Viren als Ursache des Chronischen Erschöpfungssyndroms ausgeschlossen
18.09.2012
Das Chronische Erschöpfungssyndrom (Chronic Fatigue Syndrome, CFS) wird offenbar doch nicht durch Viren bedingt. Nachdem in den vergangenen Jahren mehrere Veröffentlichungen auf einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Chronischen Erschöpfungssyndrom und einer Infektion mit Retroviren hingewiesen haben, hat das Forscherteam um W. Ian Lipkin von der Columbia University in New York nun in einer umfassenden Untersuchung keine viralen Ursachen der Erkrankung feststellen können.
Im Jahr 2009 erschien die erste Studie im Wissenschaftsmagazin „Science“, die eine Infektion mit speziellen Retroviren als Ursache des Chronischen Erschöpfungssyndroms nahelegte. Im Jahr 2010 wurden weitere Untersuchungsergebnisse im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) veröffentlicht, die zu einem ähnlichen Schluss kamen. Seither waren Forscher weltweit bemüht, den Zusammenhang zwischen dem Chronischen Erschöpfungssyndrom und einer viralen Infektion zu bestätigen – ohne Erfolg. Stattdessen zeigt nun die bislang größte Studie zu dem Thema, dass ein solcher Zusammenhang nicht existiert.
Keine Viren im Blut der Patienten mit Chronischem Erschöpfungssyndrom
Das Forscherteam um Ian Lipkin hat im Auftrag der US-National Institutes of Health 147 Patienten, die in sechs Gesundheitszentren in den USA wegen eines Chronischen Erschöpfungssyndroms in Behandlung waren, untersucht. Zum Vergleich dienten 146 gesunde Kontrollpersonen. Die Studie wurde aufgesetzte, um einen möglichen Zusammenhang zwischen den Viren und dem CFS „ein für alle Mal zu klären“, erläuterte der Studienleiter. In keiner der Untersuchungen konnten eine Infektion mit dem im Verdacht stehenden polytropen Maus-Leukämie-Virus (pMLV) oder dem xenotropen Maus-Leukämie-Virus verwandten Erreger (XMRV) nachgewiesen werden, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „mBio“. Offenbar galten die beiden Retroviren-Typen drei Jahre lang zu Unrecht als Auslöser des CFS. Die Ergebnisse der Studien aus dem dem Jahr 2009 und 2010 wurden eindeutig widerlegt. Damals seien die Proben vermutlich im Labor mit den Mäuse-Viren kontaminiert worden, berichten die Forscher. An der aktuellen Untersuchung waren auch die Wissenschaftler der Studie beteiligt, die zuerst einen Zusammenhang zwischen dem Chronischen Erschöpfungssyndrom und den Viren erkannt hatte.
Früher Studien zum Chronischen Erschöpfungssyndrom widerlegt
Bei keinem der 293 Studienteilnehmer seien Spuren von XMRV oder pMLV in den Blutproben nachgewiesen worden, schreiben Lipkin und Kollegen. Weder die CFS-Patienten noch die Kontrollpersonen waren mit den Erregern infiziert. Die Hoffnungen, CFS künftig mit antiviralen Medikamenten behandeln zu können, müssen demnach verworfen werden. Verlässliche Methoden zur Heilung bestehen weiterhin nicht. Gekennzeichnet ist das Chronische Erschöpfungssyndrom durch anhaltende geistige und körperliche Erschöpfung, aber auch begleitende Symptome wie Müdigkeit, Kopfschmerzen, Gelenk-, Muskel- und Gliederschmerzen, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen. Bei Belastung verstärken sich die Beschwerden der Patienten. In den USA erkranken laut Aussage der Studienautoren 42 von 10.000 Einwohnern. Damit verbunden sein „jährlich direkte medizinische Kosten von sieben Milliarden Dollar.“
Neustart der Ursachenforschung beim Chronischen Erschöpfungssyndrom
Nachdem die Hypothese einer viralen Ursache des CFS nun endgültig ausgeschlossen wurde, beginnt die Forschung praktisch wieder von Vorne. „Obwohl die einst so vielversprechenden XMRV- und pMLV-Hypothesen damit widerlegt sind, geben wir nicht auf“, betonte der Studienleiter Ian Lipkin. Im Rahmen der aktuellen Studie wurden durch die systematische Analyse der Blutproben auf Krankheitserreger, Stoffwechselstörungen oder Störungen des Hormonhaushalts unzählige Daten gewonnen, die nun für weitere Forschungen zur Verfügung stehen. Bisher bleibt jedoch weiterhin unklar, was die Erkrankung tatsächlich verursacht.
Behandlungsmöglichkeiten bei CFS
Entsprechend ist eine zuverlässige Behandlungsmethode gegen das Chronische Erschöpfungssyndroms bis heute nicht bekannt. Meist wird versucht, den Patienten durch einen Ausgleich möglicherweise bestehender Mangelzuständen, Ernährungsumstellungen und die Therapie begleitender chronischer Infektionen zu helfen. Auch allgemeine Maßnahmen, die das Immunsystem stärken, kommen hier zum Einsatz.Unter Umständen setzen die Therapeuten darüber hinaus auf Physiotherapie. Leiden die Patienten unter begleitenden Schmerzen, bieten Schmerztherapien ebenfalls einen guten Ansatz zu Linderung der Beschwerden. Die Auswahl möglicherweise geeigneter Behandlungsmethoden liegt beim CFS in der Hand der Therapeuten und Patienten, eine allgemeine Handlungsempfehlung ist aufgrund der fehlenden Erkenntnisse über die Ursachen der Erkrankung bislang nicht möglich. (fp)
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Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
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