Covid-19: Welche Maßnahmen sind in nächster Zeit zu erwarten?
Mittlerweile sind Covid-19-Erkrankungen durch den neuen Coronavirus Sars-CoV-2 in fast allen Bundesländern außer in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und dem Saarland gemeldet. Das Robert Koch-Institut spricht von 188 bestätigten Fällen. Ein Großteil der Erkrankungen verläuft mild – ähnlich wie eine Erkältung. Dennoch ist das Virus hochansteckend und es ist mit einer weiteren Ausbreitung zu rechnen. Auf welche Einschränkungen müssen wir uns gefasst machen?
Die Anzahl der Infektionsfälle ist nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO weltweit auf über 90.000 gestiegen. Mittlerweile melden insgesamt 73 Länder Covid-19-Erkrankungsfälle. Die Zahl der Opfer stieg auf über 3.100. Auch in Deutschland steigt die Zahl erfasster Infektionen mit dem neuen Coronavirus von Tag zu Tag deutlich. Die Reaktion darauf müsse verhältnismäßig und angemessen ausfallen, betont Minister Jens Spahn. Oberstes Ziel sei eine Verlangsamung der Epidemie.
Grenzen bleiben offen
Schulschließungen und die Absage bestimmter Veranstaltungen – aber keine Schließung von Grenzen: Die Maßnahmen gegen eine Ausbreitung des neuen Coronavirus sollten verhältnismäßig und angemessen ausfallen, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Montag in Berlin.
Generelle Schließungen und Absagen sind nicht zu erwarten
Eine generelle vorsorgliche Absage von Großveranstaltungen sei ebenso wie eine generelle Schließung von Unternehmen bei einzelnen Nachweisen unter Mitarbeitern nicht ratsam. „An bestimmten Stellen in Deutschland wird der Alltag ein Stück eingeschränkt sein müssen“, betonte der Minister aber auch.
RKI bewertet das Infektionsrisiko als mäßig
Bis zum Dienstag-Nachmittag (03.03.2020) waren beim Robert Koch-Institut (RKI) bundesweit 188 Sars-CoV-2-Infektionen erfasst, mehr als die Hälfte davon allein in Nordrhein-Westfalen. Das Institut stufte die Risikoeinschätzung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland von „gering bis mäßig“ auf „mäßig“ hoch. Für die EU stufte die EU-Gesundheitsagentur ECDC das Risiko von „moderat“ auf „hoch“ herauf, wie EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen mitteilte. Folgende Auflistung zeigt die Fallzahlen der einzelnen Bundesländer (Stand: 3.3.2020, 10:00 Uhr):
- Baden-Württemberg: 26
- Bayern: 35
- Berlin: 3
- Brandenburg: 1
- Bremen: 1
- Hamburg: 2
- Hessen: 10
- Niedersachsen: 1
- Nordrhein-Westfalen: 101
- Rheinland-Pfalz: 2
- Sachsen: 1
- Schleswig Holstein: 2
- Thüringen: 1
Die Lage muss jeden Tag neu bewertet werden
In mehreren Ländern weltweit steigen die Covid-19-Zahlen rasant, über 90.000 Infektionen mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 und mehr als 3.100 Todesfälle sind inzwischen erfasst. Binnen etwa eines Tages wurden Nachweise in mehreren zuvor nicht betroffenen Millionen-Metropolen gemeldet, darunter Berlin, Moskau, Delhi und New York. In Deutschland wurden inzwischen in fast allen Bundesländern Infektionen nachgewiesen. Die Lage sei sehr dynamisch und müsse jeden Tag neu bewertet werden, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler.
Reisefreiheit wird voraussichtlich nicht eingeschränkt
Das Schließen von Grenzen oder das Beschränken von Reisefreiheit in Europa wäre kein angemessener oder verhältnismäßiger Schritt, sagte Spahn. Er wandte sich auch gegen eine Einstellung von Direktflügen etwa zwischen China und Deutschland. Für Großveranstaltungen sei unter anderem zu betrachten, ob Teilnehmende aus Risikogebieten erwartet würden. Auch für Unternehmen müsse es eine abgestufte Risikobewertung geben.
Verzögerungsstrategie
Bei der Ausbreitung des neuen Coronavirus geht es demnach in den kommenden Wochen vor allem um eine Verzögerung der Epidemie. Je besser es gelinge, die Rate der Ansteckungen kleinzuhalten, desto geringer werde der Druck auf das Medizinsystem und die Gesellschaft sein, sagte auch der Virologe Christian Drosten.
Covid-19 ist eine verhältnismäßig milde Erkrankung
Bei Maßnahmen wie Schulschließungen und Veranstaltungsabsagen gehe es nicht vordringlich um das Risiko für den Einzelnen, betonte er. Covid-19 sei eine milde Erkrankung, im Grunde eine Art Erkältung, die meist rasch überstanden oder bei manchen kaum zu spüren sei. Mit den Maßnahmen lasse sich aber die Verbreitung eindämmen – und es mache einen riesigen Unterschied, ob eine Ausbreitungswelle eine Bevölkerung binnen weniger Wochen oder auf zwei Jahre verteilt zu großen Teilen erfasse.
Ein Infizierter steckt im Mittel drei weitere Personen an
Nach den derzeitigen Daten liege die Covid-19-Todesrate bei 0,3 bis 0,7 Prozent, sagte Drosten. Das bedeutet, dass von 1000 Infizierten drei bis sieben Betroffene sterben. Wahrscheinlich liege die tatsächliche Rate sogar noch darunter, erklärte der renommierte Virologe von der Berliner Charité. Am schwersten abzuschätzen sei derzeit, mit welcher Geschwindigkeit sich das Virus ausbreite.
