COVID-19-Impfung: Kein erhöhtes Schlaganfallrisiko
Es ist bekannt, dass Impfungen gegen die durch das Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelöste Krankheit COVID-19 mit Nebenwirkungen einhergehen können. Doch ein erhöhtes Schlaganfallrisiko nach einer Corona-Impfung gibt es nicht. Vielmehr kann dadurch das Risiko für einen Schlaganfall gemindert werden.
Impfstoffe gegen COVID-19 sind gut wirksam und ihr Nutzen überwiegt bei weitem möglichen Risiken. Dennoch können Nebenwirkungen wie beispielsweise grippeähnliche Beschwerden auftreten. Aber ein erhöhtes Schlaganfallrisiko durch die Impfung gegen SARS-CoV-2 gibt es nicht, berichtet die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) in einer aktuellen Mitteilung.
Neue Studien veröffentlicht
Neue, in den Fachmagazinen „Neurology“ und „Annals of Internal Medicine“ veröffentlichte Studien zeigen: Es gibt kein erhöhtes Schlaganfallrisiko nach einer Impfung gegen SARS-CoV-2. Die beiden Erhebungen hatten sehr große Kohorten ausgewertet und kamen zu dem gleichen Ergebnis.
Des Weiteren gibt es erste Daten, die sogar auf einen Schutz der Impfung vor Schlaganfällen während einer COVID-19-Erkrankung hindeuten: Bei einer Infektion mit dem Coronavirus hatten geimpfte Menschen nicht einmal ein halb so hohes Risiko wie ungeimpfte, einen Schlaganfall zu erleiden, wie in dem Fachjournal „JAMA“ berichtet wird.
Impfstoffen gegen COVID-19 haftet ein Stigma an
Im Frühjahr vergangenen Jahres wurde eine schwere, wenn auch seltene Nebenwirkung nach COVID-19-Impfungen mit Vektor-basierten Vakzinen beobachtet: Impfassoziiert traten vor allem bei jüngeren Frauen Sinus- und Hirnvenenthrombosen auf, es kam zu Todesfällen.
Bei Impfungen mit mRNA-Vakzinen wurde diese heftige Nebenwirkung nicht beobachtet, zumindest nicht in einer Häufigkeit, die einen Zusammenhang vermuten ließ.
Der Vektor-basierte Impfstoff ChAdOx1 des Herstellers AstraZeneca wurde daraufhin nicht mehr jungen Frauen verabreicht, außerdem wurden Geimpfte für das Leitsymptom Kopfschmerzen nach Impfung sensibilisiert und Ärztinnen und Ärzte auf das Phänomen der Bildung von anti-PF4-Antikörpern hingewiesen.
Der Nachweis dieser Antikörper kann Betroffene identifizieren, bevor klinische Symptome von Sinus- und Hirnvenenthrombosen auftreten, und erlaubt somit eine frühzeitige Behandlung und Prävention dieser seltenen Komplikation.
Es wurde jedoch auch ein leicht erhöhtes Risiko für hämorrhagische Schlaganfälle (sogenannte Hirnblutungen) nach Impfungen mit mRNA-Vakzinen beschrieben. Eine im Oktober 2021 in dem Fachblatt „Nature Medicine“ publizierte Auswertung zeigte diesbezüglich ein erhöhtes Risiko an den Tagen 1-7 und den Tagen 15-21 nach Impfung mit BNT162b2 von BioNTech/Pfizer (IRR: 1,27 und 1.38).
Seitdem haftet allen Impfstoffen gegen COVID-19 das Stigma an, sie könnten Schlaganfälle auslösen, eine Sorge, die verständlicherweise zu Ängsten führt und zur Impfskepsis beiträgt. Aber die zwei eingangs erwähnten Studien zeigen nun, dass die Impfung gegen SARS-CoV-2 nicht mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko einhergeht.
Schlaganfallrate bei SARS-CoV-2-Infizierten deutlich höher
In dem in „Neurology“ publizierten, systematischen Review wurden zwei randomisierte Studien, drei Kohortenstudien sowie elf Register-basierte Studien ausgewertet. Insgesamt wurden 17.481 Fälle ischämischer Schlaganfälle erfasst – bei einer Gesamtzahl von 782.989.363 Impfungen. Die Schlaganfallrate betrug somit insgesamt 4,7 Fälle pro 100.000 Impfungen.
Lediglich bei 3,1 Prozent der Schlaganfälle in Folge einer SARS-CoV-2-Impfung lag eine thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) zugrunde.
Wie die Autorinnen und Autoren der Arbeit schlussfolgern, ist damit die Schlaganfallrate nach Impfung mit der in der Allgemeinbevölkerung vergleichbar – und die TTP, die zu Sinus- und Hirnvenenthrombosen führte, zumindest nach den Vorkehrungen, die getroffen wurden, eine sehr seltene Komplikation.
Zudem betonen sie, dass die Schlaganfallrate bei SARS-CoV-2-infizierten Menschen hingegen deutlich höher liegt.
