Sulforaphan zum Kampf gegen SARS-CoV-2
Brokkoli und andere Kreuzblütler enthalten eine Verbindung (Sulforaphan), die eine antivirale Wirkung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 entfaltet. Dies könnte auch zur Vorbeugung und Behandlung von Coronavirus-Infektionen genutzt werden.
Ein Forschungsteam der Johns Hopkins University School of Medicine hat nachgewiesen, dass Sulforaphan bei einer Coronavirus-Infektion die Viruslast in der Lunge und die Lungenschäden deutlich verringern kann. Die Studienergebnisse wurden in dem englischsprachigen Fachblatt „Nature Communications Biology“ veröffentlicht.
Was ist Sulforaphan?
Bei Sulforaphan handelt es sich um ein starkes Antioxidans. Sulforaphan ist eine sogenannte Phytochemikalie, welche aus Pflanzen gewonnen wird, und der zum Beispiel auch eine krebshemmende Wirkung zugeschrieben wird, erläutert das Team.
Die natürliche Vorstufe von Sulforaphan ist besonders in Brokkoli, Kohl, Grünkohl und Rosenkohl in großen Mengen enthalten, berichten die Fachleute weiter. Sulforaphan werde aus Brokkolisamen, -sprossen und reifen Pflanzen sowie aus Aufgüssen von Sprossen oder Samen gewonnen.
Sulforaphan als medizinischer Wirkstoff
Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass Sulforaphan krebs- und infektionsvorbeugende Eigenschaften entfaltet, indem es in bestimmte zelluläre Prozesse eingreift, so das Forschungsteam.
„Als die COVID-19-Pandemie ausbrach, verlegten unsere multidisziplinären Forschungsteams ihre Untersuchungen an anderen Viren und Bakterien, um sich auf eine potenzielle Behandlung für ein Virus zu konzentrieren, welches damals eine neue Herausforderung für uns darstellte“, berichtet Studienautorin Dr. Lori Jones-Brando von der Johns Hopkins University School of Medicine.
„Ich untersuchte mehrere Verbindungen auf ihre Aktivität gegen Coronaviren und entschied mich für Sulforaphan, da es eine bescheidene Aktivität gegen andere mikrobielle Erreger gezeigt hat, die wir untersuchen“, ergänzt die Medizinerin in einer Pressemitteilung.
In der aktuellen Studie wurde gereinigtes, synthetisches Sulforaphan verwendet, dem Zellen in einem der Experimente zunächst ein bis zwei Stunden ausgesetzt wurden. Nach diesem Zeitraum infizierte das Team die Zellen mit SARS-CoV-2 und dem Erkältungscoronavirus HcoV-OC43
Es zeigte sich, dass niedrige mikromolare (µM) Konzentrationen von Sulforaphan (2,4-31 µM) die Replikation von sechs Stämmen von SARS-CoV-2, einschließlich der Delta- und Omikron-Varianten, sowie des Coronavirus HCoV-OC43 um 50 Prozent reduzierten, berichten die Forschenden.
Schutz auch bei bestehender Virusinfektion
Das Team konnte ähnliche Ergebnisse erzielen, wenn zuvor mit den Viren infizierte Zellen behandelt wurden. Die schützende Wirkung von Sulforaphan war sogar bei einer bereits bestehenden Virusinfektion zu beobachten, so die Fachleute.
Kombination von Sulforaphan mit Remdesivir
Zusätzlich wurde auch die Wirkung von Sulforaphan in Kombination mit Remdesivir untersucht. Dieses Medikament wird zur Verkürzung der Genesungszeit bei hospitalisierten Erwachsenen mit COVID-19 eingesetzt.
Die Ergebnisse zeigen laut den Forschenden, dass Remdesivir die Replikation von HCoV-OC43 und SARS-CoV-2 bei 22 µM bzw. 4 µM zu 50 Prozent hemmt. Außerdem konnte beobachtet werden, dass Sulforaphan und Remdesivir in verschiedenen Kombinationsverhältnissen synergistisch zusammenwirkten.
