Mehr asymptomatische SARS-CoV-2-Infektionen durch Schutzmasken?
Mehrere Studien haben bereits gezeigt, dass das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen vor allem andere Personen vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 schützen kann. Zwei aktuelle Publikationen liefern nun Hinweise darauf, dass die Trägerinnen und Träger solcher Masken häufiger asymptomatisch erkranken, wenn sie mit dem Virus infiziert werden. Können Mund-Nasen-Schutzmasken schwere COVID-19-Infektionen verhindern?
Forschende tragen in zwei aktuellen Veröffentlichungen Hinweise dafür zusammen, dass das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen die Aufnahme größerer Mengen von Coronaviren verhindert, wodurch das Risiko für schwere Erkrankungen zu sinken scheint. Die Berichte wurden kürzlich im „New England Journal of Medicine“ sowie im „Journal of General Internal Medicine“ präsentiert.
Variolation durch Mund-Nasen-Schutz?
Ein gewöhnlicher Mund-Nasen-Schutz kann nicht gänzlich verhindern, dass die Trägerinnen und Träger mit Coronaviren vom Typ SARS-CoV-2 in Berührung kommen. Die Bedeckung scheint jedoch die Viruslast zu senken, die bei den Mundschutz-tragenden Personen ankommt. Laut den aktuellen Publikationen scheint dies einen ähnlichen Effekt zu haben wie bei der Variolation bei Pocken: Die geringere Intensität bei der Berührung mit dem Virus scheint häufiger zu milden und asymptomatischen Verläufen zu führen.
Was ist Variolation?
Variolation ist ein Begriff aus der Medizingeschichte aus der Zeit, bevor es Impfungen gegen Pocken gab. Die Haut von gesunden Personen wurde dabei mit einem Sekret aus den Pusteln von Pockenkranken eingerieben, um die Betroffenen auf kontrollierte Art und Weise mit dem Virus in Berührung zu bringen. Personen, die eine Pocken-Variolation erhielten, erkrankten in der Regel nach der Behandlung. Die Infektion verlief jedoch häufig schwächer.
Mit der Entwicklung der ersten Impfstoffe gegen Pocken wurde die Variolation eingestellt, da die Auswirkungen dieser Behandlung nicht vorhersehbar waren und tödliche Verläufe durch die Therapie nicht ausgeschlossen werden konnten. Das Team um die amerikanische Medizinprofessorin Monica Gandhi von der Universität von Kalifornien in San Francisco zeigte nun, dass Mund-Nasen-Schutzmasken einen ähnlichen Effekt zu haben scheinen.
Schützt ein Mund-Nasen-Schutz vor schweren Verläufen?
Die Publikationen sind erste Hinweise darauf, dass Personen mit einem Mund-Nasen-Schutz nicht nur andere, sondern auch sich selbst schützen. Die primäre Wirkung solcher Bedeckungen zielt zwar darauf ab, weniger Tröpfchen und Aerosole in die Umgebung abzugeben. Nach Ansicht von Infektiologin Gandhi gibt es jedoch auch plausible Hinweise darauf, dass ein Mund-Nasen-Schutz wie ein Filter wirkt, der nur geringere Virusmengen durchlässt, wodurch die Erkrankungen häufiger weniger schwer und vermehrt asymptomatisch verlaufen.
Bislang nur eine Hypothese
Bei den Berichten handelt es sich um Hypothesen, die das Team anhand von bislang veröffentlichten Studien aufstellte. Ob das Tragen von Mund-Nasen-Schutzmasken im Falle einer Infektion tatsächlich mit einem geringeren Risiko für schwere Krankheitsverläufe verbunden ist, muss erst in gezielten Studien bestätigt werden. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Monica Gandhi, Chris Beyrer, Eric Goosby: Masks Do More Than Protect Others During COVID-19: Reducing the Inoculum of SARS-CoV-2 to Protect the Wearer; in: Journal of General Internal Medicine, 2020, link.springer.com
- Monica Gandhi, George W. Rutherford: Facial Masking for Covid-19 — Potential for “Variolation” as We Await a Vaccine; in: New England Journal of Medicine, 2020, nejm.org
- Deutsches Ärzteblatt: Variolation: SARS-CoV-2-Infektionen könnten durch Mund-Nasen-Schutz häufiger asymptomatisch verlaufen (veröffentlicht: 09.09.2020), aerzteblatt.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.