COVID-19 scheint Risiko für Herzinfarkt zu erhöhen
Die durch das Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelöste Erkrankung COVID-19 ist eine komplexe Krankheit, die viele Organe betreffen kann. Laut einer neuen Studie könnte sie auch ein möglicher Risikofaktor für Herzinfarkt und Schlaganfall sein.
Forschende aus Deutschland berichteten vor kurzem, dass das Coronavirus auch das Herz- und Gefäßsystem angreifen kann. Eine neue, in der Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlichte Studie liefert nun Hinweise darauf, dass COVID-19 auch kardiovaskuläre Ereignisse begünstigen könnte.
Risikofaktor für kardiovaskuläre Komplikationen
Wie auf dem Portal „Kardiologie.org“, einem gemeinsamen Angebot von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK), dem Bundesverband Niedergelassener Kardiologen (BNK) e.V. und der Springer Medizin Verlag GmbH, erklärt wird, ist bekannt, dass Infektionen vorübergehend das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko erhöhen können.
Frühere Studien deuten darauf hin, dass auch die durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachte Krankheit COVID-19 ein Risikofaktor für kardiovaskuläre Komplikationen sein könnte.
Eine große schwedische Analyse fand nun weitere belastbare Hinweise für solch einen Zusammenhang.
Alle schwedischen COVID-19-Fälle einbezogen
Ein Forschungsteam um Dr. Ioannis Katsoularis von der Umea Universität in Västerbotten wählte dafür zwei methodische Ansätze: eine selbstkontrollierte Fallserie (SCCS) sowie eine Kohortenstudie mit Kontrollpersonen.
In die wissenschaftliche Arbeit wurden alle schwedischen COVID-19-Fälle während der ersten sieben Monate der Pandemie einbezogen, rund 87.000 Patientinnen und Patienten, zudem mehr als 348.000 Kontrollen.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ermittelten, welche Personen aufgrund von Herzinfarkten oder Schlaganfällen hospitalisiert werden mussten, um die Inzidenz dieser Ereignisse bei COVID-19-Erkrankten zu berechnen.
Für die SCCS-Analyse betrachteten die Medizinerinnen und Mediziner jeweils den Monat vor und nach der SARS-CoV-2-Infektion einer Patientin oder eines Patienten, wobei die Ansteckung als Tag 0 und der folgende Monat als Risikoperiode definiert wurde. Der Zeitraum vor und nach diesen zwei Monaten diente als Kontrollperiode.
Weil Katsoularis und Kolleginnen und Kollegen an Tag 0 eine hohe Ereignisrate beobachteten, die zu Verzerrungen führen könnte, führten sie zwei Analysen durch, sodass Tag 0 einmal einbezogen wurde und einmal nicht.
Deutlich erhöhtes Risiko
Den Angaben zufolge war in der SCCS-Analyse ohne Tag 0 mit einer Risikoperiode von Tag 1 bis 28 die Inzidenz für einen Herzinfarkt in der ersten Woche nach einer COVID-19-Infektion fast um das Dreifache, in der zweiten Woche um das Zweieinhalbfache und in der dritten und vierten Woche um das 1,6-Fache erhöht.
Wurde Tag 0 eingeschlossen, sodass die Risikoperiode schon drei Tage vor der Infektion begann, war die Inzidenz für Herzinfarkte in der ersten Woche sogar um mehr als das Achtfache, in der zweiten aber ebenfalls um das Zweieinhalbfache und in der dritten und vierten Woche um das 1,6-Fache gesteigert.
Und die entsprechende Inzidenz für ischämischen Schlaganfall war unter Ausschluss von Tag 0 in der ersten Woche nach der COVID-19-Infektion um das Dreifache, in der zweiten um fast das Dreifache und in der dritten sowie vierten Woche um gut das Doppelte erhöht.
Die Schlaganfallinzidenz mit Tag 0 war in der ersten Woche um über das Sechsfache, in der zweiten um knapp das Dreifache und in der dritten und vierten Woche um mehr als das Doppelte gesteigert, verglichen mit der Kontrollperiode.
Notwendigkeit der Coronaimpfung
Wie es auf „Kardiologie.org“ weiter heißt, hatten in der vergleichenden Analyse mit Kontrollpersonen ohne Tag 0 die an COVID-19 erkrankten Patientinnen und Patienten in den zwei Wochen nach der Infektion ein um das 3,4-Fache erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt, während es für einen Schlaganfall um das 3,6-Fache erhöht war.
Und in derselben Analyse mit Tag 0 war ihr Risiko für einen Herzinfarkt im Vergleich zur Kontrollgruppe sogar um das 6,6-Fache und das Schlaganfallrisiko um das 6,7-Fache gesteigert.
„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass COVID-19 ein unabhängiger Risikofaktor für Myokardinfarkt und ischämischen Schlaganfall ist. Das weist darauf hin, dass diese Ereignisse Teil des Krankheitsbildes von COVID-19 sind, und unterstreicht die Notwendigkeit einer Coronaimpfung“, so die Forschenden.
Weil weniger als 2,5 Prozent der COVID-19-Erkrankten innerhalb von zwei Tagen nach der Infektion Symptome entwickeln, sei es sehr wahrscheinlich, dass die Teilnehmenden am Tag 0 tatsächlich vor ihrem Herzinfarkt oder Schlaganfall mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert gewesen seien und dass die systemische Reaktion auf die Infektion das Ereignis ausgelöst habe, glauben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
Jedenfalls sei das Risiko für beide Ereignisse während der COVID-19-Infektion im Vergleich zur Kontrollperiode konsistent und signifikant erhöht gewesen, unabhängig davon, ob Tag 0 eingeschlossen worden sei.
Ursache für den Zusammenhang noch unklar
Das Risiko für Myokardinfarkte und ischämische Schlaganfälle war auch im Monat vor der Ansteckung mit COVID-19 erhöht.
Laut den Forscherinnen und Forschern sei dies wahrscheinlich auf eine umgekehrte Kausalität zurückzuführen, so könnte ein kardiovaskuläres Ereignis zu eine Klinikaufnahme und dadurch zu einer nosokomialen SARS-CoV-2-Infektion geführt haben.
„Dieses Ergebnis unterstreicht die Notwendigkeit, Patienten vor nosokomialem COVID-19 zu schützen“, heben die Fachleute hervor.
Warum Infektionen mit dem Coronavirus das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen erhöhen können, sei noch unklar, so die Forschenden.
Denkbar seien pathophysiologische Mechanismen wie zum Beispiel virale Pneumonien oder die Herunterregulierung von ACE2. Vorhofflimmern als bekannter Schlaganfallrisikofaktor sei ebenfalls bei Patientinnen und Patienten mit schwerem COVID-19 häufig. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Kardiologie.org: COVID-19 scheint Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall zu steigern, (Abruf: 01.08.2021), Kardiologie.org
- Katsoularis I et al.: Risk of acute myocardial infarction and ischaemic stroke following COVID-19 in Sweden: a self-controlled case series and matched cohort study; in: The Lancet, (veröffentlicht: 29.07.2021), The Lancet
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.