Mit Gen-Schere Vermehrung von SARS-CoV-2 unterbinden
Spätestens seit der COVID-19-Pandemie ist klar, dass Viren eine Bedrohung für die Gesundheit der Menschen weltweit sind. Trotz des beachtlichen Erfolgs von Impfstoffen werden auch antivirale Arzneimittel benötigt, um Erkrankten helfen zu können. Für viele Viruserkrankungen gibt es bis heute noch keine wirksamen Medikamente. Der Blick auf Ausbrüche von SARS-CoV-1, MERS-CoV, Ebola oder Influenza verdeutlicht, dass sich die Menschheit für zukünftige Epidemien und Pandemien wappnen muss. Helfen könnte dabei in Zukunft eine Gen-Schere. Diese soll das Coronavirus SARS-CoV2 und andere RNA-Viren zerstören.
Warum nicht einfach das Coronavirus SARS-CoV-2 zerschneiden und auf diese Weise unschädlich machen? Das ist die Idee für eine neue innovative antivirale Therapie. Erste Ergebnisse in der vorklinischen Anwendung sind vielversprechend, berichten Forschende aus Göttingen und Hannover.
Perfektioniertes System zur Bekämpfung von Viren
Das neue Verfahren wurde experimentell an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) entwickelt, heißt es in einer Mitteilung. Für den neuen Wirkstoffansatz zum Kampf gegen Viren greift das Team „CRISPR/Cas13-mediated antiviral therapy“ um Prof. Dr. Elisabeth Zeisberg, Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG und Herzzentrum Göttingen, auf Werkzeuge zurück, die Bakterien schon seit langer Zeit erfolgreich anwenden.
Diese haben ihren evolutionären Vorsprung von über drei Milliarden Jahren gegenüber den Menschen genutzt und ein perfektioniertes System zur Bekämpfung von Viren entwickelt: sogenannte „Gen-Scheren“.
Den Angaben zufolge ist CRISPR/Cas9 eine bakterielle DNA-Schere und CRISPR/Cas13 entsprechend eine RNA-Schere. Damit können Bakterien DNA- beziehungsweise RNA-Viren „zerschneiden“. Dabei legen sogenannte guides („Begleiter“) oder crRNAs fest, an welchen Stellen geschnitten wird.
Deutliche Abnahme der Lungenschäden
Kooperationspartnerinnen und -partner im Projekt „CRISPR/Cas13-mediated antiviral therapy“ sind Prof. Dr. Gerd Hasenfuß, Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG und Herzzentrum Göttingen, Prof. Dr. Stefan Pöhlmann vom Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung (DPZ), sowie Prof. Dr. Albert Osterhaus und Prof. Dr. Gisa Gerold von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo).
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben das Ziel, die Vermehrung von SARS-CoV2, einem großen RNA-Einzelstrangvirus, in den oberen Luftwegen zu verhindern. Dafür haben die Forschenden ein Konzept für die Herstellung spezieller Gen-Scheren entwickelt: gegen SARS-Viren gerichtete RNA-Scheren, die auf dem bakteriellen CRISPR/Cas13-System beruhen.
Wie in der Mitteilung erklärt wird, werden sie mittels harmloser viraler Genfähren, sogenannter adeno-assoziierter AAV-2 Viren, gezielt in Lungenepithelzellen eingeschleust. Die RNA-Scheren sind dabei so gewählt, dass sie die menschliche Zelle selbst nicht beeinträchtigen. Eine Gen-Schere in Verbindung mit einer speziellen Kombination von gegen SARS-Viren gerichteten crRNAs unterbindet konstant die Vermehrung des neuen Coronavirus innerhalb von 24 Stunden in SARS-CoV2-infizierten menschlichen Lungenepithelzellen in der Petrischale.
Erste Versuche im Tiermodell mit SARS-CoV-2 infizierten Hamstern zeigen, dass die Gabe des therapeutischen Mixes aus gegen SARS-CoV-2 gerichteten RNA-Scheren über die Nase im Vergleich zu einer unspezifischen Kontroll-Schere zu einer deutlichen Abnahme der Lungenschäden führt. „Durch eine besondere Auswahl der crRNAs („Begleiter“) ist unser Ansatz weitgehend unabhängig von Mutationen und deckt daher alle bisherigen Varianten des SARS-CoV-2 Virus ab“, erklärt Dr. Xingbo Xu, Mitarbeiter aus der Arbeitsgruppe Zeisberg.
Therapeutischer Ansatz soll optimiert werden
„Grundsätzlich ist der Ansatz auch auf andere RNA-Viren übertragbar. Er könnte auch im Falle einer neuen Epi- oder Pandemie mit noch unbekannten RNA-Viren rasch als Therapie umgesetzt werden“, so Prof. Dr. Albert Osterhaus von der TiHo Hannover.
Prof. Dr. Elisabeth Zeisberg weist darauf hin, dass sie mit ihrem Team und den Partnerinnen und Partnern vom DPZ und der TiHo als Fachleute auf dem Gebiet der Virologie allgemein und insbesondere auch für Coronaviren „diesen therapeutischen Ansatz nun optimieren und als mögliche Therapie gegen SARS-CoV-2 evaluieren, etablieren und in die klinische Anwendung bringen“ möchten.
„Gleichzeitig sehen wir in dem bislang erfolgreichen Ansatz nicht nur eine Anti-COVID-Therapie, sondern eine mögliche Plattformtechnologie, die sich langfristig auch gegen chronische Krankheiten einschließlich Herz- und Nierenerkrankungen einsetzen lässt“, so Prof. Hasenfuß, Direktor der Klinik für Kardiologie und Pneumologie und Vorsitzender des Herzzentrums der UMG. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
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- Universitätsmedizin Göttingen: Gen-Schere soll SARS-CoV2 und andere RNA-Viren zerstören, (Abruf: 12.12.2021), Universitätsmedizin Göttingen
Wichtiger Hinweis:
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