Es gebe Hinweise, dass ein Infizierter im Mittel drei weitere Menschen ansteckt – dieser Wert sei aber mit großen Unsicherheiten behaftet. Gestoppt wird eine Epidemie dann, wenn ein Infizierter statistisch im Durchschnitt weniger als einen weiteren Menschen ansteckt.
In Deutschland ist mit einem deutlichen Anstieg zu rechnen
Zunächst allerdings ist auch in Deutschland weiter von einem deutlichen Anstieg der Fallzahlen und neu entdeckten Infektionsketten auszugehen. So wurde in Berlin erstmals eine Ansteckung erfasst – und das nur zufällig: Die Infektion bei einem 22-Jährigen wurde bemerkt, weil die Charité Influenza- und Coronavirus-Test verbindet. Der Mann war am Sonntag mit neurologischen Symptomen in die Notaufnahme gebracht worden. Er wird nun isoliert im Virchow-Klinikum der Charité behandelt.
Wie der seit rund zwei Wochen unter Erkältungssymptomen leidende Mann sich mit Sars-CoV-2 infizierte, war zunächst unklar. „Es gibt eine leise Spur nach Nordrhein-Westfalen“, sagte Charité-Vorstand Ulrich Frei. Die Eltern des Mannes leben dort und hatten ihn besucht.
NRW besonders stark betroffen
Nordrhein-Westfalen ist derzeit mit mehr als 101 Nachweisen das am schwersten betroffene Bundesland. Allein im Kreis Heinsberg waren bis Montagmittag 78 Infektionen bekannt, wie ein Sprecher des Kreises mitteilte. Für den schwer erkrankten 47-Jährigen, der seit Tagen in der Düsseldorfer Universitätsklinik behandelt wird, gebe es nach wie vor keine Entwarnung, hieß es zudem. Der Mann und seine ein Jahr jüngere Frau hatten am 15. Februar in Gangelt bei einer Sitzung Karneval gefeiert. Zahlreiche Menschen sollen sich auf der Feier angesteckt haben.
85 Prozent der Infizierten zeigen nur leichte Symptome
Das Virus Sars-CoV-2 kann die Erkrankung Covid-19 verursachen. Die meisten Infizierten haben nur eine leichte Erkältungssymptomatik mit Frösteln und Halsschmerzen, die binnen weniger Tage verschwindet, oder gar keine Symptome. Etwa 15 von 100 Infizierten erkranken schwer, wie es vom RKI hieß. Sie bekommen etwa Atemprobleme oder eine Lungenentzündung. Betroffen sind vor allem ältere Menschen oder solche mit Vorerkrankungen. Vereinzelt kommt es zu Todesfällen.
Covid-19 zu Hause auskurieren
Die meisten infizierten Personen können ihre Infektion in häuslicher Quarantäne auskurieren. Besondere Medikamente sind zur Heilung nicht nötig. Bei schweren Beschwerden sollte unbedingt eine rasche ärztliche Versorgung erfolgen. Nähere Informationen hierzu finden Sie in dem Artikel: Covid-19 mit Hausmitteln zu Hause behandeln.
Schulschließungen und Quarantäne entlasten das Gesundheitssystem
Behörden in vielen Ländern erlassen derzeit Maßnahmen wie Schulschließungen und eine Quarantäne für Verdachtsfälle. Bei manchen Menschen lässt das den Eindruck entstehen, es müsse sich bei Covid-19 um eine besonders gefährliche Erkrankung handeln. Der Hintergrund solcher Maßnahmen ist aber ein anderer: Eine ungebremste Infektionswelle könnte unter anderem volle Wartebereiche und Arztpraxen, belegte Intensivbetten und überlastete Gesundheitsämter bedeuten. Daher ist das Ziel, die Ausbreitung über einen möglichst langen Zeitraum zu strecken. Denn in etwa einem Jahr könnte es eine schützende Impfung gegen den neuen Erreger geben.
Die Inkubationszeit – also der Zeitraum zwischen Infektion und Beginn von Symptomen – beträgt nach derzeitigem Stand meist zwei bis 14 Tage. Das ist der Grund dafür, dass Verdachtsfälle derzeit meist etwa zwei Wochen lang isoliert werden.
Italien ist in Europa am stärksten betroffen
In Europa ist Italien das am stärksten von der Covid-19-Epidemie betroffene Land. Es ist zudem eines der nach offizieller Statistik am stärksten von der Epidemie erfassten Länder der Welt. Derzeit meldet die WHO über 2.000 bestätigte Infektionsfälle und 52 Todesfälle (Stand: 03.03.2020). Bei vielen anderen Staaten gehen Gesundheitsfachleute allerdings von einer hohen Dunkelziffer nicht erfasster Fälle aus.
Auswirkungen auf die Weltwirtschaft
Die wirtschaftlichen Folgen der Epidemie machen sich immer stärker bemerkbar. Die Industriestaaten-Organisation OECD erwartet im laufenden Jahr nur noch ein Wachstum der globalen Wirtschaft von 2,4 Prozent. Das ist ein halber Prozentpunkt weniger als zuletzt vorhergesagt. Im Vorjahr hatte die Wirtschaft weltweit noch um 2,9 Prozent zugelegt. (vb; Quelle: Annett Stein, dpa)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- WHO: Novel Coronavirus (COVID-19) Situation (Abruf: 03.03.2020), experience.arcgis.com
- Robert Koch-Institut (RKI): SARS-CoV-2: Fallzahlen in Deutschland, China und weltweit, rki.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.