Bestimmte Hefepilze sind ein potenzieller Auslöser für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn. Dies gilt sowohl für einige Pilze, die Teil unserer Darmflora sind, als auch für Pilzarten, die über die Nahrung aufgenommenen werden, und eröffnet neue therapeutische Ansätze gegen die chronischen Darmentzündungen.
Ein Forschungsteam der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein hat in einer aktuellen Studie untersucht, welche Mikroben in unserem Darm Auslöser einer chronischen Darmentzündung sein können. Hierbei wurden bestimmte Hefepilze als wesentlicher Faktor identifiziert. Die entsprechenden Studienergebnisse sind in dem Fachmagazin „Nature Medicine“ veröffentlicht.
Welche Rolle spielt die Darmflora?
Bereits seit längerem werden in der Fachwelt fehlgeleitete Reaktionen des Immunsystem auf Mikroorganismen im Darm als potenzieller Auslöser chronischer Darmentzündungen diskutiert und Forschende der University of California San Diego School of Medicine konnten im vergangenen Jahr erstmals bestimmte Darmbakterien-Enzyme als Auslöser für chronische Darmentzündungen identifizieren.
Dennoch bleibt bislang weitgehend unklar, welche Mikroorganismen die fehlgeleiteten Immunantwort auslösen und wie die Immunzellen genau reagieren. Das deutsche Forschungsteam hat daher versucht, diese Fragen zu klären.
Interaktion mit dem Immunsystem
Billionen Mikroorganismen besiedeln den menschlichen Körper und insbesondere den Darm, wobei neben Viren und Bakterien zu einem geringeren Teil auch Pilze eine Rolle spielen. Diese Mikroorganismen leben in Symbiose mit dem menschlichen Organismus und sind essenziell für seine gesunde Funktion, erläutern die Forschenden.
Dem Immunsystem komme die wichtige und zugleich schwierige Aufgabe zu, mit dem Mikrobiom zu interagieren, so dass die Mikroben toleriert, aber gleichzeitig in Schach gehalten werden. Bei der chronischen Darmentzündungen Morbus Crohn sei diese Interaktion offenbar jedoch gestört.
So reagieren die Immunzellen bei Menschen mit Morbus Crohn zu stark auf bestimmte Bestandteile der Darmflora und es kommt zu immer wieder aufflammenden Entzündungen im Darm, die von Beschwerden wie Schmerzen, Durchfall, Fieber und weiteren Symptomen begleitet werden, erläutern die Forschenden.
Welche Rolle spielen Mikroben bei Morbus Crohn?
Den sogenannten T-Zellen komme bei dieser Immunreaktion eine besondere Bedeutung zu und „wir wollten herausfinden, welche Mikroben bei Morbus Crohn eine veränderte T-Zellreaktion auslösen“, erklärt die Erstautorin Gabriela Rios Martini.
Hierfür haben die Forschenden die Reaktion bestimmter T-Zellen auf verschiedene Mikroben in Blut- und Gewebeproben von Patientinnen und Patienten mit Morbus Crohn im Vergleich zu gesunden Menschen analysiert.
„Zuerst haben wir die Reaktion auf bestimmte Bakterien untersucht, da diese einen großen Teil des Mikrobioms ausmachen, doch hier konnten wir mit den bislang untersuchten Spezies keine Unterschiede zwischen Erkrankten und Gesunden feststellen“, berichtet Rios Martini.
Starke Reaktion auf Hefepilze
Bei der Untersuchung der T-Zellreaktionen auf Hefepilze, wie verschiedene Candida oder Saccharomyces Spezies, beobachteten die Forschenden jedoch überraschenderweise eine massiv verstärkte T-Zell-Reaktion bei Morbus Crohn-Patientinnen und -Patienten.
Dies galt sowohl für Hefepilze, die Teil des natürlichen, gesunden Mikrobioms waren, als auch für Hefepilze, die vor allem über die Nahrung aufgenommen werden.
Die Sequenzierung der T-Zellen, die auf die Hefepilze reagierten, ergab, dass bei Erkrankten vor allem T-Zellen vorkommen, deren T-Zell-Rezeptoren gegen viele verschiedene Candida und Saccharomyces Spezies reagieren können.
