Wie können wir mit dem Coronavirus-Stress umgehen?
Die sich ausbreitende Coronavirus-Pandemie führt bei vielen Menschen zu heftigen Reaktionen. Selbst in Gegenden in denen bislang nur wenige Erkrankungsfälle bekannt wurden, sind bestimmte Lebensmittel wie Nudeln oder Toilettenpapier oft innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Und natürlich ist die Angst vor einer Infektion weit verbreitet. Eine Expertin erklärt, wie wir mit dem Coronavirus-Stress umgehen können.
Immer mehr Menschen infizieren sich mit dem neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2. Um die Zahl der Infizierten möglichst gering zu halten, wurden zahlreiche Maßnahmen ergriffen. So werden in fast allen Bundesländern Schulen und Kitas geschlossen. Zudem wurde die Bevölkerung dazu aufgerufen, soziale Kontakte einzuschränken. Doch bei vielen Menschen bleibt die Angst vor Corona. Eine Psychologin erklärt, wie wir damit umgehen können.
Viele Menschen haben Angst
Hamsterkäufe, Schulschließungen, Angst, überhaupt noch einen Schritt in die Öffentlichkeit zu gehen: Bei vielen Menschen in Deutschland ist übertriebene Angst und Panik ausgebrochen, dass sie sich mit dem Coronavirus anstecken könnten.
Was nun hinzukommt, ist auch noch die Angst vor den wirtschaftlichen Folgen und die Frage des Umgangs mit konkreten Alltagsherausforderungen. Eine Panikstörung im klinischen Sinne ist dies deshalb noch lange nicht, erklärt Prof. Dr. Nadia Sosnowsky-Waschek von der staatlich anerkannten privaten SRH Hochschule Heidelberg in einer Mitteilung.
Die Professorin für Gesundheits- und Klinische Psychologie beschreibt wie man das aufkeimende Bedrohungsgefühl erklären und was man dagegen tun kann.
Woher das Bedrohungsgefühl in Bezug auf unsere Gesundheit kommt
Wie die Psychologin erklärt, schätzen wir beim Einkaufen das Risiko ein, ob wir durch den Verzehr von Chips dick werden und gesundheitliche Schäden davontragen. Beim Autofahren entscheiden wir in Sekundenschnelle, ob wir es zum Beispiel noch über die gelbe Ampel schaffen.
Wie solche Entscheidungen ausfallen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zum einen davon, wie schwerwiegend wir die Folgen dieser Entscheidung für die Gesundheit einschätzen und wie wahrscheinlich es ist, dass wir diese Folgen überhaupt selbst zu tragen haben.
Kann die Packung Chips zur Entwicklung von Diabetes beitragen und sich dadurch die persönliche Lebenszeit verkürzen? Bei vielen Alltagsentscheidungen wird das persönliche Gesundheitsrisiko eher als niedrig eingestuft. Also fahren wir über die gelbe Ampel und legen die Chips in den Einkaufswagen.
Solche Risikoabwägungen sind alltäglich, zugleich hocheffizient und für das Gehirn sehr energiesparend, da sie uns vielfach das Leben erleichtern. Die Bewertung läuft nämlich häufig ganz unbewusst, quasi automatisch.
Bewertung des Coronavirus
Im Falle des Coronavirus´ können wir laut Prof. Dr. Nadia Sosnowsky-Waschek nicht auf bewährte Alltagsroutinen zurückgreifen.
Denn wir haben es mit der Bewertung eines Ereignisses zu tun, welches neu ist, im Vergleich zu vielen anderen Lebensrisiken selten auftritt und dessen potentielle gesundheitlichen Folgen wir für die eigene Person, unsere Familien und die Wirtschaft nicht einzuschätzen können.
Das von solchen seltenen und neuen Ereignissen ausgehende Risiko wird typischerweise überschätzt, für deutlich öfter auftretende, aber bekannte Risiken wird es hingegen eher unterschätzt.
Was beeinflusst die Risikowahrnehmung noch?
Der Expertin zufolge ist es auch relevant, wie man die Kontrollmöglichkeiten einer Ansteckung einschätzt. Kann man sich zum Beispiel durch die Desinfektion der Hände oder die Verwendung einer Maske wirksam schützen? Hängt eine Infektion überhaupt von meinem eigenen Verhalten oder dem anderer Personen oder einfach nur vom Zufall ab?
Durch immer neue Informationen seitens der Medien, berichtete Zwischenfälle oder Verbote entsteht bei vielen Menschen der Eindruck einer geringeren Kontrollierbarkeit des Ansteckungsrisikos und dessen Folgen.
Wenn man die Unfreiwilligkeit der Exposition mit dem Virus bedenkt, wird die Gefahr ebenfalls größer eingeschätzt. Einer Angst vor einem Flugzeugabsturz kann man ja dadurch entgehen, indem man Flugzeugreisen grundsätzlich meidet. Doch reicht der eine Meter Abstand zu anderen Personen für die Eindämmung des eigenen Risikos?
Angesichts der vielen neuen und in manchen Fällen auch widersprüchlichen Informationen fällt es uns schwer, ein endgültiges Urteil über die Situation abzugeben. Wir kommen nicht zur Ruhe und sind verunsichert. Kaum hat man einen Plan gemacht, wie man zur Infektionslage steht und wie man sich verhält, muss gegebenenfalls umgedacht werden.
Schließlich kommt noch die eigene Persönlichkeit ins Spiel. Menschen, die optimistisch sind, werden in dieser unsicheren Lage zunächst standhaft eine eher zuversichtliche Haltung vertreten, demnach alles schon irgendwie gut ausgehen wird.
So betrachtet, ist die Angst vor dem neuen Coronavirus eigentlich sehr rational. Sie ist die Folge vieler Bewertungsprozesse und die Folge der Anpassung an die neue Situation, erklärt die Psychologin. Eine Panikstörung ist dies aber nicht, vielmehr versuchen wir Stress zu bewältigen beziehungsweise ein schwer fassbares Problem zu lösen.
Umgang mit dem Corona-Stress
Was laut Prof. Dr. Nadia Sosnowsky-Waschek helfen kann, ist sicherlich zum einen, sich dieser Bewertungsvorgänge bewusst zu werden. Unser Denken und Fühlen steuern unser Verhalten häufig unbewusst.
Achtsam sein und sich einen Plan machen, wie Kontrolle im eigenen Alltag wiederhergestellt werden kann, kann dazu beitragen, den Anflug von „Panik“ zu senken.
Neue Routinen wie beispielsweise langes, gründliches Händewaschen, Verzicht auf Händeschütteln, Meiden von Menschenansammlungen und gleichzeitig eine positive Umgestaltung des Alltags können hilfreich sein – wie zum Beispiel ein ruhiger Spaziergang im Wald, mal wieder ein Buch lesen, ein Bad nehmen.
Möglicherweise ist es auch sinnvoll, die Nachrichten nicht im Coronavirus-Lifeticker am Handy zu verfolgen, sondern nur einmal am Abend oder nach einer anderen eigenen Vorgabe. Von der Flut neuer Informationen sollte man zwischenzeitlich auch pausieren können, so die Expertin. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- SRH Hochschule Heidelberg: Reaktionen auf Corona: Panik oder Vernunft?, (Abruf: 15.03.2020)
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.