Empfehlungen zur Behandlung von Coronavirus-Patienten
In den vergangenen Tagen sind die Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Deutschland rasant gestiegen. Mittlerweile haben sich hierzulande mehr als 3.600 Personen (Stand: 14.03.2020) mit dem Erreger infiziert. Fachleute haben nun Empfehlungen veröffentlicht, wie Patientinnen und Patienten behandelt werden sollen.
Die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) hat in Zusammenarbeit mit weiteren Fachgesellschaften Empfehlungen für Ärztinnen und Ärzte auf Intensivstationen herausgegeben, die Patientinnen und Patienten mit der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachte Erkrankung COVID-19 betreuen.
Verbreitung des Virus entwickelt sich sehr dynamisch
Die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) geht im Rahmen der COVID-19-Epidemie von einem weiteren Anstieg an intensivpflichtigen Patientinnen und Patienten aus.
Bei der Behandlung dieser Erkrankten sind besondere Aspekte zu beachten. Unter Federführung der DGIIN haben Experten mehrerer Fachgesellschaften aktuelle Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie von Patientinnen und Patienten mit COVID-19 veröffentlicht.
„Die Verbreitung des Virus SARS-CoV-2 entwickelt sich derzeit sehr dynamisch. Wir gehen fest davon aus, dass dies zu einem weiteren Anstieg an Intensivpatienten führt“, erklärt Professor Dr. med. Stefan Kluge, Vorstandsmitglied der DGIIN und Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf in einer Mitteilung.
„Es ist uns wichtig, den Kliniken vor Ort in einem kompakten Paper Empfehlungen zum Umgang mit COVID-19-Patienten zur Verfügung zu stellen, die eine intensivmedizinische Behandlung brauchen.“
Aktueller Kenntnisstand
In den Empfehlungen geben die Fachleute einen Überblick zum aktuellen Kenntnisstand der Diagnostik, dem möglichen Krankheitsbild und worauf bei den Schutzmaßnahmen für das Personal besonders zu achten ist.
Den Empfehlungen zufolge sollte definitiv nur geschultes Personal Zugang zu den Betroffenen haben und dieses Personal möglichst von der Versorgung anderer Patientinnen und Patienten freigestellt werden.
Konkrete Empfehlungen zu therapeutischen Aspekten wie Medikamentengaben, Beatmung und adjuvanten Maßnahmen werden ebenfalls gegeben. Hinsichtlich der genauen Hygienemaßnahmen und Schutzausrüstung verweisen die Fachleute auf die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI).
Konsequente Umsetzung der Basishygiene
Laut der DGIIN bezieht sich der aktuelle intensivmedizinische Wissensstand überwiegend auf Beobachtungen aus China und Italien. Informationen dazu gibt es in dem Fachmagazin „Intensive Care Medicine“.
Es wird grundsätzlich empfohlen, dass sich im Krankenhaus ein multidisziplinäres Team aus Intensivmedizinern, Pflegekräften, Infektiologen und Krankenhaushygienikern mit der Thematik befassen sollte.
Da eine Infektionsübertragung durch infizierte Personen in der Regel über Tröpfcheninfektion und bei engen Kontakten erfolgt, ist eine konsequente Umsetzung der Basishygiene (einschließlich der Händehygiene) sowie der Personalschutzmaßnahmen essenziell.
Diagnose mittels Rachenabstrich oder mittels PCR
Den Angaben zufolge erfolgt der Nachweis des SARS-CoV-2 aus einem tiefen Rachenabstrich oder aus Rachenspülwasser mittels PCR. Dieses Kürzel steht für die Polymerase-Kettenreaktion (englisch: polymerase chain reaction).
Bei negativem Testergebnis und dringendem klinischem Verdacht sollte laut der DGIIN eine zweite Probe getestet werden.
Bei Patientinnen und Patienten im späteren Verlauf der Erkrankung (Lungenentzündung, Akutes Lungenversagen) kann der Rachenabstrich bereits wieder virenfrei sein, während noch infektiöse Viruslast in den unteren Atemwegen besteht, sodass die Gewinnung von Tracheobronchialsekret hilfreich ist.
Krankheitsbild COVID-19
Die Erkrankung COVID-19 manifestiert sich als Infektion der Atemwege mit den Leitsymptomen Fieber und Husten. Bei 81 Prozent der Infizierten ist der Verlauf mild, bei 14 Prozent schwer und fünf Prozent der Patientinnen und Patienten sind kritisch krank.
Zur Aufnahme auf die Intensivstation führt im Regelfall Dyspnoe (Atemnot) mit erhöhter Atemfrequenz, dabei steht eine Hypoxämie (Sauerstoffmangel im Blut) im Vordergrund.
