Besserer Schutz vor COVID-19 bei Kindern?
Kinder zeigen bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 eine andere Antikörperreaktion als erwachsene Infizierte, was sie besser zu schützen scheint.
Kinder produzieren bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 andere Arten und Mengen von Antikörpern, als Erwachsene es tun, so das Ergebnis einer Untersuchung unter Beteiligung von Forschenden des Vagelos College of Physicians and Surgeons und der Columbia University. Die Studie wurde in dem englischsprachigen Fachblatt „Nature Immunology“ publiziert.
Unterschiedliche Antikörper von Kindern und Erwachsenen
„Unsere Studie bietet eine eingehende Untersuchung der SARS-CoV-2-Antikörper bei Kindern und zeigt einen starken Kontrast zu Erwachsenen”, berichtet Die Immunologin Dr. Donna Farber in einer Pressemitteilung.
Kinder besser geschützt?
Die festgestellten Unterschiede bei den Antikörpern deuten darauf hin, dass der Verlauf der Infektion und die Immunantwort bei Kindern unterschiedlich gegenüber Erwachsenen ist und die meisten Kinder das Virus leicht aus ihrem Körper entfernen können.
Bei Kindern ist der Infektionsverlauf viel kürzer. Sie können dieses Virus möglicherweise effizienter beseitigen als Erwachsene und sie brauchen vielleicht keine starke Antikörper-Immunantwort, um es loszuwerden, fügen die Forschenden hinzu.
Vorteile des Immunsystems von Kindern
Eine Auffälligkeit der COVID-19-Pandemie ist, dass die Mehrheit der Kinder gut mit dem Virus zurechtkommt, während ältere Menschen damit schwer zu kämpfen haben. Es handelt sich bei COVID-19 um eine neue Infektionskrankheit für alle Menschen, aber Kinder sind in einzigartiger Weise daran gewöhnt, Krankheitserreger zum ersten Mal zu erleben. Darauf ist ihr Immunsystem ausgelegt, erläutert das Team.
Worauf basiert die Schutzwirkung bei Kindern?
Kinder haben viele sogenannte naive T-Zellen, die in der Lage sind, alle möglichen neuen Krankheitserreger zu erkennen, während ältere Menschen mehr auf das immunologische Gedächtnis angewiesen sind. Dies führt dazu, dass erwachsene Personen schlechter auf neue Erreger reagieren.
An der Studie nahmen 47 Kinder teil, 16 davon wurden am Irving Medical Center der Columbia University wegen dem multisystemischen inflammatorischen Syndrom (MIS-C) behandelt, 31 Kinder ähnlichen Alters wurden bei der Behandlung verschiedener Erkrankungen positiv auf das Virus getestet. Die Hälfte der Kinder ohne MIS-C zeigte keine COVID-19-Symptome.
Außerdem wurden 32 Erwachsene für die Studie untersucht. Darunter schwer erkrankte Menschen, welche in ein Krankenhaus eingeliefert wurden, aber auch Personen, die eine mildere Form der Krankheit hatten und sich zu Hause erholten.
Unterschiede im Antikörperprofil
Die Studie ergab, dass beide Gruppen von Kindern das gleiche Antikörperprofil produzierten, welches sich von dem der Erwachsenen unterschied, erklären die Forschenden. Im Vergleich zu Erwachsenen produzierten Kinder weniger Antikörper gegen das Spike-Protein des Virus. Diese verwendet das Virus dazu, um menschliche Zellen zu infizieren. Die Antikörper der Kinder hatten die geringste neutralisierende Aktivität, während alle Erwachsenen, einschließlich junger erwachsener Personen im Alter von 20 Jahren, neutralisierende Antikörper produzierten. Die am schwersten erkrankten Erwachsenen zeigten die meiste neutralisierende Aktivität, berichten die Forschenden.
Obwohl es vielleicht kontraintuitiv erscheinen mag, dass die schwerkranken Personen Antikörper mit der größten neutralisierenden Aktivität produzieren, spiegele dies wahrscheinlich die Zeitspanne wieder, in der das Virus im Körper aktiv war, vermuten die Fachleute.
Zusammenhang zwischen Immunantwort und Infektionsausmaß
Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Immunantwort und dem Ausmaß der Infektion: Je schwerer die Infektion ist, desto robuster ist die Immunantwort, denn man braucht mehr Immunzellen und Immunreaktionen, um eine höhere Dosis eines Erregers zu beseitigen, erklärt das Team.
Weitere Unterschiede
Im Gegensatz zu Erwachsenen produzierten Kinder auch nur sehr wenige Antikörper gegen ein Virusprotein, welches für das Immunsystem erst sichtbar wird, nachdem das Virus bereits menschliche Zellen infiziert hat.
„Das deutet darauf hin, dass sich die Infektion bei Kindern nicht wirklich stark ausbreitet und nicht viele ihrer Zellen tötet”, erläutert Dr. Farber. Da Kinder das natürliche Virus schnell beseitigen, kann sich die Infektion nicht ausbeiten und sie brauchen keine starke Antikörperreaktion, erklärt das Team weiter.
Kinder kürzer infektiös?
Die Immunreaktion bei Kindern kann auch darauf hindeuten, dass sie im Vergleich zu Erwachsenen über einen kürzeren Zeitraum infektiös sind und daher das Virus weniger wahrscheinlich verbreiten, berichten die Forschenden. Allerdings wurde die Viruslast bei den Kindern nicht gemessen.
Doch „aktuelle Studien in anderen Ländern deuten darauf hin, dass jüngere Kinder im Schulalter keine Vektoren für das neue Coronavirus sind, daher stimmen unsere Daten mit diesen Ergebnissen überein”, so Dr. Farber.
Was fehlt dem Immunsystem Erwachsener?
Obwohl die Ergebnisse zeigen, dass der Infektionsverlauf bei Kindern und Erwachsenen unterschiedlich ist, bleibt unklar, wieso Kinder das Virus leichter beseitigen können und was dem erwachsenen Immunsystem fehlt, berichtet das Team. Es gebe zwar verschiedene Annahmen, aber für ein besseres Verständnis sei weitere Forschung nötig. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Stuart P. Weisberg, Thomas J. Connors, Yun Zhu, Matthew R. Baldwin, Wen-Hsuan Lin et al.: Distinct antibody responses to SARS-CoV-2 in children and adults across the COVID-19 clinical spectrum, in Nature Immunology (veröffentlicht 05.11.2020), Nature Immunology
- Columbia University: Children Produce Different Antibodies in Response to New Coronavirus (veröffentlicht 05.11.2020), Columbia University
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.