Keine Assoziation mit schweren kardiovaskulären Komplikationen
Bei der zweiten Studie handelt es sich um eine aktuelle Auswertung des „French National Health Data System“, bei dem untersucht wurde, wie häufig nach erster und zweiter Gabe von Vakzinen gegen SARS-CoV-2 bei Menschen im Alter von 18 bis 75 Jahren kardiovaskuläre Ereignisse (Myokardinfarkte, Lungenembolien oder Schlaganfälle) auftraten.
Insgesamt waren 73.325 Ereignisse dokumentiert worden, bei 37 Millionen geimpften Menschen. Im Ergebnis zeigte die Studie, dass es keine Assoziation zwischen mRNA-Impfstoffen und dem Auftreten dieser schweren kardiovaskulären Komplikationen gab.
Die erste Dosis des Vektor-basierten Impfstoffs ChAdOx1 war laut den Fachleuten in Woche 2 nach der Impfung mit einer erhöhten Rate an Myokardinfarkten und Lungenembolien vergesellschaftet (RI: 1,29 und 1,41), auch beim Impfstoff von Janssen-Cilag konnte eine Assoziation mit dem Auftreten von Myokardinfarkten in Woche 2 nach Vakzinierung nicht ausgeschlossen werden.
In Bezug auf die Schlaganfallrate ergab die Auswertung jedoch für keinen der Impfstoffe ein höheres Risiko.
Schlaganfallrisiko mehr als halbiert
„Die vorliegenden Daten zeigen zumindest für die mRNA-Impfstoffe keinerlei Sicherheitssignale in Bezug auf ein erhöhtes Schlaganfallrisiko“, schlussfolgert DGN-Generalsekretär Professor Dr. Peter Berlit.
„Die Tatsache, dass beide Erhebungen sehr große Kohorten auswertet haben und beide zum gleichen Ergebnis kommen, gibt uns zusätzliche Sicherheit: mRNA-Vakzine gegen SARS-CoV-2 erhöhen nicht das Schlaganfallrisiko, die Sorge davor sollte also Menschen nicht davon abhalten, sich impfen zu lassen.“
Ganz im Gegenteil: Der Experte betont, dass die Corona-Infektion mit einer höheren Schlaganfallrate einhergeht und die Impfung somit vor Schlaganfällen schütze. Das zeigte jüngst die in „JAMA“ veröffentlichte koreanische Studie.
Von 592.719 SARS-CoV-2-positiven Patientinnen und Patienten im Studienzeitraum (von Juli 2020 und Dezember 2021) wurden insgesamt 231.037 in die Studie eingeschlossen. 62.727 waren ungeimpft und 168.310 vollständig geimpft (zwei Dosen eines mRNA- oder Vektorimpfstoffs), sie hatten sich aber trotzdem mit Corona infiziert.
Die geimpften Studienteilnehmenden waren älter und wiesen mehr Komorbiditäten auf. Dennoch waren schwere oder gar kritische COVID-19-Verläufe in dieser Gruppe seltener, ebenso wie die Rate an Folgeerkrankungen.
Das adjustierte Risiko betrug für den ischämischen Schlaganfall 0,40 bei den geimpften Probandinnen und Probanden, was bedeutet, dass die Impfung das Schlaganfallrisiko im Vergleich zur Gruppe der ungeimpften Teilnehmenden mehr als halbierte. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.: Kein erhöhtes Schlaganfallrisiko durch die Impfung gegen SARS-CoV-2, (Abruf: 30.08.2022), Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.
- Stefanou MI, Palaiodimou L, Aguiar de Sousa D, Theodorou A, Bakola E, Katsaros DE, Halvatsiotis P, Tzavellas E, Naska A, Coutinho JM, Sandset EC, Giamarellos-Bourboulis EJ, Tsivgoulis G: Acute Arterial Ischemic Stroke Following COVID-19 Vaccination: A Systematic Review and Meta-analysis; in: Neurology, (veröffentlicht: 24.08.2022), Neurology
- Botton J, Jabagi MJ, Bertrand M, Baricault B, Drouin J, Le Vu S, Weill A, Farrington P, Zureik M, Dray-Spira R: Risk for Myocardial Infarction, Stroke, and Pulmonary Embolism Following COVID-19 Vaccines in Adults Younger Than 75 Years in France; in: Annals of Internal Medicine, (veröffentlicht: 23.08.2022), Annals of Internal Medicine
- Kim YE, Huh K, Park YJ et al.: Association Between Vaccination and Acute Myocardial Infarction and Ischemic Stroke After COVID-19 Infection; in: JAMA, (veröffentlicht: 22.07.2022), JAMA
- Patone, M., Handunnetthi, L., Saatci, D. et al.: Neurological complications after first dose of COVID-19 vaccines and SARS-CoV-2 infection; in: Nature Medicine, (veröffentlicht: 25.10.2021), Nature Medicine
Wichtiger Hinweis:
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