Unvollständiger Schutz gegen Corona-Varianten aus Nerzen
Im vergangenen Herbst entdeckten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine gefährliche Mutation des Coronavirus SARS-CoV-2 in Nerzen aus Nerzfarmen. Nun berichten Forschende, dass eine durchgemachte Corona-Infektion nur einen unvollständigen Schutz gegen SARS-CoV-2-Varianten aus Nerzen bieten könnte.
Es ist bereits länger bekannt, dass sich auch Tiere mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 anstecken können. So sind beispielsweise Infektionen bei Hunden und Katzen bekannt geworden. Und in zahlreichen Nerzfarmen kam es zu Ausbrüchen. Dort kam es auch zur Entstehung von mutierten Viren, die teilweise der Kontrolle durch Antikörper entkommen.
Varianten aus Nerzen auf den Menschen übertragen
Schon vor etwa einem Jahr wurde beobachtet, dass sich Nerze mit SARS-CoV-2 infizieren können. Wie das Deutsche Primatenzentrum (DPZ) – Leibniz-Institut für Primatenforschung in einer Mitteilung erklärt, war das Virus von Menschen auf die gezüchteten Tiere übertragen worden und veränderte sich dort.
Es entstanden Mutationen im Spike-Protein, das für den Eintritt des Virus in die Wirtszellen ausschlaggebend ist und den zentralen Angriffspunkt für Antikörper darstellt. Diese SARS-CoV-2-Varianten aus Nerzen wurden dann zurück auf den Menschen übertragen und gaben Anlass zur Sorge, dass Nerze eine ständige Quelle für die Infektion des Menschen mit Coronavirus-Varianten mit veränderten biologischen Eigenschaften sein könnten.
Forschende des Deutschen Primatenzentrums (DPZ) – Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen konnten nun zeigen, dass ein für die COVID-19-Therapie eingesetzter Antikörper nicht in der Lage ist, SARS-CoV-2 mit einer in Nerzen erworbenen Mutation wirksam zu hemmen.
Darüber hinaus verminderte die Mutation die Hemmung des Virus durch Antikörper, die nach einer durchgemachten SARS-CoV-2-Infektion gebildet wurden. Diese, in der Fachzeitschrift „Cell Reports” veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass SARS-CoV-2 in Nerzen Mutationen erwerben kann, die die Bekämpfung des Virus durch das Immunsystem des Menschen erschweren.
Schon über drei Millionen Tote
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind durch die pandemische Ausbreitung des SARS-Coronavirus-2 und seiner Begleiterkrankung COVID-19 weltweit bereits mehr als drei Millionen Menschen gestorben.
Die Übertragung des Erregers von Tier zu Mensch gilt als Ursprung der Pandemie, die im Dezember 2019 in Wuhan, China, begann. Im April 2020 entwickelten Nerze in niederländischen Nerzfarmen Atemwegserkrankungen aufgrund der Infektion mit dem Virus, das nachweislich von infizierten Farmarbeitern auf die Tiere übertragen wurde.
SARS-CoV-2 mutierte in den Nerzen und verschiedene Virusvarianten entstanden, die wieder zurück auf die Farmarbeiter übertragen und dann auch von Mensch zu Mensch weitergegeben wurden. In Dänemark wurde diese Beobachtung ebenfalls gemacht und Millionen von Nerzen wurden getötet, um die Übertragung neuer Virusvarianten auf den Menschen zu verhindern.
Das Spike-Protein in der Hülle von SARS-CoV-2 ist verantwortlich für den Eintritt des Virus in die Zellen, in denen es sich vermehrt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Markus Hoffmann und Stefan Pöhlmann vom Deutschen Primatenzentrum haben verschiedene Mutationen untersucht, die im Spike-Protein von SARS-CoV-2 aus Nerzen nachgewiesen wurden, unter anderem die Mutation Y453F.
Immunkontrolle durch Antikörper erschwert
Die Forschenden wollten herausfinden, welche Auswirkungen diese Mutation auf die Hemmung des Virus durch Antikörper hat, die für die COVID-19-Therapie eingesetzt werden beziehungsweise die in COVID-19-Patientinnen und -Patienten gebildet werden.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass einer von zwei Antikörpern aus einem für die COVID-19-Therapie eingesetzten Antikörpercocktail die Virusvariante mit der Y453F-Mutation nicht mehr effizient hemmt“, erläutert Pöhlmann.
Außerdem demonstriert die Studie, dass die Y453F-Mutation die Hemmung des Virus durch Antikörper reduziert, die von COVID-19-Patientinnen und -Patienten gebildet wurden. „Das bedeutet, dass Menschen, die eine SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht haben, einen reduzierten Schutz gegen die Nerz-Varianten des Virus aufweisen könnten“, erklärt Hoffmann, Erstautor der Studie.
Laut den Fachleuten kann sich SARS-CoV-2 also in Nerzen so verändern, dass die Immunkontrolle durch Antikörper erschwert wird. Ob dies auch in anderen Tieren möglich ist, auf die das Virus durch infizierte Personen übertragen wird, ist gegenwärtig noch unklar.
„In der Zwischenzeit ist die Y453F-Mutation auch im Menschen aufgetreten, aber nicht durch eine Infektion mit einer der Nerz-Varianten. Wenn sich das Virus längere Zeit in Menschen vermehrt, die ein schwaches Immunsystem haben, können resistente Varianten entstehen. In diesem Fall war die Resistenz-vermittelnde Mutation identisch mit der, die in den Nerzen beobachtet wurde“, so Pöhlmann. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsches Primatenzentrums (DPZ) – Leibniz-Institut für Primatenforschung: SARS-CoV-2-Varianten aus Nerzen werden schlechter durch Antikörper gehemmt, (Abruf: 19.04.2021), Deutsches Primatenzentrums (DPZ) – Leibniz-Institut für Primatenforschung
- Hoffmann, M., Zhang, L., Krüger, N., Graichen, L., Kleine-Weber, H., Hofmann-Winkler, H., Kempf, A., Nessler, S., Riggert, J., Winkler, M.S., Schulz, S., Jäck, H.-M., Pöhlmann, S.: SARS-CoV-2 mutations acquired in mink reduce antibody-mediated neutralization; in: Cell Reports, (veröffentlicht: 02.04.2021), Cell Reports
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