung der Rezeptoren durch Prostaglandin E2 somit dem Fortschreiten der Darmentzündung entgegen.
Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen in Kanada testeten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein künstlich hergestelltes Molekül, das wie Prostaglandin E2 den EP4-Rezeptor aktivieren kann.
Tatsächlich konnte durch eine Behandlung mit diesem Molekül der exzessive Zelltod in der Darmbarriere verhindert und somit das Eindringen von Bakterien blockiert werden, berichten die Forschenden.
Diese Erkenntnisse bieten einen möglichen neuen Behandlungsansatz für Colitis ulcerosa sowie andere chronisch-entzündliche Darmerkrankungen. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg: Neuer Therapieansatz für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen?, (Abruf: 11.08.2021), Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
- Jay V. Patankar, Tanja M. Müller, Srinivas Kantham, Miguel Gonzalez Acera, Fabrizio Mascia, Kristina Scheibe, Mousumi Mahapatro, Christina Heichler, Yuqiang Yu, Wei Li, Barbara Ruder, Claudia Günther, Moritz Leppkes, Mano J. Mathew, Stefan Wirtz, Clemens Neufert, Anja A. Kühl, Jay Paquette, Kevan Jacobson, Raja Atreya, Sebastian Zundler, Markus F. Neurath, Robert N. Young & Christoph Becker: E-type prostanoid receptor 4 drives resolution of intestinal inflammation by blocking epithelial necroptosis; in: Nature Cell Biology, (veröffentlicht: 08.07.2021), Nature Cell Biology
- Bundesministerium für Bildung und Forschung: Darmentzündungen ohne Nebenwirkungen therapieren, (Abruf: 11.08.2021), Bundesministerium für Bildung und Forschung
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.