Studie: Bindehautinfektionen durch SARS-CoV-2 unwahrscheinlich
Vor einigen Wochen haben Fachleute aus den USA darauf hingewiesen, dass das Coronavirus SARS-CoV-2 auch Bindehautentzündungen verursachen kann. Forschende aus Deutschland berichten nun jedoch über eine Studie, die zeigt, dass Infektionen der Bindehaut durch den neuen Erreger unwahrscheinlich sind.
Die American Academy of Opthalmology (AAO) hat vor einigen Wochen auf Berichte hingewiesen, die darauf hindeuten, dass das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 auch Bindehautentzündungen verursachen kann. Forschende des Universitätsklinikums Freiburg berichten nun aber, dass Bindehautinfektionen durch das Virus unwahrscheinlich sind.
Bindehautentzündungen bei COVID-19-Erkrankten
Wie das Universitätsklinikum Freiburg in einer aktuellen Mitteilung erklärt, nutzt das Coronavirus SARS-CoV-2 bestimmte Proteine auf der Oberfläche menschlicher Zellen als Türöffner, um in die Zellen einzudringen und sich zu vermehren.
Vereinzelt wurde auch über Patientinnen und Patienten mit Entzündungen der Bindehaut des Auges bei COVID-19-Erkrankung berichtet. Bislang war jedoch unklar, ob Bindehautzellen für das neuartige Virus empfänglich sind und damit ein potenzieller Einfallsort für SARS-CoV-2-Viren sein könnten.
Forschende des Universitätsklinikums Freiburg zeigen jetzt in einer Studie, dass Infektionen der Bindehaut durch SARS-CoV-2 unwahrscheinlich sind. Die Ergebnisse wurden vor kurzem in der Fachzeitschrift „Journal of Medical Virology“ veröffentlicht.
Neuer Erreger kann verschiedene Organe infizieren
„Nach unserer Forschung ist es unwahrscheinlich, dass SARS-CoV-2 eine Bindehautinfektion auslösen kann“, so Prof. Dr. Günther Schlunck, Forschungsgruppenleiter an der Klinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums Freiburg.
Bisherige Studien legen nah, dass das Coronavirus mehrere Organe befallen kann. Türöffner-Proteine wie der Rezeptor ACE-2 und das Enzym TMPRSS2, über die der neue Erreger in menschliche Zellen eindringen kann, wurden unter anderem bereits in der Leber, im Magen sowie in den Atemwegen infizierter Menschen nachgewiesen.
Prof. Schlunck, Prof. Dr. Clemens Lange und weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg haben nun untersucht, ob diese Proteine auf Bindehautzellen vorhanden sind.
„Momentan herrscht noch viel Unsicherheit, wie das neuartige Coronavirus Menschen infiziert. Hier wollten wir zur Klärung beitragen“, erläutert Prof. Lange, Erstautor der Studie.
Viren könnten in den Tränenfilm gelangen
Hierfür analysierten die Forschenden Gewebeproben der Bindehaut von 46 Patientinnen und Patienten, die nicht an COVID-19 erkrankt waren. Mit einer RNA-Sequenzierung prüften die Augenärztinnen und Augenärzte, ob Vorläufermoleküle (mRNA), die der Herstellung der Türöffner-Proteine dienen, in den Gewebeproben vorhanden waren.
Ergänzend wurden durch immunhistochemische Färbungen in den Proben vorhandene Proteine mithilfe von markierten Antikörpern sichtbar gemacht.
Den Angaben zufolge wurden in keiner der Proben relevante Mengen von ACE-2 oder TMPRSS2 festgestellt. Dies macht eine Infektion der Bindehaut durch SARS-CoV-2 über eine Bindung an ACE-2 laut den Fachleuten sehr unwahrscheinlich.
„Es ist jedoch möglich, dass Viren in den Tränenfilm geraten und über die ableitenden Tränenwege und die Nasenschleimhaut in die oberen Atemwege gelangen, wo sie eine Infektion auslösen können“, erklärt Prof. Schlunck.
Weiterhin umfassende Hygiene- und Schutzmaßnahmen angebracht
Obwohl eine Bindehautinfektion mit SARS-CoV-2-Viren unwahrscheinlich ist, sind umfassende Hygiene- und Schutzmaßnahmen weiterhin angebracht.
Wie Prof. Lange erklärt, sollten Ärztinnen und Ärzte mit engem Kontakt zu COVID-19-Erkrankten „trotzdem darauf achten, Mund, Nase und gegebenenfalls auch die Augen wirksam zu schützen.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universitätsklinikum Freiburg: Bindehautinfektion durch SARS-CoV-2 unwahrscheinlich, (Abruf: 30.05.2020), Universitätsklinikum Freiburg
- Clemens Lange MD, PhD, Julian Wolf MD, Claudia Auw‐Haedrich MD, Anja Schlecht PhD, Stefaniya Boneva MD, Thabo Lapp MD, Ralf Horres PhD, Hansjürgen Agostini MD, Gottfried Martin PhD, Thomas Reinhard MD, Günther Schlunck MD: Expression of the COVID‐19 receptor ACE2 in the human conjunctiva; in: Journal of Medical Virology, (veröffentlicht: 06.05.2020), Journal of Medical Virology
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.