Coronavirus SARS-CoV-2: Möglichst schnelle Entwicklung eines Impfstoffes
Angesichts der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 erscheint es mehr als fraglich, ob die Epidemie bald gestoppt werden kann. Umso wichtiger wäre ein Impfstoff gegen das Virus. Die möglichst schnelle Entwicklung eines Impfstoffes gegen das neue Coronavirus steht auch bei deutschen Forschenden ganz oben auf der Agenda.
Covid-19, die durch das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 ausgelöste Atemwegsinfektion, verbreitet sich international. Weltweit arbeiten Forschungsinstitute an der Entwicklung eines Impfstoffes gegen das Virus. Auch bei deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern steht dieses Ziel ganz oben auf der Agenda.
Zahl der Infizierten steigt weiter an
Immer mehr Menschen weltweit infizieren sich mit dem neuen Coronavirus Sars-CoV-2. In Deutschland haben sich bereits mehr als 1.200 Personen angesteckt. Inzwischen gibt es hierzulande auch erste Todesfälle.
„Momentan steht kein Impfstoff zur Verfügung. Wann ein Impfstoff zur Verfügung stehen könnte, ist derzeit nicht absehbar“, schreibt das Robert Koch-Institut (RKI).
Derzeit arbeiten jedoch Forschende weltweit an der Entwicklung eines Impfstoffes gegen den neuen Erreger – auch in Deutschland.
Zügig auf Ausbrüche reagieren
Um auf Ausbrüche wie durch das neue Coronavirus zügig reagieren zu können, steht im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) der Forschungsbereich „Neu auftretende Infektionskrankheiten“ bereit.
Laut einer Mitteilung konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler während der Ebola-Epidemie 2014 zeigen, wie wichtig es ist, sich auf neue Viren vorzubereiten.
Die Forschenden reagierten sofort, indem sie die klinische Impfstoffentwicklung eines Ebolavirus-Impfstoffes maßgeblich vorantrieben. Auch beim MERS-Coronavirus, das mit dem jetzt auftretenden SARS-CoV-2 verwandt ist, hat das DZIF erfolgreich einen ersten Impfstoff auf den Weg gebracht.
Diese Erfahrungen kommen den Forschenden nun in der aktuellen Krisensituation zugute. Die Fachleute nutzen bereits vorhandene „Bausteine“ oder sogenannte Plattformen, um möglichst schnell zu einem Impfstoff gegen das neue Coronavirus zu gelangen.
Impfstoff-Plattform Nr. 1
Unter der Leitung von Prof. Gerd Sutter, Virologe an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, wird ein sogenannter Vektor-Impfstoff entwickelt, der auf dem „Modifizierten Vacciniavirus Ankara“ (MVA) als Vektor basiert.
Den Angaben zufolge wurde das Impfvirus MVA bereits vor mehr als 30 Jahren an der LMU als Impfstoff gegen Pocken generiert. Die MVA-Viren sind so stark abgeschwächt, dass sie als harmlose Vektoren für andere Impfstoffe dienen können.
Wie es in der Mitteilung heißt, wurde dieser Vektor im DZIF bereits erfolgreich für die Entwicklung eines Impfstoffs gegen das MERS-Coronavirus verwendet, einem nahen Verwandten von SARS-CoV-2; die Testung des Impfstoffes befindet sich in der klinischen Prüfung.
„Wir bauen darauf, dass wir die MVA Plattform wie bei MERS verwenden können und nur die genetische Information für das Oberflächenprotein des SARS-CoV-2 einbauen müssen“, erläutert Sutter, „das heißt statt eines MERS-Coronavirus-Bauteils werden wir den Vektor mit einem SARS-CoV-2-Bauteil kombinieren.“
Denn entscheidend für die Wirkung des Impfstoffes sind die Bestandteile des Virus, gegen die der Mensch Antikörper bilden soll. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben als geeignetes Coronavirus-Bauteil das Spike-Protein auf der Oberfläche des gefürchteten Virus ausgewählt. Dieses Protein ist wichtig für das Eindringen des Erregers in die menschliche Zelle.
Die entsprechende Gensequenz, sprich der Bauplan dieses Proteins, soll jetzt mit der genetischen Information des MVA-Vektors kombiniert werden. Das entstandene Impfvirus dringt dann bei einer Impfung in die Zellen ein und synthetisiert das Spike-Protein, das vom Immunsystem als „fremd“ erkannt wird und damit die Immunantwort stimuliert.
Es werden spezifische Antikörper und T-Zellen gegen das Spike-Protein gebildet, die dann eine spätere Infektion mit dem Virus verhindern sollen.
Erste Produktionsschritte in wenigen Wochen abgeschlossen
„Die genetische Konstruktion des Impfstoffes und die ersten Produktionsschritte sind in etwa sechs bis acht Wochen abgeschlossen“, so Prof. Stephan Becker von der Universität Marburg; er ist der Koordinator des DZIF-Forschungsbereichs „Neu auftretende Infektionskrankheiten“.
Ein enormer Zeitgewinn im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren, in denen zum Beispiel vermehrungsfähige Viren zum Einsatz kommen. Doch auch wenn diese ersten Produktionsschritte so ablaufen wie erhofft, wird ein Impfstoff nicht mehr in diesem Jahr zur Verfügung stehen. Da sind sich die Forschenden einig.
„Die Entwicklung eines Impfstoffs ist ein langwieriger, mühsamer Prozess, vor allem die klinische Prüfung für die Zulassung eines Kandidaten. Das geht nicht in ein paar Wochen“, sagt Becker.
Die klinische Prüfung wird von Prof. Marylyn Addo vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) geleitet werden. Die Medizinerin hat bereits maßgeblich an der Entwicklung des Ebola- und des MERS-Impfstoffs mitgewirkt, für den die klinischen Prüfungen noch im Gang sind.
Impfstoff-Plattform Nr. 2
Neben der bewährten MVA-Plattform erforschen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im DZIF parallel eine zweite Plattform für die Impfstoffentwicklung, um möglichst schnell zum Ziel zu gelangen.
Unter der Leitung des im DZIF tätigen Experten PD Dr. Michael Mühlebach wird der Masernimpfstoff als Vektor für fremde virale Proteine eingesetzt. Die Masernimpfung wird bereits seit den 1960er Jahren millionenfach mit hoher Wirksamkeit und Sicherheit eingesetzt.
Nun kombinieren die Forschenden diesen Vektor ebenfalls mit einem Bestandteil des SARS-CoV-2. Die rekombinanten Impfviren sind schon fertig erzeugt, werden zurzeit gerade vermehrt und anschließend in vitro und in vivo charakterisiert.
„Wenn wir die Eignung eines auf dem Masernimpfvirus basierenden Impfstoff-Kandidaten in einem halben Jahr erforscht haben, kann danach die Entwicklung eines entsprechenden SARS-CoV-2-Impfstoffs von anderen Forschergruppen vorangetrieben werden“, sagt Mühlebach.
Durch die Veröffentlichung relevanter Forschungsergebnisse könnte die Weiterentwicklung dann für industrielle Partner möglich gemacht werden. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF): SARS-CoV-2: DZIF-Wissenschaftler arbeiten an Impfstoffen, (Abruf: 10.03.2020), Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF)
- Robert Koch-Institut (RKI): Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2, (Abruf: 10.03.2020), Robert Koch-Institut (RKI)
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.