Coronavirus: Drei Kontakte zum Spike-Protein für breite Immunität
Auch wenn die Omikron-Variante des Coronavirus SARS-CoV-2 meist nur zu milden Verläufen der Krankheit COVID-19 führt, sind Fachleute wegen der raschen Ausbreitung besorgt. Eine neue Studie macht nun aber Hoffnung: Dabei wurde festgestellt, dass das Immunsystem schon nach insgesamt drei Kontakten zum viralen Spike-Protein eine qualitativ hochwertige Antikörper-Antwort entwickelt. Laut den Forschenden können diese Antikörper auch Omikron effizient neutralisieren.
Erst kürzlich veröffentlichten Forschende der University of Washington (USA) in dem renommierten Fachjournal „Cell“ eine Studie, die zeigte, dass Durchbruchsinfektionen bei gegen SARS-CoV2 geimpften Personen starke Antikörperreaktionen auslösen. Auch bei Genesenen kann die Immunantwort unter gewissen Umständen intensiv ausfallen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler berichten nun, dass drei Kontakte mit dem Spike-Protein erlauben, eine breite Immunität aufzubauen – auch gegen Omikron.
Antikörper können auch Omikron-Variante bekämpfen
Wie in einer aktuellen Mitteilung der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) erklärt wird, verändert sich das Coronavirus SARS-CoV-2 seit dem Beginn der COVID-19-Pandemie immer weiter. Neue besorgniserregenden Varianten (variants of concern, VOC) breiten sich rasend schnell aus. Omikron, das hochansteckend ist und sich der Immunantwort teilweise entziehen kann, ist in den meisten Ländern inzwischen zur dominierenden Variante geworden.
Es ist bekannt, dass die Varianten Alpha und Delta leichter übertragen werden als der ursprüngliche Erreger. Andere Varianten umgehen die Antwort des Immunsystems gegen das ursprüngliche Virus – zumindest teilweise. Dies gilt für Beta, Gamma und Delta. Auf die Omikron-Variante trifft sogar beides zu. Letztere Variante weist umfangreiche Mutationen im Spike-Protein auf, was seine außerordentlich schnelle Verbreitung und seine Immunflucht erklärt: eine Herausforderung für Ärztinnen und Ärzte, denn als Frage bleibt, wie es gelingt, Menschen bestmöglich gegen Infektionen mit dieser VOC zu schützen.
Antworten hat ein Forschungsteam um Prof. Dr. Ulrike Protzer (Institut für Virologie der Technischen Universität München und Helmholtz Munich), Prof. Dr. Percy A. Knolle (Klinikum rechts der Isar der TUM) sowie Prof. Dr. Oliver T. Keppler (Max von Pettenkofer-Institut und Genzentrum der LMU) gefunden. In dem Fachmagazin „Nature Medicine“ berichten sie, dass insgesamt drei Kontakte zum Spike-Protein als viralem Antigen notwendig sind, damit neutralisierende Antikörper nicht nur in ausreichender Menge, sondern auch in hoher Qualität gebildet werden.
Den Angaben zufolge binden solche qualitativ hochwertigen Antikörper das Virus stärker und können dadurch auch die Omikron-Variante bekämpfen. Dies gilt sowohl für dreifach Geimpfte als auch für Genesene nach zwei Impfungen und zweifach Geimpfte nach einer Durchbruchsinfektion.
Teilnehmende knapp zwei Jahre nachverfolgt
Für die Studie wurden seit Beginn der Pandemie freiwillige Teilnehmende aus dem Kreis der Mitarbeitenden am Klinikum rechts der Isar der TUM rekrutiert und regelmäßig untersucht. Hierbei wurde eine Gruppe identifiziert, die sich in der ersten Pandemie-Welle im Frühjahr 2020 mit Corona infiziert hatte, und eine zweite Gruppe, die sich nicht angesteckt hatte.