„Offenbar erkennen die T-Zellen spezifisch einen bestimmten Teil in diesen verwandten Hefepilzen, der in vielen der untersuchten Spezies vorkommt“, so die Studienautorin Professorin Petra Bacher. Dies bedeute, dass die T-Zellen nicht nur auf eine bestimmte Hefe-Spezies reagieren, sondern durch viele verschiedene Candida und Saccharomyces Hefen aktiviert werden können.
„Insgesamt deuten unsere Daten darauf hin, dass nach einer anfänglichen T-Zell-Reaktion gegen Hefepilze der wiederholte Kontakt mit Antigenen, die in mehreren Hefepilzen vorkommen, zur Aktivierung und Vermehrung der kreuzreaktiven T-Zellen führt“, erläutert Bacher.
Die Immunreaktion werde vermutlich immer wieder ausgelöst, was wahrscheinlich auch zur Chronifizierung der Entzündung beitrage. Dabei könnten neben den im Darm lebenden, sogenannten kommensalen Hefepilzen auch die täglich aus der Nahrung aufgenommenen Hefen eine Rolle spielen.
Neue therapeutische Optionen
Die Forschenden haben jedoch auch eine gute Nachricht, denn „aus den Erkenntnissen ergeben sich mögliche neue therapeutische Ansätze“, so Studienautor Professor Stefan Schreiber. In weiteren Studien werde nun untersucht, wie sich der Verzicht auf Hefen in der Ernährung oder die Eliminierung der Hefepilze im Darm durch eine anti-fungale Therapie auswirkt.
Ein anderer Ansatz könne sein, gezielt die kreuzreaktiven Hefe-spezifischen T-Zellen durch zelluläre Therapien außer Gefecht zu setzen. Ob solche neuen therapeutischen Ansätze, die direkt auf die Hefepilze im Darm oder auf die Hefe-spezifische T-Zellen abzielen, wirksam sind, müssen weitere Studien zeigen.
Insgesamt wurden Hefepilze offenbar bei den Entstehungsmechanismen von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen bisher viel zu wenig beachtet und die neue Studie liefert erstmals starke Hinweise für eine Beteiligung Hefe-reaktiver T-Zellen an der Entzündungsreaktion bei Morbus Crohn. Für das Verständnis der Erkrankung ist dies ein wichtiger Schritt. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Gabriela Rios Martini, Ekaterina Tikhonova, Elisa Rosati, Meghan Bialt DeCelie, Laura Katharina Sievers, Florian Tran, Matthias Lessing, Arne Bergfeld, Sophia Hinz, Susanna Nikolaus, Julia Kümpers, Anna Matysiak, Philipp Hofmann, Carina Saggau, Stephan Schneiders, Ann-Kristin Kamps, Gunnar Jacobs, Wolfgang Lieb, Jochen Maul, Britta Siegmund, Barbara Seegers, Holger Hinrichsen, Hans-Heinrich Oberg, Daniela Wesch, Stefan Bereswill, Markus M. Heimesaat, Jan Rupp, Olaf Kniemeyer, Axel A. Brakhage, Sascha Brunke, Bernhard Hube, Konrad Aden, Andre Franke, Iliyan D. Iliev, Alexander Scheffold, Stefan Schreiber, Petra Bacher: Selection of cross-reactive T cells by commensal and food-derived yeasts drives cytotoxic TH1 cell responses in Crohn’s disease; in: Nature Medicine (veröffentlicht 25.09.2023), nature.com
- Robert H. Mills, Parambir S. Dulai, Yoshiki Vázquez-Baeza, Consuelo Sauceda, Noëmie Daniel, Romana R. Gerner, Lakshmi E. Batachari, Mario Malfavon, Qiyun Zhu, Kelly Weldon, Greg Humphrey, Marvic Carrillo-Terrazas, Lindsay DeRight Goldasich, MacKenzie Bryant, Manuela Raffatellu, Robert A. Quinn, Andrew T. Gewirtz, Benoit Chassaing, Hiutung Chu, William J. Sandborn, Pieter C. Dorrestein, Rob Knight & David J. Gonzalez: Multi-omics analyses of the ulcerative colitis gut microbiome link Bacteroides vulgatus proteases with disease severity; in: Nature Microbiology (veröffentlicht 27.01.2022), nature.com
- Exzellenzcluster Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen: Hefepilze als Auslöser veränderter Immunreaktionen bei chronischen Darmentzündungen (veröffentlicht 26.09.2023), idw-online.de
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