SARS-CoV-2: Harmlose, Erkältung-auslösende Coronaviren verleihen Schutz
Die COVID-19-Pandemie hat vor allem große Teile Europas und nun auch wieder Südafrikas weiterhin fest im Griff. Die Zahl der Menschen, die sich mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 anstecken, steigt und steigt und immer mehr Infizierte erkranken schwer und müssen im Krankenhaus – teils intensivmedizinisch – behandelt werden. Forschende berichten jetzt, dass harmlose, Erkältung-auslösende Coronaviren vor der Erkrankung schützen können.
Infektionen mit SARS-CoV-2 oder Impfungen dagegen führen zu starken Antikörperreaktionen gegen das neue Coronavirus. Immunreaktionen gegen andere menschliche Coronaviren, die meist nur zu harmlosen Erkältungen führen, verleihen auch einen gewissen Schutz vor SARS-CoV-2. Wie Forschende der Universität Zürich (UZH) zeigen, sind solche Kreuzreaktionen ein wichtiges Puzzleteil für eine umfassende Coronaviren-Immunität.
Immunschutz der Bevölkerung ist entscheidend
Entscheidend für die Bewältigung der COVID-19-Pandemie ist der Immunschutz der Bevölkerung gegen SARS-CoV-2, der entweder via Impfung oder durch eine Ansteckung mit dem Virus aufgebaut wird, heißt es in einer aktuellen Mitteilung der UZH.
Ein Forschungsteam unter der Leitung der UZH hat nun eine weitere Komponente identifiziert, die zur SARS-CoV-2-Immunität beiträgt: bestehende Antikörperreaktionen gegen andere, harmlose Coronaviren.
„Personen, die ausgeprägte Immunantworten gegen menschliche Coronaviren haben, sind bis zu einem gewissen Grad auch vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 geschützt“, erklärt Alexandra Trkola, Leiterin des Instituts für Medizinische Virologie der UZH.
Die Studienergebnisse wurden vor kurzem in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.
Gegenwärtig zirkulierende menschliche Coronaviren
Im Rahmen die Studie analysierten die Forscherinnen und Forscher mit einem eigens entwickelten Testverfahren einerseits die Menge an unterschiedlichen Antikörpern gegen die vier anderen gegenwärtig zirkulierenden menschlichen Coronaviren im Blutserum von 825 Spenderinnen und Spendern aus der Zeit vor dem Auftreten von SARS-CoV-2.
Andererseits untersuchten sie 389 Proben von Spendenden, die sich mit dem neuen Coronavirus infiziert hatten. Diese Analyse ermöglicht, kombiniert mit computergestützten Modellierungen, präzise Vorhersagen, wie gut die Antikörper an eindringende Viren binden und sie neutralisieren.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten zeigen, dass Personen, die sich mit SARS-CoV-2 infiziert hatten, geringere Mengen an Antikörpern gegen die Erkältungs-Coronaviren hatten. Zudem mussten SARS-CoV-2-Infizierte mit hohen Antikörperwerten gegen die harmlosen Coronaviren weniger oft hospitalisiert werden.
„Laut unseren Ergebnissen führt eine stärkere Antikörperreaktion gegen humane Coronaviren auch zu höheren Antikörpermengen gegen SARS-CoV-2. Eine Person, die gegen harmlose Coronaviren eine Immunität hat, ist somit auch besser vor schweren Verläufen bei einer SARS-CoV-2-Infektionen geschützt“, so Trkola. Dies wird als Kreuzreaktion bezeichnet. Diese tritt auch bei der Immunreaktion von T-Zellen auf, dem zweiten Pfeiler unseres Immunsystems.
Verkürzte und abgemilderte Krankheitsverläufe
Einen kompletten Schutz gegen SARS-CoV-2 besitzen Menschen lediglich zu Beginn nach einer durchgemachten Infektion oder nach einer wirksamen Impfung. Denn dann sind die Antikörpermengen gegen den Erreger noch sehr hoch.
Wenn mit der Zeit ihre Konzentration sinkt, wird eine Infektion zwar nicht mehr verhindert, aber die Gedächtniszellen reaktivieren das Abwehrsystem – sowohl die Antikörperproduktion wie auch die T-Zellabwehr – schnell wieder.
„Spezifisch gegen SARS-CoV-2 gerichtete Immunreaktionen, die von Gedächtniszellen ausgehen, sind natürlich weit wirksamer als kreuzreaktive. Aber obwohl der Schutz nicht komplett ist, verkürzen Kreuzreaktionen den Krankheitsverlauf und mildern dessen Schwere. Und genau das erreichen wir ja auch mit den Impfungen, nur viel, viel effizienter“, hebt Trkola hervor.
Umfassender Schutz gegen Coronaviren
Offen ist derzeit noch, ob die Kreuzreaktivität auch umgekehrt funktioniert. Ob also eine Immunität gegen SARS-CoV-2 – zum Beispiel durch eine Impfung – auch vor anderen menschlichen Coronaviren schützt.
„Sollte eine SARS-CoV-2-Immunität auch einen gewissen Infektionsschutz vor anderen Coronaviren bieten, würden wir einem umfassenden Schutz gegen Coronaviren, also auch neu auftretenden Varianten, einen grossen Schritt näherkommen“, sagt die Virologin.
Laut den Fachleuten spricht für diese Annahme zudem, dass eine kreuzreaktive Schutzwirkung eben nicht nur auf Antikörpern basiert, sondern sehr wahrscheinlich auch auf T-Zellen. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universität Zürich: Antikörper gegen harmlose Coronaviren unterstützen auch SARS-CoV-2-Immunität (Abruf: 27.11.2021), Universität Zürich
- Irene A. Abela, Chloé Pasin, Magdalena Schwarzmüller, et. al.: Multifactorial seroprofiling dissects the contribution of pre-existing human coronaviruses responses to SARS-CoV-2 immunity; in: Nature Communications, (veröffentlicht: 18.11.2021), Nature Communications
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.