Später wurden beiden Gruppen Impfungen mit dem mRNA-basierten COVID-19-Impfstoff von BioNTech/Pfizer angeboten, und sie wurden fast zwei Jahre lang nachverfolgt. Die Kohorte umfasste 98 Genesene sowie 73 Personen ohne vorherige Infektion. Beide Gruppen waren hinsichtlich des Geschlechts, Alters, hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und hinsichtlich weiterer Risikofaktoren vergleichbar.
„Diese Längsschnitt-Untersuchung ist besonders spannend, weil man die gleichen Menschen über einen langen Zeitraum verfolgt und ihre T-Zell Immunität regelmäßig untersucht“, erläutert Prof. Knolle, und weist auf eine dazu gerade in dem Fachjournal „Nature Communications” erschiene Studie des Teams hin
In der aktuellen Studie haben die Forscher und Forscherinnen im Blut der Teilnehmenden mehrere Parameter bestimmt: die Menge der Antikörper (IgG), die Stärke der Bindung zwischen Virus-Protein und Antikörper sowie die Fähigkeit von Antikörpern, SARS-CoV-2 Varianten in Zellkultur zu neutralisieren. Die beiden letzteren Parameter sind besonders wichtig, um das Ausmaß der schützenden Immunität abzuschätzen.
Die Studie zeigte auf, dass die Fähigkeit des Immunsystems, das Virus zu neutralisieren, nur zum Teil mit dem Antikörper-Titer korreliert. Vielmehr ist es entscheidend, wie effektiv diese Antikörper an SARS-CoV-2 binden und es so inaktivieren.
Omikron zeigte die am stärksten ausgeprägte Immunflucht
Wie bereits aus seiner Struktur vorhergesagt, zeigte Omikron im Vergleich zu anderen Varianten die am stärksten ausgeprägte Immunflucht gegenüber neutralisierenden Antikörpern. „Hier braucht man deutlich mehr und bessere Antikörper, um das Virus zu neutralisieren“, so Prof. Keppler.
Das Team hatte für die Untersuchungen einen neuen Test entwickelt, mit dem man in hohem Durchsatz viele Serumproben und verschiedene Varianten des Virus in einem Hochsicherheitslabor innerhalb weniger Tage untersuchen kann. „Eine neue Erkenntnis aus unserer Studie ist, dass Menschen dreimaligen Kontakt mit dem Spike-Protein benötigen, damit es nach jetzigem Wissensstand zu einer sehr guten neutralisierenden Aktivität gegen alle VOCs, inklusive Omikron, kommt“, ergänzt Prof. Protzer.
Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler berichten, sind hier unterschiedliche Konstellationen möglich. Dreifach geimpfte Menschen ohne vorige SARS-CoV-2-Infektion kamen fast auf gleiche Titer neutralisierender Antikörper gegen Omikron wie geimpfte Genesene oder Personen, die eine Durchbruchsinfektion mit Delta oder Omikron hatten.
„In allen Fällen erreichte die Neutralisationsaktivität in unserer Analyse ähnlich hohe Bereiche, und die Bindungsstärke der Antikörper hat sich in allen Konstellationen erhöht“, sagt Prof. Keppler. „Die durch eine Impfung aufgebaute beziehungsweise verstärkte Immunität ist der Schlüssel zu einem effektiven Schutz vor zukünftigen Varianten des Virus. Aber auch eine Durchbruchsinfektion, so ärgerlich sie ist, erreicht den Effekt einer zusätzlichen Impfung“, erklären Prof. Protzer und Prof. Knolle. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Ludwig-Maximilians-Universität München: COVID-19: Drei Kontakte mit dem Spike-Protein für eine breite Immunität, (Abruf: 01.02.2022), Ludwig-Maximilians-Universität München
- Paul R. Wratil, Marcel Stern et al.: Three exposures to the spike protein of SARS-CoV-2 by either infection or vaccination elicit superior neutralizing immunity to all variants of concern; in: Nature Medicine, (veröffentlicht: 28.01.2022), Nature Medicine
- Koerber, N., Priller, A., Yazici, S. et al.: Dynamics of spike-and nucleocapsid specific immunity during long-term follow-up and vaccination of SARS-CoV-2 convalescents; in: Nature Communications, (veröffentlicht: 10.01.2022), Nature Communications
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