SARS-CoV-2: Jede zweite Infektion bleibt unerkannt
In Deutschland wurden bislang mehr als 3,7 Millionen Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 registriert (Stand: 05.06.2021). Doch vermutlich liegt die Zahl der Menschen, die sich mit dem Erreger angesteckt haben, deutlich höher. Darauf weist auch eine aktuelle Antikörperstudie hin.
Zwar kann eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu schweren COVID-19-Krankheitsverläufen und zum Tod führen, doch viele Menschen, die sich mit dem Erreger anstecken, entwickeln nur leichte Symptome oder bemerken die Infektion gar nicht. Dies könnte auch erklären, warum die Dunkelziffer offenbar extrem hoch ist.
Wichtige Erkenntnisse zur Corona-Verbreitung
Die erste Phase einer großangelegten Studie der Universitätsmedizin Magdeburg (SeMaCo) ist abgeschlossen und liefert wichtige Erkenntnisse zur Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2, der Dunkelziffer und der Impfbereitschaft im Großraum Magdeburg.
Laut einer aktuellen Mitteilung haben Fachleute der Universitätsmedizin Magdeburg im Frühjahr 2021 bei insgesamt 2.138 Blutspenderinnen und Blutspendern aus dem Großraum Magdeburg eine Blutprobe entnommen und auf Antikörper gegen das SARS-CoV-2-Virus untersucht.
Das Forschungsteam um die Professoren Dr. Achim Kaasch, Leiter des Institutes für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene (IMMB), Dr. Hans-Gert Heuft, Leiter des Institutes für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie mit der Blutbank (ITIB) und Dr. Dr. Christian Apfelbacher, Direktor des Institutes für Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung (ISMG) hat die vorläufigen Ergebnisse der ersten Studienphase nun vorgestellt.
„Weit entfernt von einer breiten Immunität“
Die erste Bilanz zeigt: Bei etwa 13 Prozent der Teilnehmenden konnten in dem Erhebungszeitraum vom 20. Januar 2021 bis zum 30. April 2021 Antikörper gegen das Virus nachgewiesen werden.
„Unsere Studie zeigt, dass wir noch weit entfernt von einer breiten Immunität in der Bevölkerung sind. Das bedeutet, dass das Virus nach wie vor viele Möglichkeiten hat, sich weiter auszubreiten“, so Mikrobiologe Prof. Dr. Achim Kaasch. Der Wissenschaftler hält aus diesem Grund konsequentes Testen und die Einhaltung der AHA-Regeln auch mit Blick auf den Herbst weiterhin für notwendig.
Insgesamt hatten 1.895 Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer angegeben, noch keine Impfung gegen COVID-19 bekommen zu haben. Dennoch konnten bei etwa sechs Prozent der ungeimpften Blutspenderinnen und Blutspender Antikörper nachgewiesen werden. Dies ist ein Zeichen für eine durchgemachte Infektion und liefert Erkenntnisse zur Dunkelziffer für den Raum Magdeburg.
Dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge meldete Magdeburg Ende April 6.141 SARS-CoV-2-Infektionen. „Wir können anhand unserer Studien-Daten sagen, dass zu diesem Zeitpunkt sehr wahrscheinlich fast genauso viele Fälle nicht erfasst wurden“, sagte Prof. Dr. Kaasch. Den Angaben zufolge hatte das Team auch Ergebnisse in dieser Größenordnung erwartet.
Wie in der Mitteilung erklärt wird, setzt sich das Feld der Blutspendenden aus 51 Prozent Männern und 49 Prozent Frauen aus allen Altersgruppen zusammen. Damit sind die Blutspenderinnen und Blutspender zwar kein vollständiges Abbild der Magdeburger Bevölkerung, liefern den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern jedoch eine gute Orientierung zu unentdeckten Infektionen.
Sehr hohe Impfbereitschaft
Zudem konnte die Studie zeigen, dass die Impfbereitschaft der Studienteilnehmenden im Raum Magdeburg mit über 70 Prozent sehr hoch ist. „Dieses Ergebnis macht Mut und ist mitentscheidend für die weitere Entwicklung der Pandemie“, sagte Prof. Dr. Dr. Christian Apfelbacher, der mit seinem Team unter anderem die Daten der begleitenden Fragebögen auswertet.
Bedeutsam ist auch die Frage, wie lange denn die Immunität durch eine Impfung oder nach einer durchgemachten SARS-CoV-2-Infektion tatsächlich anhält. Dazu soll der weitere Verlauf der Studie noch weitere wichtige Erkenntnisse liefern.
„Im Unterschied zu anderen Studien untersuchen wir unsere Blutspenderinnen und Blutspender in 4 Studienphasen über einen sehr langen Zeitraum von insgesamt 21 Monaten. In jeder Studienphase wird ein Antikörpertest durchgeführt, so dass wir den Verlauf der Antikörperspiegel sowohl bei den Genesenen als auch den Geimpften bestimmen können“, erläuterte Prof. Dr. Heuft den Aufbau und Fortgang der Studie.
Die Studienphasen 2 bis 4 laufen von Juli bis Oktober 2021, Januar bis April 2022 sowie Juli bis Oktober 2022.
Entscheidende Wissenslücken schließen
„Die Universitätsmedizin Magdeburg arbeitet derzeit in 15 Forschungsprojekten zu COVID-19 daran, Stück für Stück mehr Erkenntnisse über das SARS-CoV-2-Virus zu gewinnen und beteiligt sich damit maßgeblich an der Bewältigung der Pandemie“, erklärte die Dekanin der Medizinischen Fakultät, Prof. Dr. Daniela Dieterich.
„Der Austausch und die Vernetzung von Disziplinen spielt dabei eine wichtige Rolle. In der SeMaCo-Studie wird diese Form der wissenschaftlichen Zusammenarbeit vorgelebt – hier arbeiten gleich drei unterschiedliche Disziplinen der Unimedizin erfolgreich zusammen. Unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler helfen mit ihrer Arbeit entscheidende Wissenslücken zu schließen und ein immer genaueres Bild von dem, was um uns herum passiert, zu zeichnen“, so die Expertin.
„In der Pandemie ist die Bedeutung medizinischer Spitzenforschung besonders deutlich geworden – auch damit in der Politik richtige, evidenzbasierte Entscheidungen getroffen werden können“, sagte Wissenschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann.
Neben dem Aufschluss über die tatsächliche Ausbreitung des Virus und den Stand der sogenannten Herdenimmunität „sind vor allem die Ergebnisse zur sehr hohen Impfbereitschaft im Lande äußerst ermutigend. Denn nur die Kombination aus weitreichender Immunität und hinreichender Kenntnis über angemessenen Infektionsschutz wird dazu beitragen, dass sich unser Leben wieder vollends normalisieren kann.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universitätsmedizin Magdeburg: Erste Ergebnisse der Magdeburger Antikörperstudie zu COVID-19: Von breiter Immunität noch weit entfernt, (Abruf: 05.06.2021), Universitätsmedizin Magdeburg
Wichtiger Hinweis:
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