Angst vor Corona: Blutdrucksenker nicht leichtfertig absetzen
Die Zahl der Coronavirus-Infizierten steigt weiter an. Es ist bekannt, dass vor allem bei älteren Personen und denjenigen mit bestimmten Vorerkrankungen das Risiko einer schweren Erkrankung besteht. Zudem gibt es Hinweise, dass die Einnahme mancher Medikamente wie Blutdrucksenkern zu problematischeren Verläufen führen könnte. Dennoch wird dringend davon abgeraten, solche Arzneimittel leichtfertig abzusetzen.
Viele Patientinnen und Patienten sind durch aktuelle Spekulationen verunsichert: Blutdrucksenker könnten anfälliger für Coronavirus-Infektionen machen beziehungsweise zu schwereren COVID-19-Erkrankungen führen. Daraus den Schluss zu ziehen, Medikamente abzusetzen, ist nach aktuellem Kenntnisstand unbegründet. Darauf weist die Deutsche Hochdruckliga in einer aktuellen Mitteilung hin.
Erhöhtes Risiko für COVID-19
Vor kurzem hat der französische Gesundheitsminister darauf hingewiesen, dass die Einnahme von entzündungshemmenden Medikamenten (Ibuprofen, Cortison, …) einen Faktor für die Verschlechterung der Coronavirus-Infektion darstellen könnte.
Er bezog sich in seiner Aussage auf einen Fachartikel, der vor wenigen Tagen in dem renommierten Wissenschaftsmagazin „The Lancet“ erschien und ein erhöhtes Risiko für COVID-19 bei Diabetes feststellt.
Auch Menschen mit Herzerkrankungen, Bluthochdruck oder Diabetes, die mit ACE2 erhöhenden Medikamenten behandelt werden, sind laut den Forschenden offenbar einem höheren Risiko schwerer COVID-19-Infektionen ausgesetzt.
Absetzen von Blutdrucksenkern führt zu hohen Gesundheitsrisiken
Die Deutsche Hochdruckliga (DHL) warnt jedoch davor, solche Medikamente einfach abzusetzen.
Zum einen gibt es Daten, denen zufolge Blutdrucksenker sogar vor einem Lungenversagen schützen könnten, zum anderen dürfe nicht unterschätzt werden, dass das Absetzen solcher Mittel zu hohen Gesundheitsrisiken führt.
Die DHL rät Patientinnen und Patienten zur Besonnenheit. „Die derzeitige Datenlage rechtfertigt kein Absetzen der Medikamente“, so Professor Florian Limbourg, Hannover, Vorstandsmitglied der Deutschen Hochdruckliga DHL®.
Blutdruckhormonbildung wird blockiert
In der Mitteilung wird erklärt, dass das SARS-CoV2 Virus zum Eintritt in die Zellen das Enzym ACE2 nutzt. Dieses wird von Zellen der Lunge produziert, wo es auf der Zell-Oberfläche präsentiert wird und als Eintrittspforte für den Erreger dienen kann.
ACE2 wird jedoch auch in löslicher Form produziert und schwimmt dann quasi als Köder im Blut, was die Virusinfektion von Zellen deutlich unterdrückt. Mehr ACE2 könnte demnach also positive oder negative Effekte im Rahmen einer Virusinfektion haben.
Wie kommen also die Blutdruckmedikamente ins Spiel? ACE2 baut Blutdruckhormone des Renin-Angiotensin-Systems ab, welche von dem verwandten Enzym ACE gebildet werden.
Gängige Blutdrucksenker, wie ACE-Hemmer und die sogenannten Sartane, blockieren die Blutdruckhormonbildung oder -effekte, was in Studien an Ratten und einer Studie am Menschen zu einer leichten Erhöhung des ACE2 geführt hat.
Schützender Effekt
Während die Bedeutung für die potentielle Infektanfälligkeit für SARS-CoV2 laut der DHL also völlig unklar ist, gibt es hingegen sehr überzeugende Daten für einen schützenden Effekt durch Blockade des Renin-Angiotensin-Systems bei schwerem Lungenversagen, dem sogenannten ARDS („acute respiratory distress syndrome“).
So zeigten mehrere Arbeiten, die im hochrenommierten Fachjournal „Nature“ publiziert wurden, sehr klar, dass sowohl eine Erhöhung von ACE2, aber auch die Blockade von ACE, wie sie beispielsweise durch Blutdrucksenker erreicht wird, den Verlauf des ARDS günstig beeinflussen.
Im Rahmen einer Lungenentzündung entwickelt die Hemmung des Renin-Angiotensin-Systems also vorteilhafte Effekte.
Medikamente könnten Leben retten
„Der mögliche schädliche Einfluss von Blutdrucksenkern auf Virus-Infektanfälligkeit ist äußerst spekulativ. Hingegen könnten Blutdrucksenker bei schweren Verläufen Leben retten“, erklärt der Experte. „Der jetzige Kenntnisstand rechtfertigt also keinesfalls, Blutdrucksenker abzusetzen.“
Vor allem warnt Limbourg vor dem Absetzen oder der Reduktion der Dosis ohne vorherige Abstimmung mit der Ärztin oder dem Arzt. Insbesondere bei kardiovaskulären Hochrisikopatientinnen und -patienten kann es in der Folge zu schweren Erkrankungen wie Herzinfarkten oder Schlaganfällen kommen.
„Damit würde man das Kind mit dem Bade ausschütten“.
Kritischer Umgang mit (Fehl-)Informationen
Die Deutschen Hochdruckliga DHL® rät Patientinnen und Patienten zur Besonnenheit und auch zu einem kritischen Umgang mit (Fehl-)Informationen in den Medien und den sozialen Medien.
Valide wissenschaftlich haltbare Informationen geben die Behörden (Robert Koch-Institut, Bundesgesundheitsministerium und Gesundheitsämter) sowie die medizinischen Fachgesellschaften.
Wer stark verunsichert ist, sollte mit seinem Arzt oder seiner Ärztin sprechen und sich beraten lassen. Aktuelle Informationen zu Corona für Menschen mit Bluthochdruck bietet auch die europäische Hypertoniegesellschaft („European Society of Hypertension“/ESH) auf ihrer Webseite. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Hochdruckliga: Nicht aus Angst vor Corona leichtfertig die Blutdruckmedikation absetzen!, (Abruf: 16.03.2020), Deutsche Hochdruckliga
- Lei Fang, George Karakiulakis, Michael Roth: Are patients with hypertension and diabetes mellitus at increased risk for COVID-19 infection?; in: The Lancet, (veröffentlicht: 11.03.2020), The Lancet
- European Society of Hypertension: ESH Statement on COVID-19 (Abruf: 16.03.2020), European Society of Hypertension
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.