Synergismus bedeutet in diesem Zusammenhang, dass bereits bei einer Kombination niedrigerer Dosen von Sulforaphan und Remdesivir die Viruslast bei HCoV-OC43 oder SARS-CoV-2 um 50 Prozent reduziert werden konnte.
Bei Virusinfektionen scheint die Kombination mehrerer Wirkstoffe in einem Behandlungsschema eine ideale Strategie zur Behandlung, so Studienautor Dr. Alvaro Ordonez von der Johns Hopkins University School of Medicine.
Schutzwirkung an Mäusen überprüft
In ihrer Untersuchung an einem Mausmodell der SARS-CoV-2-Infektion fanden die Forschenden heraus, dass die Verabreichung von 30 Milligramm Sulforaphan pro Kilogramm Körpergewicht vor einer Infizierung mit dem Virus verschiedene positive Auswirkungen mit sich bringt.
Eine solche Behandlung mit Sulforaphan half den Verlust an Körpergewicht, welcher typischerweise mit einer Virusinfektion einhergeht, um 7,5 Prozent zu reduzieren.
Außerdem zeigte sich, dass eine Vorbehandlung zu einem statistisch signifikanten Rückgang der Viruslast und der Virusmenge in der Lunge (17 Prozent Rückgang) und den oberen Atemwegen (neun Prozent Rückgang) führt.
Auch das Ausmaß der Schädigung der Lunge ging bei behandelten Tieren um 29 Prozent zurück, verglichen mit Mäusen, die kein Sulforaphan erhielten, berichtet das Team.
Sulforaphan reduziert Entzündung der Lunge
Der Wirkstoff war zusätzlich in der Lage, die Entzündung in der Lunge zu verringern und die Zellen vor einer hyperaktiven Immunreaktion zu schützen. Letztere ist einer der wesentlichen Faktoren bei vielen tödlichen COVID-19-Verläufen.
Sulforaphan wirkt antiviral gegen Coronaviren
„Wir haben herausgefunden, dass Sulforaphan antiviral gegen die Coronaviren HCoV-OC43 und SARS-CoV-2 wirkt und gleichzeitig hilft, die Immunantwort zu kontrollieren“, betont Dr. Ordonez.
Der Experte fügt hinzu, dass diese multifunktionale Aktivität Sulforaphan zu einem interessanten Wirkstoff mache, welcher gegen diese Virusinfektionen sowie gegen solche, die durch andere humane Coronaviren verursacht werden, eingesetzt werden kann.
„Trotz der Einführung von Impfstoffen und anderen Medikamenten, die Nebenwirkungen haben können, sind wirksame antivirale Mittel zur Vorbeugung und Behandlung von COVID-19 nach wie vor notwendig, insbesondere wenn man die möglichen Auswirkungen neuer Coronavirus-Varianten berücksichtigt, die in der Bevölkerung auftreten“, fügt Dr. Jones-Brando hinzu.
Die neuen Ergebnisse deuten zwar darauf hin, dass Sulforaphan die Replikation von SARS-CoV-2 und anderen menschlichen Coronaviren in Zellen und Mäusen hemmen. Doch warnt das Team Menschen davor, übereilt Sulforaphan-Ergänzungen zu erwerben. Es seien zunächst weitere klinische Studien erforderlich, um die Wirkung zu überprüfen. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- C. Korin Bullen, Andres F. Villabona-Rueda, Elizabeth A. Thompson, Mitchell L. Turner, Vanessa F. Merino, et al.: Sulforaphane exhibits antiviral activity against pandemic SARS-CoV-2 and seasonal HCoV-OC43 coronaviruses in vitro and in mice; in: Nature Communications Biology (veröffentlicht 18.03.2022), Nature Communications Biology
- Johns Hopkins Medicine: Chemical Found in Leafy Greens Shown to Slow Growth of COVID-19 and Common Cold Viruses (veröffentlicht 23.03.2022), Johns Hopkins Medicine
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.