Die Angst vor dem Ungewissen
Hamsterkäufe, gewaltige Medienpräsenz, Angst und Schrecken – die Ausbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2 hält die Welt in Atem. Viele Menschen fragen sich, ob die ganzen Reaktionen auf die Epidemie gerechtfertigt sind, oder ob es sich nur um eine Art von Hype handelt. Eine aktuelle Studie untersuchte, warum Menschen so empfindsam auf neue Viren reagieren, zu denen nur begrenzte Informationen zur Verfügung stehen.
Forschende der Ohio State University gingen der Frage nach, warum sich Menschen durch neue Viruserkrankungen wie Covid-19 derart in Angst und Schrecken versetzen lassen, aber andere Risiken, die zum Teil sogar höher sind, ausblenden können. Ein zentraler Punkt scheint dabei der Drang nach Informationen zu sein, die bei neuen Viren aber nur eingeschränkt verfügbar sind. Die Ergebnisse wurden kürzlich in dem Fachjournal „Risk Analysis“ vorgestellt.
Diese Infektionskrankheiten sind äußerst gefährlich
Die Weltgesundheitsorganisation WHO informiert über die weltweite Verbreitung von Krankheiten. Einige der am weitesten verbreiteten Krankheiten sind äußerst gefährlich. Hier einige Beispiele:
- Tuberkulose: Laut WHO ist Tuberkulose die schwerste Infektionskrankheit unserer Zeit. Im Jahr 2018 erkrankten rund 10 Millionen Menschen daran und 1,5 Millionen Menschen starben infolge einer Tuberkulose-Infektion.
- Malaria: Die Malaria breitet sich immer weiter auf dem Globus aus. Im Jahr 2018 erkrankten rund 228 Million Menschen daran. 405.000 Betroffene fielen ihr zum Opfer.
- Masern: Weltweit erkrankten im Jahr 2018 rund 10 Millionen Betroffene an Masern. Circa 140.000 Personen, größtenteils Kinder unter fünf Jahren, verstarben aufgrund einer Masern-Infektion.
- Blutvergiftung: Neuste Untersuchungen zeigen, dass es im Jahr 2017 über 50 Millionen Fälle von Sepsis gab und dass elf Millionen Todesfällen mit Blutvergiftung in Verbindung stehen – das entspricht jedem fünften Todesfall weltweit (siehe: Unterschätztes Risiko Blutvergiftung).
Ist die Corona-Panik unverhältnismäßig?
Laut WHO gibt es derzeit 113.672 Covid-19-Infektionen und 4.012 Todesfälle (Stand: 10.03.2020). Vergleicht man dies mit den oben genannten Krankheiten, erscheint die Gefahr im Verhältnis als wesentlich geringer. Wie kommt es dennoch zu einer unverhältnismäßig erscheinenden Panik? Laut der aktuellen Forschungsarbeit könnte die Unwissenheit mit dem gekoppelten Drang nach neuen Informationen der Grund für ein erhöhtes Bedrohungsempfinden sein.
Was Zika- und Coronaviren gemeinsam haben
In der Studie untersuchten die Forschenden die empfundene Bedrohung, die von dem Zika-Virus ausgeht. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen jedoch davon aus, dass sich die Ergebnisse auch auf den Ausbruch des Coronavirus Sars-CoV-2 übertragen lassen. „Das Zika-Virus und das Coronavirus haben wichtige Gemeinsamkeiten“, erklärt Shelly Hovick aus dem Studienteam. Über beide Viren sei wenig bekannt und beide Viren haben eine große mediale Aufmerksamkeit.
Mehr Wissen scheint mehr zu beunruhigen
Das Forschungsteam untersuchte deshalb, wie Menschen nach Informationen suchen und diese verarbeiten, wenn viel Unsicherheit herrscht. Es zeigte sich bei den 494 Teilnehmenden, dass mehr zur Verfügung stehende Informationen zu mehr Beunruhigung führte. „Wir stellten fest, dass je mehr Menschen glaubten, etwas zu wissen, desto mehr erkannten sie, dass sie nicht genug wussten“, ergänzt Austin Hubner, der Hauptautor der Studie.
Unwissenheit macht Angst
„Beim Zika-Virus wussten selbst die Experten noch nicht viel“, betonen die Forschenden. Das Gleiche erleben wir gerade beim Coronavirus. „Und das ist beängstigend für Menschen, die glauben, dass sie in Gefahr sind“, unterstreicht Hubner. Für die Studie wurden Teilnehmende aus Florida rekrutiert, da dort die Anzahl an lokal übertragenen Zika-Fällen in den USA am höchsten war.
Neue Risiken lassen sich schlechter abschätzen
„Neue Risiken wie Zika oder das Coronavirus können einige Menschen dazu bringen, anders zu reagieren als bei bekannten Risiken wie Krebs oder Grippe“, führt Hovick fort. Das gelte auch, wenn die Daten darauf hindeuten, dass jemand ein geringes Risiko hat. Die Forschenden führen dies auf den Mangel an Informationen zurück, wodurch eher das Gefühl entstehe, ein hohes Risiko zu haben.
Mehr verbrachte Zeit durch fehlende Informationen
Darüber hinaus stellten die Forschenden fest, dass besorgte Menschen erheblich mehr Zeit in die zur Verfügung stehenden Informationen investieren, selbst wenn dies nicht dazu führt, dass sie besser informiert sind, da die gesuchten Informationen einfach noch nicht existieren.
Informationen nur aus verlässlichen Quellen beziehen
Laut dem Forschungsteam legen diese Ergebnisse nahe, dass es für die Gesundheitsbehörden wichtig ist, die Öffentlichkeit kontinuierlich zu informieren. Diejenigen, die über Risiken wie Zika oder Coronaviren besorgt oder beunruhigt sind, sollten Zugang zu verlässlichen Quellen haben, damit sie sich nicht mehr Zeit als nötig mit der Thematik auseinandersetzen müssen oder Opfer von Fehlinformationen werden, die die Angst unnötig schüren. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Ohio State University: Knowing more about a virus threat may not satisfy you (veröffentlicht: 10.03.2020), news.osu.edu
- Austin Y. Hubner, Shelly R. Hovick: Understanding Risk Information Seeking and Processing during an Infectious Disease Outbreak: The Case of Zika Virus; in: Risk Analysis, 2020, onlinelibrary.wiley.com
- WHO: Malaria (Abruf: 10.03.2020), who.int
- WHO: Tuberculosis (Abruf: 10.03.2020), who.int
- WHO: More than 140,000 die from measles as cases surge worldwide (Abruf: 10.03.2020), who.int
- Kristina E Rudd, Sarah Charlotte Johnson, Kareha M Agesa, et al.: Global, regional, and national sepsis incidence and mortality, 1990–2017: analysis for the Global Burden of Disease Study; in: The Lancet, 2020, thelancet.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.