Coronavirus kann auch im Verdauungstrakt Beschwerden verursachen
Durchfall wird als mögliches Symptom einer Infektion mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 bisher offenbar unterschätzt. Eine aktuelle Studie zeigt, das durchschnittlich mehr als zehn Prozent der Betroffenen an Durchfall leiden. Auch werden die Erreger über den Stuhl möglicherweise noch länger ausgeschieden, als beispielsweise beim Niesen oder Husten.
„Es wird über eine steigende Zahl von Durchfallerkrankungen im Zusammenhang mit COVID-19 berichtet“ und „wir haben daher die Epidemiologie, die klinische Präsentation und die molekularen Mechanismen (…) von SARS-CoV-2-assoziierter Diarrhö untersucht“, erläutert das Forschungsteam um Professor Laurent Peyrin-Biroulet von der Université de Lorraine. Die Wissenschaftler stellten fest, dass ein erheblicher Anteil der Erkrankten unter Durchfall leidet und liefern zudem eine Erklärung für die Aktivität des Virus im Verdauungstrakt. Ihre Ergebnisse haben sie in dem Fachmagazin „Clinical Gastroenterology and Hepatology“ veröffentlicht.
Durchfall und Darmentzündungen bei COVID-19
Anhand einer Auswertung der bis März 2020 in wissenschaftlichen Datenbanken wie PubMed, EMBASE und Web of Science verfügbaren Studien, die Durchfall und den Mechanismus von Darmentzündungen bei Patienten mit bestätigter Diagnose einer SARS-CoV-2-Infektion dokumentieren, versuchten die Forschenden zu ermitteln, wie häufig entsprechende Beschwerden im Verdauungstrakt tatsächlich sind und welche Ursachen hierfür in Betracht kommen.
Durchfall bei jeder zehnten Infektion
In den klinische Studien zeigte sich laut Aussage der Forscher eine Inzidenzrate von Diarrhö bei COVID-19-Fällen, die zwischen zwei und 50 Prozent lag. Eine Zusammenführung der verschiedenen Studien habe eine Inzidenzrate von 10,4 Prozent ergeben. Rund jede zehnte COVID-19-Erkrankung wird demnach auch von Beschwerden im Verdauungstrakt begleitet. Der Durchfall könne dabei den respiratorischen Symptomen (Atemwegsbeschwerden) vorausgehen, aber diesen auch folgen.
Wieso kann das Virus auch im Darm Schaden anrichten?
Wieso das neue Coronavirus SARS-CoV-2 im Verdauungstrakt zu Beschwerden führen kann, lässt sich laut Aussage der Wissenschaftler anhand des Rezeptors ACE2 (Angiotensin-konvertierendes Enzym 2) erklären, den die Viren zum Andocken an die menschlichen Zellen nutzen. ACE2 werde „nicht nur in der Lunge, sondern auch in den Dünndarmepithelien sowie in der oberen Speiseröhre, der Leber und im Dickdarm exprimiert.“ Des Weiteren sei die Bindungsaffinität von SARS-CoV-2 gegenüber ACE2 besonders hoch.
Infektionsrisiko auf fäkal-oralem Weg?
Nicht zuletzt warnen die Forschenden vor einem möglichen Infektionsrisiko auf fäkal-oralem Weg, da einige Studien Hinweise darauf geliefert hätten, dass das Coronavirus im Stuhl über einen längeren Zeitraum nachweisbar ist als in Nasen-Rachen-Abstrichen. In jedem Fall sollte bei Durchfall aktuell auch die Möglichkeit eine Coronavirus-Infektion in Betracht gezogen werden, insbesondere wenn begleitend Symptome wie Husten, Fieber, Kurzatmigkeit, Müdigkeit oder auch ein Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns hinzukommen. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Ferdinando D’Amico, Daniel C. Baumgart, Silvio Danese, Laurent Peyrin-Biroulet: Diarrhea during COVID-19 infection: pathogenesis, epidemiology, prevention and management; in: Clinical Gastroenterology and Hepatology (veröffentlicht 08.04.2020), cghjournal.org
Wichtiger Hinweis:
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