Kurzsichtigkeit bei Kindern infolge der Coronavirus-Pandemie
Welche Auswirkungen auf die allgemeine Gesundheit die Coronavirus-Pandemie langfristig haben wird, ist bislang nur schwer abschätzbar. In einer aktuellen Studie hat sich nun gezeigt, dass im Zuge der Pandemie auch die Kurzsichtigkeit bei Kindern erheblich zugenommen hat. Als Gründe werden die fehlenden Aufenthalte im Freien und die langen Zeiten vor Bildschirmen vermutet.
Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) warnt vor möglichen negativen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die Sehkraft von Kindern. Denn eine jetzt in dem Fachmagazin „JAMA Ophthalmology“ veröffentlicht Studie mit 123.000 Schulkindern in China kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Kurzsichtigkeit der Sechs- bis Achtjährigen im Jahr 2020 im Schnitt um 0,3 Dioptrien verschlechterte.
Folgen der Pandemie
Wie weitreichend sowohl die direkten als auch die indirekten langfristigen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie tatsächlich sind, wird erst allmählich deutlich. So leiden viele Erkrankte zum Beispiel noch Monate später an neurologischen Beschwerden (Long-Covid) und auch ein erhöhtes Demenz-Risiko steht bei den Spätfolgen der Erkrankung in der Diskussion. Die Lockdown -Maßnahmen haben ihrerseits negative Auswirkungen auf die Gesundheit, wobei bisher vor allem psychische Probleme im Fokus standen.
Kurzsichtigkeit bei Grundschulkindern
In der aktuellen Studie wird nun deutlich, dass zu den Folgen der Pandemie auch ein vermehrtes Auftreten von Kurzsichtigkeit unter Kindern zu zählen ist. Die Auswertung der Daten aus jährlichen Routineuntersuchungen auf Kurzsichtigkeit bei Grundschulkindern in der chinesischen Stadt Shandong aus den Jahren 2015 bis 2020 hat gezeigt, dass der Anteil der Kurzsichtigen pro Jahrgang bei den Sechsjährigen von 5,7 Prozent in 2019 auf 21,5 Prozent im Jahr 2020 angestiegen ist, berichtet die DOG. Bei den Achtjährigen habe sich die Quote in diesem Intervall von 27,7 auf 37,2 Prozent erhöht.
Was sind die Ursachen?
Mögliche Ursachen für die Zunahme der kindlichen Kurzsichtigkeit könnten der seltenere Aufenthalt im Freien und die längere Zeit vor Bildschirmen im Zuge des Homeschoolings sein, vermuten die Forschenden. Insbesondere Kinder, bei denen der Augapfel noch wächst, seien von mangelnden Aktivitäten im Freien und Homeschooling negativ betroffen.
„Die Stärke der Studie liegt eindeutig in der hohen Fallzahl“, betont Professor Dr. med. Wolf Lagrèze vom Universitätsklinikum Freiburg in der Mitteilung der DOG. Schwächen bestünden darin, „dass die Brillenwerte nicht mit erweiterter Pupille bestimmt wurden“ und „es keine Daten zur Länge des Augapfels“ gibt. Dies sei „heute eigentlich Standard in derartigen Studien, aber natürlich bei solch einer riesigen Kohorte schwer umzusetzen.“
Zunahme kindlicher Kurzsichtigkeit erwartet
Sollte sich bestätigen, dass Sechs- bis Achtjährige durch einen Lockdown einen solch starken Refraktionsfehler in jungen Jahren entwickeln, „ist von einer Zunahme der kindlichen Kurzsichtigkeit auch bei uns auszugehen, da wir im Frühjahr ebenfalls einen längeren Lockdown mit geschlossenen Schulen, aber auch geschlossenen Spielplätzen hatten“, ergänzt Professor Dr. med. Alexander Schuster vom Zentrum für ophthalmologische Epidemiologie und Versorgungsforschung der Augenklinik und Poliklinik an der Universitätsmedizin Mainz.
Täglich zwei Stunden im Freien
Um den negativen Auswirkungen auf die Sehkraft vorzubeugen, empfiehlt die DOG gerade jüngeren Kindern trotz der Einschränkungen durch die COVID-19-Pandemie möglichst viel Tageslicht zukommen zu lassen und die Nutzung von Smartphones, Tablets und PCs zu begrenzen. Eltern sollten ihren Kindern während des Lockdowns einen täglichen Aufenthalt von mindestens zwei Stunden im Freien zu ermöglichen. „Dafür eignen sich gemeinsame Spaziergänge oder auch Spielplätze, die ja glücklicherweise während des derzeitigen Lockdowns nicht gesperrt sind“, so Professor Schuster.
„Auch sollten die Schreibtische der Kinder während des Homeschoolings möglichst in der Nähe großer Fenster stehen, um die Leuchtdichte zu erhöhen“, so Professor Lagrèze. Weiterhin sei es ratsam für den Online-Unterricht große Bildschirme zu nutzen und einen Augenabstand von mindestens einem halben Meter zum Monitor einzuhalten. „Um kleinere Kinder von Smartphones fernzuhalten, die ebenfalls unter Verdacht stehen, Kurzsichtigkeit zu fördern, bieten sich Hörbücher an“, betont Schuster. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Jiaxing Wang, Ying Li, David C. Musch, Nan Wei, Xiaoli Qi, Gang Ding, Xue Li, Jing Li, Linlin Song, Ying Zhang, Yuxian Ning, Xiaoyu Zeng, Ning Hua, Shuo Li, Xuehan Qian: Progression of Myopia in School-Aged Children After COVID-19 Home Confinement; in: JAMA Ophthalmology (veröffentlicht 14.01.2021), jamanetwork.com
- Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG): Studie: Lockdown könnte kindliche Kurzsichtigkeit fördern (veröffentlicht 12.02.2021), dog.org (PDF)
Wichtiger Hinweis:
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