Wirkstoff Budesonid: Asthma-Medikamente gegen Corona?
Vor kurzem wurde über eine Studie berichtet, derzufolge ein Asthma-Spray gegen schwere COVID-19-Krankheitsverläufe helfen soll. Zahlreiche Fachleute beurteilen die Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeit als vielversprechend. Doch nun wird vor zu hohen Erwartungen gewarnt.
Weltweit wird an Medikamenten geforscht, die gegen die durch das Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelöste Krankheit COVID-19 helfen können. Parallel dazu wird von Forschenden auch untersucht, welche Rolle bereits bestehende Arzneimittel gegen das Virus spielen können. Vor kurzem hat sich hier ein Wirkstoff, der gegen Asthma eingesetzt wird, als vielversprechend herausgestellt.
Nicht aussagekräftig genug
Eine vor kurzem in der Fachzeitschrift „The Lancet Respiratory Medicine“ veröffentlichte Studie unter Leitung der Universität Oxford (Großbritannien) sorgt aktuell für großes Aufsehen.
Demnach soll der Wirkstoff Budesonid, der in vielen Asthma-Inhalatoren enthalten ist, im Frühstadium einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 dazu beitragen, die Zeit bis zur Genesung zu verkürzen und schwere Krankheitsverläufe zu verringern.
Doch Expertinnen und Experten warnen nun vor zu hohen Erwartungen. Um eine breite Anwendung zu empfehlen, sei diese Studie nicht aussagekräftig genug, erklärt die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) in einer gemeinsamen Stellungnahme mit der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) sowie der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie (DGAKI).
Kein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe
Wie die DGP in einer Mitteilung schreibt, werden entzündungshemmende inhalierbare Cortisonpräparate (Fachbegriff: inhalative Glukokortikoide oder Corticosteroide; Abkürzung: ICS) seit langem in der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Asthma sowie als Zusatztherapie bei COPD eingesetzt. Laut den Fachleuten stellen ICS in der Asthma-Therapie den wichtigsten Baustein dar.
Alle epidemiologischen Studien zeigen übereinstimmend, dass Patientinnen und Patienten mit Asthma bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 nur selten schwer an COVID-19 erkranken und kein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe haben.
Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass eine ICS-Therapie bei Patientinnen und Patienten mit Asthma einen zusätzlichen Schutz vor schweren Coronavirus-Infektionen bietet.
Placebo-Effekt ist möglich
In der aktuell publizierten STOIC-Studie aus Großbritannien wurde jetzt untersucht, ob auch bei Erkrankten ohne Asthma (84 bis 86 Prozent der Patientinnen und Patienten hatten kein Asthma) eine SARS-CoV-2-Infektion günstig beeinflusst wird, wenn Betroffene zweimal täglich ein handelsübliches Asthma-Medikament (Budesonid) im Frühstadium der Erkrankung inhalieren.
Es zeigte sich, dass die Dauer der Symptome um einen Tag verkürzt und die Häufigkeit von Arztbesuchen reduziert werden konnte. Allerdings ist dieses Ergebnis nur bedingt aussagekräftig.
„Zwar handelt es sich bei der Studie um eine randomisierte, aber nicht um eine verblindete Studie. Das heißt, die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer sowie die behandelnden Ärztinnen und Ärzte wussten, ob das ICS inhaliert wurde oder nicht. Ein erheblicher Placebo-Effekt ist hier also möglich“, erläutert Professor Dr. med. Marek Lommatzsch, Oberarzt der Abteilung für Pneumologie des Zentrums für Innere Medizin der Universitätsmedizin Rostock.
„Zudem handelt es sich um eine Studie mit vergleichsweise wenigen Studienteilnehmern, und die in der Studie eingeschlossenen Patienten mit Asthma können zu dem positiven Ergebnis beigetragen haben“, fügt Professor Dr. med. Klaus F. Rabe, Chefarzt der LungenClinic in Grosshansdorf hinzu.
Weitere Studien nötig
Um mögliche positive Wirkungen des Medikaments bei COVID-19 zu bestätigen, müssten laut den Fachleuten weitere, größere und verblindete Studien durchgeführt werden.
„Auf Basis der STOIC-Studie können derzeit keine Empfehlungen für eine allgemeine ICS-Behandlung von Patienten mit COVID-19 ausgesprochen werden“, sagt Professor Dr. med. Roland Buhl, Leiter der Abteilung für Pneumologie der Universitätsmedizin Mainz.
Den Patientinnen und Patienten mit Asthma oder COPD, die bereits dauerhaft mit inhalativen Corticosteroiden behandelt werden, empfehlen die Pneumologen nach wie vor, diese Therapie während der aktuellen SARS-CoV-2-Pandemie und im Rahmen einer COVID-19-Erkrankung fortzuführen.
Die aktuelle STOIC-Studie dürfe in keinem Fall dazu führen, dass ICS nicht mehr in ausreichenden Mengen für Personen mit Asthma oder COPD zur Verfügung stünden. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin: Asthma-Medikamente gegen COVID-19?, (Abruf: 20.04.2021), pneumologie.de
- Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin: Gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP), der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) und der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie (DGAKI): Therapie mit inhalativen Glukokortikoiden bei COVID-19, (Abruf: 20.04.2021), pneumologie.de
- Sanjay Ramakrishnan, Dan V. Nicolau Jr., Beverly Langford, Mahdi Mahdi, Helen Jeffers et al.: Inhaled budesonide in the treatment of early COVID-19 (STOIC): a phase 2, open-label, randomised controlled trial; in: The Lancet Respiratory Medicine, (veröffentlicht: 09.04.2021), The Lancet Respiratory Medicine
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.