COVID-19: Infektionen betreffen nicht nur die Lunge
Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 wurde bislang vor allem mit Husten, Fieber und Atembeschwerden in Verbindung gebracht. Doch es gibt Hinweise, dass COVID-19 auch Schädigungen des Nervensystems zur Folge haben kann.
Zu Beginn der Pandemie wurde das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 oft auch als Atemwegsvirus bezeichnet. Doch inzwischen haben wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt, dass es sich bei dem Erreger um ein „Multiorganvirus“ handelt, das viele Organe befällt. Und laut einer Studie kann eine Infektion mit dem Erreger auch zu neurologischen Symptomen führen.
Bislang fehlen belastbare Belege
Wie in einer Mitteilung der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) erklärt wird, betreffen Infektionen mit SARS-Cov-2 offenbar auch andere Organe als die Lunge.
„Es gibt bei COVID-19 Hinweise auf Infektionen des Herzens und der Niere, aber auch auf eine Beteiligung des zentralen Nervensystems“, so Prof. Dr. Till Acker, Leiter des Instituts für Neuropathologie der JLU und Vorstandsvorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Neuropathologie und Neuroanatomie e.V. (DGNN).
Doch bislang fehlen belastbare Belege für eine Beeinflussung von Nervenzellen durch das neuartige Coronavirus beziehungsweise zur Neuroinvasion von SARS-CoV-2; für Infektionen mit anderen humanen Coronaviren ist sie bereits nachgewiesen worden.
Um eine mögliche Beteiligung des Nervensystems bei COVID-19 zu untersuchen, wird auf Initiative der DGNN nun ein deutschlandweites Register mit humanen Proben aus dem zentralen und peripheren Nervensystem (ZNS, PNS) bei COVID-19-Obduktionen aufgebaut.
Neurologische Symptome bei COVID-19
„Es wird diskutiert, ob eine Beteiligung des zentralen Nervensystems durch eine Störung der kardiorespiratorischen Zentren im Hirnstamm für den häufig ungünstigen Krankheitsverlauf bei COVID-19-Patientinnen und -patienten, auch unter Beatmung, mitverantwortlich ist“, erklärt Prof. Acker.
Viele Menschen, die an COVID-19 erkranken, leiden insbesondere unter Schwindel, Kopfschmerzen sowie schweren Beeinträchtigungen des Geruchs- und Geschmackssinns. So hatte eine Untersuchung aus Wuhan (China) bei einem Drittel der Patientinnen und Patienten mit COVID-19 neurologische Beschwerden gezeigt.
Zudem ist die Erbsubstanz von SARS-CoV-2 bereits in der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit nachgewiesen worden.
Register wird der wissenschaftlichen Gemeinschaft zur Verfügung gestellt
Mit der neuen Biobank soll jetzt die Grundlage dafür geschaffen werden, eine mögliche ZNS-Beteiligung detailliert morphologisch, molekular und klinisch zu charakterisieren und die Pathomechanismen der SARS-CoV-2-Infektion besser zu verstehen.
So ist nicht bekannt, bei welchen klinischen Krankheitsverläufen und in welcher Häufigkeit das ZNS bei COVID-19 involviert ist.
Den Angaben zufolge soll das Register unter Nutzung der von der Medizininformatik-Initiative (MI-I) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) entwickelten Plattformen mit anderen COVID-19-Patientenregistern für konföderierte Abfragen vernetzt werden.
„Hierbei wird es einen engen Austausch mit anderen Fachgesellschaften geben“, sagt Prof. Acker. „Das Register wird der wissenschaftlichen Gemeinschaft zur Verfügung gestellt.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU): Ist das Nervensystem bei SARS-CoV-2-Infektionen beteiligt?, (Abruf: 26.05.2020), Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU)
- Ling Mao, Huijuan Jin, Mengdie Wang, et al.: Neurologic Manifestations of Hospitalized Patients With Coronavirus Disease 2019 in Wuhan, China; in: JAMA Neurology, (veröffentlicht: 10.04.2020), JAMA Neurology
Wichtiger Hinweis:
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