Einfluss des Geschlechts auf Sterberisiko bei COVID-19
Männer scheinen häufiger an COVID-19 zu versterben, als es bei Frauen der Fall ist. Dies deutet darauf hin, dass geschlechtsspezifische physiologische Unterschiede das Risiko und die Anfälligkeit für COVID-19, den Verlauf der Krankheit sowie das Ansprechen auf Impfstoffe beeinflussen könnten.
COVID-19 scheint zu mehr Todesfällen unter Männern als unter Frauen zu führen. Dies geht aus einem Übersichtsartikel von Forschenden des Beth Israel Deaconess Medical Center (BIDMC) hervor, der in dem englischsprachigen Fachjounal „Frontiers in Immunology“ veröffentlicht wurde.
Auffällige geschlechtsspezifische Unterschiede festgestellt
Wie wirkt sich das biologische Geschlecht auf die Wahrscheinlichkeit aus an COVID-19 zu versterben? Diese Frage versuchte Forschungsgruppe in ihrem Übersichtsartikel zu beantworten. „Die COVID-19-Pandemie hat eine auffällige geschlechtsspezifische Verzerrung mit erhöhten Sterblichkeitsraten bei Männern im Vergleich zu Frauen über die gesamte Lebensspanne hinweg aufgezeigt“, fasst Studienautor Dr. Vaishali R. Moulton vom Beth Israel Deaconess Medical Center das Ergebnis in einer Pressemitteilung zusammen.
Was könnte die Unterschiede erklären?
„Abgesehen von Faktoren des Verhaltens und des Lebensstils, die sich zwischen Männern und Frauen unterscheiden, sind geschlechtschromosomgebundene Gene, Sexualhormone und die mikrobiomkontrollierenden Aspekte der Immunreaktionen auf Infektionen potenziell wichtige biologische Faktoren für die geschlechtsspezifischen Unterschiede, die wir im Zusammenhang mit COVID-19 bei Männern und Frauen beobachten”, erklärt der Experte weiter.
Andere Risikofaktoren bei Mann und Frau
Es gibt nach Ansicht der Forschenden demographische Unterschiede zwischen Männern und Frauen, welche jede Gruppe auf unterschiedliche Weise für Risiken prädisponieren. Männer rauchen beispielsweise häufiger Zigaretten, was ein bekannter Risikofaktor für schweres COVID-19 ist. Außerdem leiden sie auch öfter an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Bluthochdruck, was wichtige zugrundeliegende Komorbiditäten bei COVID-19 sind. Frauen arbeiten dagegen häufiger im Gesundheitswesen, wodurch ihre potenzielle Exposition gegenüber dem Coronavirus erhöht wird, erläutern die Fachleute.
Stärkere Immunreaktionen bei Frauen?
Trotzdem zeigen viele Tier- und Humanstudien, dass Frauen zu stärkeren Immunreaktionen auf Infektionen neigen als Männer. Dieses Merkmal hängt möglicherweise mit einer erhöhten Anfälligkeit für Entzündungs- und Autoimmunkrankheiten zusammen, erläutern die Forschenden.
Geschlecht wurde bisher häufig nicht berücksichtigt
Bei der Durchsicht der wissenschaftlichen Literatur zu geschlechtsspezifischen Unterschieden in den Zellen des Immunsystems, der X-Chromosom-gebundenen Genetik, den Sexualhormonen, dem ACE-2-Rezeptor und dem Mikrobiom kommt das Teame zu dem Schluss, dass das Geschlecht eine entscheidende, noch wenig untersuchte und oft übersehene Variable bei der Forschung im Zusammenhang mit Immunität und Infektionskrankheiten darstellt.
COVID-19-Forschung muss Geschlecht miteinbeziehen
Bei weiterer Forschung zu COVID-19 müsse das Geschlecht als Schlüsselvariable bei der Messung und Meldung der Ergebnisse einbezogen werden, fordern die Fachleute. Das Verständnis dieser Faktoren wird helfen COVID-19 besser zu verstehen und so die Entwicklung wirksamer Therapien und Impfstrategien in Richtung einer geschlechtsspezifischen personalisierten Medizin voranzutreiben, hoffen die Forschenden. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Nirupa Gadi, Samantha C. Wu, Allison P. Spihlman, Vaishali R. Moulton: What’s Sex Got to Do With COVID-19? Gender-Based Differences in the Host Immune Response to Coronaviruses, in Frontiers in Immunology (veröffentlicht 28.08.2020), Frontiers in Immunology
- Beth Israel Deaconess Medical Center: COVID-19 mortality rates higher among men than women (veröffentlicht 22.09.2020), BIDMC
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.