Elektrische Felder inaktivieren Spike-Protein von SARS-CoV-2
Das Coronavirus SARS-CoV-2 verbreitet sich nach derzeitigem wissenschaftlichen Konsens in erster Linie über die Luft. Das Virus dort unschädlich zu machen, ist eine vielversprechende Möglichkeit, um die Ansteckungsgefahr in Innenräumen zu verringern. Ein deutsches Forschungsteam zeigt nun, dass sich das Spike-Protein auf dem Coronavirus, mit dessen Hilfe das Virus in Zellen eindringt, mittels elektrischer Felder deaktivieren lässt. Diese Technologie könnte beispielsweise in Luftfilteranlagen genutzt werden.
Forschende der Universität Kassel fanden heraus, dass elektrische Felder das spezifische Spike-Protein auf dem Coronavirus SARS-CoV-2 inaktivieren. Die Erkenntnisse könnten in der Praxis genutzt werden, um beispielsweise effektivere Luftfilteranlagen zu entwickeln. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Nature Communications“ vorgestellt.
Warum das Spike-Protein ein wichtiger Angriffspunkt ist
Das Spike-Protein auf der Außenhülle ist für das Coronavirus SARS-CoV-2 von entscheidender Bedeutung, denn ohne das Protein ist das Virus nicht in der Lage an menschliche Zellen anzudocken und in diese einzudringen. Das Spike-Protein bindet an den Rezeptor ACE2, der sich auf der Oberfläche vieler menschlicher Zellen befindet. Nachdem sich das Virus angedockt hat, kann es sein Erbgut in das Innere der Zelle übertragen, wo es dann vermehrt wird.
Aus diesem Grund ist das Spike-Protein ein wichtiger Angriffspunkt. Auch die derzeit verfügbaren Impfungen lassen Antikörper gegen diese Spike-Proteine ausbilden. Doch die Spike-Proteine könnten laut dem Forschungsteam bereits vor dem Eintritt in den Körper deaktiviert werden – mittels niedriger elektrischer Spannung.
Eine einfache Batterie genügt
Die Arbeitsgruppe um Professor Dr. Martin Garcia der Universität Kassel stellt einen neuen Ansatz für eine rein physikalische Methode vor, um das Coronavirus SARS-CoV-2 unschädlich zu machen. „Unsere Computersimulationen zeigen, dass das Spike-Protein sehr anfällig für elektrische Felder moderater Stärke ist, die mit Hilfe einer einfachen Batterie erzeugt werden können“, bestätigt Professor Dr. Garcia. Es reagiere auf elektrische Felder sogar über tausend Mal empfindlicher als andere Proteine.
Wieso sind elektrische Impulse effektiv?
Die Bindung zwischen dem Spike-Protein und dem ACE2-Rezeptor kann man sich laut den Forschenden wie einen Schlüssel vorstellen, der genau in ein Schloss passt. „Moderate bis schwache elektrische Impulse zwingen das Spike-Protein dazu, seine Struktur auf atomarer Ebene zu ändern, und das dauerhaft“, erklärt der Studienleiter. Daraufhin könne das Spike-Protein, genauer gesagt die Rezeptor-Bindungs-Domäne nicht mehr an den ACE2-Rezeptor der menschlichen Zelle andocken.
Verwundbarkeit war bei Varianten sogar größer
In den Computersimulationen funktionierte dies nicht nur für Wildtyp, also das ursprüngliche Coronavirus SARS-CoV-2, sondern auch für die ansteckenderen Varianten Alpha (B.1.1.7), Beta (B.1.351) und die Gamma-Variante (P.1.) „Überraschenderweise macht die Strukturänderung des Spike-Proteins durch die Mutation das Virus zwar ansteckender, aber gleichzeitig erhöht sich dadurch seine Verwundbarkeit durch elektrische Felder“, betont Garcia.
Eine schwache Feldstärke genügt
Nach Angaben der Arbeitsgruppe reiche bereits ein elektrisches Feld der Stärke 0.0001 Volt/Nanometer aus, um einen strukturellen Schaden an dem Spike-Protein auszulösen. Bei dieser Feldstärke bleiben die Proteine von gesunden Zellen unbeschadet.
Von der Theorie in die Praxis
Die Erkenntnisse können laut dem Forschungsteam in der Praxis Anwendung finden. Beispielsweise könnten Luftfilteranlagen ein elektrisches Feld erzeugen, dass die Coronaviren in der Luft bei der Filterung deaktiviert. Bereits bestehende Luftfilter könnten mit einfachen Mitteln durch ein elektrisches Feld ergänzt werden. „Die sogenannten HEPA-Filter müssten lediglich durch eine mikrostrukturierte, an Niederspannung angeschlossene Anordnung von Elektroden ersetzt werden, die die Corona-Viren inaktivieren“, schlagen die Forschenden vor.
Die gefilterte Luft enthalte dann nur noch unschädliche Coronaviren und könne in den Raum zurückgeführt werden. Gegenüber herkömmlichen HEPA-Filtern würden solche Anlagen länger halten und weniger Energie verbrauchen. Die Universität Kassel hat bereits ein Patent für die technologische Anwendung der theoretischen Methode angemeldet. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universität Kassel: Mit niedriger elektrischer Spannung gegen Corona-Viren (veröffentlicht: 14.09.2021), uni-kassel.de
- Arbeitman, C.R., Rojas, P., Ojeda-May, P. et al. The SARS-CoV-2 spike protein is vulnerable to moderate electric fields; in: Nature Communications, 2021, nature.com
Wichtiger Hinweis:
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