Mögliche Verlaufsformen sind die Entwicklung eines Akuten Lungenversagen (ARDS) sowie, bisher eher seltener, eine bakterielle Koinfektion mit septischem Schock. Weitere beschriebene Komplikationen sind zudem Rhythmusstörungen, eine myokardiale Schädigung sowie das Auftreten eines akuten Nierenversagens.
Die Zeitdauer vom Beginn der Symptome bis zur Aufnahme auf die Intensivstation beträgt etwa zehn Tage.
In den Empfehlungen wird auch darauf hingewiesen, was Ärztinnen und Ärzte laborchemisch und bei der Bildgebung (Röntgen oder CT) beachten sollten.
Unterbringung der Patientinnen und Patienten
Die Unterbringung der Patientinnen und Patienten erfolgt vorzugsweise einzeln in einem Isolierzimmer, idealerweise mit Schleuse/Vorraum.
Zugang zu den Erkrankten erfolgt nur durch für die Versorgung von COVID-19-Patienten geschultes Personals, das möglichst von der Versorgung anderer Patientinnen und Patienten freigestellt wird.
Dabei ist die Zahl der Personen, die das Zimmer betreten, stets auf ein Minimum zu reduzieren (Besuchsverbot).
Die DGIIN weist darauf hin, dass bei der Betreuung der Betroffenen unbedingt auf eine konsequente Umsetzung der Basishygiene (einschließlich Händehygiene) sowie auf die korrekte Verwendung der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) zu achten ist.
Laut Empfehlungen des RKI besteht die persönliche Schutzausrüstung aus Schutzkittel, Einweghandschuhen, dicht anliegender Atemschutzmaske und Schutzbrille.
Medikamentöse Therapie
Bislang liegen für eine spezifische antivirale Therapie noch keine ausreichenden Daten vor. Es gibt verschiedene Therapieversuche mit einer Reihe von Substanzen (Hydroxychloroquin, Lopinavir/Ritonavir, Camostat, Remdesivir etc.).
Unter Umständen kann nach einer Benefit-Risiko-Abwägung ein Einsatz als Einzelfallentscheidung erwogen werden. Therapieversuche sollten laut der DGIIN, wenn möglich, im Rahmen von „Compassionate-Use“-Programmen oder Studienprotokollen durchgeführt werden.
Die University of Liverpool hat eine Aufstellung wahrscheinlicher PK-Interaktionen mit experimentellen Therapien von COVID-19 veröffentlicht.
Bei ARDS sollten in keinem Fall routinemäßig Steroide gegeben werden, eine Gabe scheint die virale Clearance zu verzögern und begünstigt das Pilzwachstum. Studien bei SARS und Influenza zeigten nachteilige Effekte.
Ausnahme ist die niedrig dosierte Hydrokortisontherapie bei septischem Schock ohne Ansprechen auf Flüssigkeits- und Vasopressortherapie über einen Zeitraum von mehr als einer Stunde.
Grundsätzlich sollte bei Beginn der Behandlung auf der Intensivstation und bei einer Verschlechterung der Patientin oder des Patienten im Verlauf die Abnahme von mindestens zwei (sowohl aerobe als auch anaerobe) Blutkultursets erfolgen.
Bei Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf eine Koinfektion sollte eine kalkulierte antibiotische Therapie frühzeitig initiiert werden. Eine prophylaktische Antibiotikagabe wird nicht empfohlen.
Des Weiteren erklärt die DGIIN in den Empfehlungen, welche Maßnahmen bei akuter hypoxämischer respiratorischer Insuffizienz und bei Intubation und Invasiver Beatmung zu beachten ist. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN): Intensivmediziner veröffentlichen Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie von COVID-19-Patienten, (Abruf: 14.03.2020), Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN)
- Stefan Kluge, Uwe Janssens, Tobias Welte, Steffen Weber-Carstens, Gernot Marx & Christian Karagiannidis: Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie von Patienten mit COVID-19; in: Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin, (veröffentlicht: 12.03.2020), Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin
- Robert Koch-Institut (RKI): Neuartiges Coronavirus in Deutschland, (Abruf: 14.03.2020), Robert Koch-Institut (RKI)
- Jianfeng Xie, Zhaohui Tong, Xiangdong Guan, Bin Du, Haibo Qiu & Arthur S. Slutsky: Critical care crisis and some recommendations during the COVID-19 epidemic in China; in: Intensive Care Medicine, (veröffentlicht: 02.03.2020), Intensive Care Medicine
- University of Liverpool: COVID-19 Drug Interactions, (Abruf: 14.03.2020), University of Liverpool
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.