COVID-19: Kann Pflanzenstoff bei der Behandlung helfen?
Derzeit gibt es noch keine zugelassene spezifische Therapie, die die durch das Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelöste Erkrankung COVID-19 heilen könnte, aber die Forschungsarbeiten laufen weltweit auf Hochtouren. Dabei kommen auch Arzneimittel zum Einsatz, die bei anderen Krankheiten angewendet werden. So etwa Colchicin, ein Präparat, das gegen Gicht zum Einsatz kommt. Doch offenbar hilft der Wirkstoff nicht bei der Behandlung einer Corona-Erkrankung.
Colchicin ist ein ursprünglich pflanzliches (aus der Blüte der Herbstzeitlose gewonnenes) Medikament, welches bereits seit über 2.000 Jahren zur Behandlung der Gicht verwendet wird, erklärt die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh). Aufgrund seiner entzündungshemmenden Wirkung wird der Wirkstoff auch bei anderen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen eingesetzt. In bisher verfügbaren Studien zeigt er aber keine Vorteile bei der Behandlung von Krankenhaus-Patientinnen und -Patienten mit COVID-19. Zu diesem Schluss kommt ein vor kurzem veröffentlichter Cochrane Review.
Zellgift gegen Erkrankungen
Wie das Forschungsnetzwerk Cochrane in einer aktuellen Mitteilung schreibt, blüht die Herbstzeitlose (Colchicum autumnale) zur Zeit auf vielen Wiesen. Die an einen Krokus erinnernde Blume enthält das potente Zellgift Colchicin.
Aber die Dosis macht das Gift: In geringer Dosierung wird Colchicin bereits lange erfolgreich als Medikament eingesetzt, insbesondere zur Behandlung von Gicht. Auch als Behandlungsoption für COVID-19 wurde der Wirkstoff diskutiert, in der Hoffnung, dass seine entzündungshemmenden Eigenschaften die häufig überschießende Immunreaktion bei COVID-19-Erkrankten dämpfen könnten.
Ein eben veröffentlichter Cochrane Review findet dafür jedoch keine überzeugende Evidenz aus klinischen Studien.
Wahrscheinlich kein Nutzen
In der systematischen Literatursuche für ihre Übersichtsarbeit fanden die Autorinnen und Autoren Evidenz aus drei randomisierten kontrollierten Studien (RCTs). Colchicin hat demnach bei Menschen mit mittelschwerer bis schwerer Erkrankung wahrscheinlich keinen Nutzen.
Allerdings könnte Evidenz aus derzeit noch laufenden beziehungsweise unveröffentlichten Studien dieses Ergebnis noch verändern. Über die Sicherheit des Medikaments in der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit COVID-19 erlaubt die bisher verfügbare Evidenz keine definitiven Aussagen.
Für ambulant behandelte Erkrankte mit leichter COVID-19 oder bestätigter Infektion enthält der Review Daten aus einer RCT. Sie deuten laut den Fachleuten darauf hin, dass Colchicin wahrscheinlich zu einer leichten Verringerung des kombinierten Risikos einer Krankenhauseinweisung oder eines Todes innerhalb von 28 Tagen und von schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen führt. Wenn das Sterberisiko isoliert betrachtet wird, lassen sich aber keine Aussagen machen.
Versehentliche Überdosierungen
Die Studie liefert auch für den Einfluss der Therapie mit Colchicin auf die Häufigkeit von unerwünschten Nebenwirkungen keine ausreichende Evidenz. Aus anderen Einsatzbereichen ist jedoch bekannt, dass korrekt dosiertes Colchicin unter anderem deutliche Magen-Darm- und Muskelbeschwerden hervorrufen kann. Zudem können durch seine geringe therapeutische Breite versehentliche Überdosierungen schnell schwerwiegende Folgen haben. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Cochrane Deutschland: Colchicin zur Behandlung von COVID-19, (Abruf: 24.10.2021), Cochrane Deutschland
- Agata Mikolajewska, Anna-Lena Fischer, Vanessa Piechotta, Anika Mueller, Maria-Inti Metzendorf, Marie Becker, Elena Dorando, Rafael L Pacheco, Ana Luiza C Martimbianco, Rachel Riera, Nicole Skoetz, Miriam Stegemann: Colchicine for the treatment of COVID‐19; in: Cochrane Library, (veröffentlicht: 18.10.2021), Cochrane Library
- Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie: Behandlung mit Colchicin, (Abruf: 24.10.2021), Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.