COVID-19: Sportintensität beeinflusst das Infektionsrisiko
Schon zu Beginn der COVID-19-Pandemie hat sich gezeigt, dass das Coronavirus SARS-CoV-2 nicht nur über Tröpfchen im direkten Kontakt, sondern auch über Aerosole, also in der Luft schwebende Partikel, übertragen werden kann. In einer neuen Studie wurde jetzt untersucht, ab welcher Belastung der Aerosolausstoß exponentiell ansteigt und wie die Sportintensität das Infektionsrisiko beeinflusst.
Ein Münchener Forschungsteam zeigt nun, dass die Aerosolemission bei hoher körperlicher Belastung exponentiell zunimmt – und damit beim Sport in Innenräumen auch das Ansteckungsrisiko für Infektionskrankheiten wie COVID-19 steigt. Die Studienergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Science“ (PNAS) veröffentlicht.
Beim Sport erhöht sich das Atemvolumen
Schon vor der Studie war bekannt, dass sich das Atemvolumen untrainierter Menschen von etwa fünf bis fünfzehn Litern pro Minute in der Ruhe auf über 100 Liter pro Minute beim Sport erhöht, heißt es in einer aktuellen Mitteilung der Technischen Universität München (TUM).
Sehr gut trainierte Sportlerinnen und Sportler erreichen sogar mehr als 200 Liter pro Minute. Bekannt war auch, dass sich oft Menschen bei körperlicher Belastung in geschlossenen Räumen mit SARS-CoV-2-Viren angesteckt haben.
Allerdings war bisher unklar, wie sich die Intensität körperlicher Belastung auf die Konzentration von Aerosolpartikeln in der Atemluft sowie auf den konkreten Ausstoß von Aerosolpartikeln durch eine Person pro Minute und damit auch auf das potentielle Ansteckungsrisiko für Infektionskrankheiten wie COVID-19 auswirkt.
Diese Informationen werden aber dringend benötigt, um beispielsweise für den Schulsport, Fitnessstudios wie auch Diskotheken gezielte Schutzmaßnahmen bei schwerwiegenden Infektionswellen abzuleiten und möglicherweise Schließungen vermeiden zu können.
Neue Untersuchungsmethode entwickelt
Ein Team um Henning Wackerhage, Professor für Sportbiologie an der TUM, und Prof. Christian J. Kähler, Leiter des Instituts für Strömungsmechanik und Aerodynamik der Universität der Bundeswehr München haben für diese Fragen eine neue Untersuchungsmethode entwickelt.
In ihrem Versuchsaufbau wurden zunächst schon vorhandene Aerosole aus der Umgebungsluft herausgefiltert. So gereinigt, wurde diese Luft über eine spezielle Mund-Nasen-Maske von den Probandinnen und Probanden während des folgenden Belastungstests auf dem Ergometer eingeatmet.
Hierbei wurde die Intensität der Belastung stufenweise gesteigert, von der Ruhe bis zur körperlichen Erschöpfung. Die Maske war an ein sogenanntes Zwei-Wege-Ventil angeschlossen, wodurch lediglich die tatsächlich ausgeatmete Luft ausströmen kann.
Anschließend wurden die pro Minute emittierten Aerosolpartikel gemessen und konnten unmittelbar mit der aktuellen Leistung der gesunden Teilnehmenden im Alter von 18 bis 40 Jahren abgeglichen werden.
Wie viele Aerosolpartikel ausgestoßen werden
So gelang es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, erstmals zu untersuchen, wie viele Aerosolpartikel pro Minute von einer Person bei unterschiedlichen Belastungsintensitäten ausgestoßen werden.
Es zeigte sich, dass die Aerosolemission bei Trainierenden im Durchschnitt bis zu einer Belastung von etwa zwei Watt pro Kilogramm Körpergewicht zunächst nur moderat, darüber jedoch exponentiell ansteigt.
Wer also beispielsweise 75 Kilogramm wiegt, erreicht diese Grenze im Schnitt bei rund 150 Watt auf dem Ergometer. Das entspricht einer mittelschweren Anstrengung für einen Freizeitsportler oder eine Freizeitsportlerin, etwa vergleichbar mit der Belastungsintensität bei moderatem Joggen.
Der Aerosolausstoß von gut trainierten Sporttreibenden war im Vergleich zu Untrainierten bei maximaler Anstrengung aufgrund ihres wesentlich größeren Atemvolumens pro Minute signifikant höher.
Einen signifikanten Unterschied in der Partikelemission zwischen den Geschlechtern konnten die Forscherinnen und Forscher nicht feststellen.
Bei moderater Belastung weniger Schutz erforderlich
Obwohl die Aerosol-Versuche nur indirekt auf die Intensität der Virenemission schließen lassen, liefert die neue Studie wichtige Anhaltspunkte für den Indoor-Sport, wenn bei einer Infektionswelle bei schlechter Immunisierung der Bevölkerung die Überlastung des Gesundheitssystems droht.
„Anhand unserer Versuchsergebnisse unterscheiden wir moderates Ausdauertraining mit einer Intensität von bis zu zwei Watt pro Kilogramm und Training mit hoher bis maximaler Intensität. Aufgrund der stark ansteigenden Aerosolemission bei hochintensiven Belastungen über diesem ersten Richtwert sind bei hoher Gefahr von Infektionen mit schweren Konsequenzen besondere Schutzmaßnahmen wichtig“, erläutert Studienleiter Wackerhage.
„Im Idealfall wird ein derartiges Training nach draußen verlegt. Wenn dies nicht möglich ist, dann sollte zum Beispiel durch Tests sichergestellt werden, dass keine infizierten Personen im Raum sind, die Trainierenden sollten besonders Abstand halten und es sollte eine Klimaanlage mit hohem Luftumsatz arbeiten. Zudem reduzieren eine geringere Intensität und eine kürzere Trainingsdauer das Infektionsrisiko und fitte, jüngere Sportler können eventuell auch mit Mund-Nasenschutz trainieren.“
Bei moderaten Belastungen, wie leichtem bis mittelintensivem Ausdauertraining sei Wackerhage zufolge hingegen weniger Schutz erforderlich und das Infektionsrisiko könne durch Abstand und Klimaanlagen kontrolliert werden. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Technische Universität München: Wie die Sportintensität das Infektionsrisiko beeinflusst, (Abruf: 01.06.2022), Technische Universität München
- B. Mutsch, M. Heiber, F. Grätz, R. Hain, M. Schönfelder, S. Kaps, D. Schranner, C. J. Kähler & H. Wackerhage: Aerosol particle emission increases exponentially above moderate exercise intensity resulting in superemission during maximal exercise; in: Proceedings of the National Academy of Science, (veröffentlicht: 23.05.2022), Proceedings of the National Academy of Science
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.