Arzneien gegen COVID-19: Mehr Hype als Wirksamkeit?
REGN-COV2, Bamlanivimab, Remdesivir, Dexamenthasone, Budesonid und viele weitere Arzneimittel wurden im Laufe der letzten Monate als potenzielles Heilmittel gegen COVID-19 gefeiert. Richtig überzeugen konnte bislang jedoch kein Wirkstoff. Wie ist der aktuelle Stand in der COVID-19-Medikamentenforschung?
Forschende des Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) in Österreich prüfen monatlich, welche Evidenz es zur Wirksamkeit und Sicherheit von möglichen Medikamenten gegen COVID-19 gibt. Leider sind laut dem aktuellen Bericht des Instituts weiterhin keine echten medikamentösen Hoffnungsträger für die Behandlung von COVID-19 in Sicht.
Aus Fehlern lernen
Wie das Institut berichtet, hat Österreichs Politik Konsequenzen aus den Fehlern im Jahr 2009 gezogen. Damals wurden aus Angst vor der Schweinegrippe-Pandemie riesige Mengen des Grippemittels „Tamiflu“ eingekauft, welches sich in diesem Zusammenhang als weitgehend wirkungslos herausstellte. Um solche Schnellschüsse zu verhindern, prüft das AIHTA jeden Monat die Evidenz zur Wirksamkeit potenzieller COVID-19-Medikamente.
Wirksame Medikamente gegen COVID-19 lassen auf sich warten
„In Österreich hat die Politik sehr früh erkannt, dass uns die COVID-19-Pandemie längerfristig beschäftigen wird und das Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) damit beauftragt, ein ‚Horizon Scanning‘ von COVID-19-Medikamenten durchzuführen“, berichtet AIHTA-Leiterin Claudia Wild. Bereits 35 Arzneien, die eine Wirkung gegen COVID-19 haben sollen, werden seit April 2020 in dem Institut geprüft. Ein echter Hoffnungsträger ist leider nicht darunter, so das Fazit der Forschenden.
Ausführliche Frühbewertungen führte das Institut beispielsweise zu den vier Medikamenten REGN-COV2, Bamlanivimab, Remdesivir und Dexamenthasone durch. Das als „Trump-Medikament“ gehypte Mittel REGN-COV2 sowie das Medikament Bamlanivimab, für das Gesundheitsminister Jens Spahn Deutschland ein 400 Millionen Euro teures Kontingent sicherte, scheinen die Erwartungen nicht zu erfüllen.
Bamlanivimab auf die breite Masse kaum anwendbar
„Die vorläufigen Ergebnisse aus den noch laufenden klinischen Studien deuten darauf hin, dass die Antikörper-Medikamente die Viruslast von nicht-hospitalisierten Patienten zwar reduzieren können, eine auf Evidenz basierende Empfehlung ist derzeit aber nicht möglich“, resümiert die Institut-Leiterin.
Erschwerend wirke die Logistik in der Verabreichung von Bamlanivimab: Das Medikament müsse zu einem frühen Zeitpunkt nach der Infektion über eine Infusion verabreicht werden. Somit sei zumindest eine ambulante Behandlung für die Verabreichung erforderlich. Für Erkrankte mit schwerem Verlauf sei der Antikörper-Cocktail ohnehin nicht vorgesehen.
Remdesivir scheint keine COVID-19-Todesfälle zu verhindern
Ähnlich ernüchternd fällt das Fazit der Expertinnen und Experten bei dem Medikament Remdesivir aus. Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass das Mittel zwar eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes hinauszögern kann, eine Behandlung mit Remdesivir verhindere aber wahrscheinlich keine Todesfälle durch COVID-19.
Dexamethasone bislang am vielversprechendsten
Für eine bestimmte Gruppe von COVID-19-Betroffenen lieferte das Kortikosteroid Dexamethasone die bislang beste Evidenz. Bei Betroffenen, die aufgrund eines schweren COVID-19-Verlaufs eine Sauerstofftherapie benötigten, senkte Dexamethasone die Mortalität signifikant. „Keine Vorteile durch Dexamethasone zeigten sich hingegen bei COVID-19-Patientinnen und -Patienten, die nicht künstlich beatmet wurden“, betonen die Forschenden.
Asthma-Medikament Budesonid gegen COVID-19?
Auch wurde in zahlreichen Medienberichten das Asthma-Medikament Budesonid vorschnell zum Heilmittel gegen COVID-19 erklärt. „Die AIHTA-Analyse zeigte allerdings, dass die derzeitige Datenlage nicht ausreicht, um eine positive Wirkung im Fall einer COVID-19-Erkrankung verlässlich nachweisen zu können“, verdeutlichen die Forschenden.
Bis Oktober 2021 drei neue COVID-19-Medikamente?
Die EU-Kommission hat derweil die neue Behörde „HERA“ (Health Emergency Preparedness and Response Authority) ins Leben gerufen. Hier werden aus den zehn vielversprechendsten COVID-19-Wirkstoffen bis Juni 2021 die fünf mit dem größten Potenzial herauskristallisiert. Das AIHTA und 80 weitere europäische Partner werden dann eine Frühbewertung zu den ausgewählten Medikamenten durchführen.
„Mit diesem Prozess soll sichergestellt werden, dass EU-weit nur jene Medikamente eingekauft werden, die tatsächlich auch einen Nutzen haben“, so Claudia Wild. Deklariertes Ziel von HERA sei es, bis Oktober 2021 die Zulassung von drei neuen Arzneimitteln zur Behandlung von COVID-19 durchzubringen. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- AIHTA: Covid-19 HSS/ Horizon Scanning, Living Document V15 2021., eprints.aihta.at
- AIHTA: Covid-19-Medikamente lassen noch auf sich warten (veröffentlicht: 23.06.2021), idw-online.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.