COVID-19: Blut-Schnelltest identifiziert Hochrisikopatienten
Ein amerikanisches Forschungsteam stellte einen neuen Blut-Schnelltest vor, mit dessen Hilfe bestimmt werden kann, welche COVID-19-Betroffenen auf einer Intensivstation behandelt und künstlich beatmet werden müssen. Der Test soll Risikopatienten besser identifizieren und so deren Überlebenschancen verbessern.
Forschende der Washington University School of Medicine in St. Louis (USA) entwickelten einen einfachen Bluttest, der anhand der DNA das Risiko für schwere COVID-19-Verläufe bestimmen kann. Die Studie wurde am 14. Januar 2021 in dem Fachjournal „JCI Insight“ vorgestellt.
Bekannte Risikofaktoren nicht verlässlich genug
Die Arbeitsgruppe beschreibt, dass die schnelle Identifizierung von Risikopatienten ein großes Problem bei der Behandlung von COVID-19 ist. Bestimmte Faktoren wie Alter, Körpergewicht, Geschlecht und das Vorhandensein von Grunderkrankungen bieten zwar Anhaltspunkte, aber es gäbe immer wieder böse Überraschungen, bei denen auch junge und gesunde Menschen schwer an COVID-19 erkranken und sogar sterben.
Test soll COVID-19-Sterberisiko vorhersagen
Ziel der Arbeitsgruppe der Washington University war es daher, einen einfachen und schnellen Test zu entwickeln, der eine genauere Vorhersage des Krankheitsverlaufes ermöglicht. Das Ergebnis wurde kürzlich präsentiert: Ein Bluttest, der innerhalb einer Stunde bestimmen kann, welche Personen mit COVID-19 das höchste Risiko für schwere Komplikationen, beziehungsweise das höchste Sterberisiko aufweisen.
Wie funktioniert der Test?
Der Bluttest misst den Gehalt an sogenannter mitochondrialer DNA (mtDNA) im Blut. Gewöhnlich zirkuliert die mtDNA im Inneren der Mitochondrien, den Energiefabriken der Zellen. Erhöhte Mengen von mitochondrialer DNA, die aus Zellen austritt und im Blutkreislauf zirkuliert, sind dem Forschungsteam zufolge ein deutliches Zeichen für erhöhten Zelltod im Körper und weisen bei vorliegendem COVID-19 darauf hin, dass die Erkrankung bereits deutliche Schäden verursacht hat.
Die hyperinflammatorische COVID-19-Todesspirale
„Es gibt so viel, was wir noch nicht über diese Krankheit verstehen“, betont Co-Studienautor Andrew E. Gelman. Beispielsweise sei unklar, warum einige COVID-19-Betroffenen unabhängig von ihrem Alter oder der zugrundeliegenden Gesundheit in eine hyperinflammatorische Todesspirale geraten. Die mitochondriale DNA, die durch die Gewebeschäden freigesetzt wird, könnte zu diesem Prozess beitragen, weil sie selbst ein entzündliches Molekül sei.
Zahlreiche Einsatzmöglichkeiten
Der Test ist den Forschenden zufolge nicht nur eine Möglichkeit zur Vorhersage des Schweregrads von COVID-19, sondern könne auch zur besseren Auswahl von Teilnehmenden für klinische Studien genutzt werden, um die Ursachen für schwere Verläufe besser zu verstehen. Zudem könnte er auch zur Überwachung der Wirksamkeit neuer Therapien dienen.
Frühe Behandlung verbessert die Erfolgsaussichten
„Wenn wir in den ersten 24 Stunden nach der Aufnahme eines Patienten feststellen könnten, ob er wahrscheinlich eine Intubation benötigt oder ob er Medikamente braucht, um seinen Blutdruck nicht zu stark abfallen zu lassen, könnten wir ihn viel früher im Krankheitsverlauf behandeln“, erklärt Hrishikesh S. Kulkarni, ein weiterer Co-Autor der Studie.
Test wurde im Krankenhaus überprüft
Zur Überprüfung des Tests wurde die mitochondriale DNA bei 97 COVID-19-Betroffenen am ersten Tag des Krankenhausaufenthalts im Barnes-Jewish Hospital gemessen. Es bestätigte sich, dass die mtDNA-Blutwerte bei denjenigen am höchsten waren, die im weiteren Verlauf der Krankheit auf die Intensivstation eingeliefert wurden, intubiert werden mussten oder starben. Dieser Zusammenhang war unabhängig vom Alter, Geschlecht und vorliegenden Grunderkrankungen.
Was sagen die Testergebnisse aus?
Im Durchschnitt war der mtDNA-Spiegel bei COVID-19-Betroffenen, die später eine schwere Lungenfunktionsstörung entwickelten und letztendlich an der Krankheit starben rund zehnmal höher als bei Betroffenen, die keine Komplikationen entwickelten. Bei Teilnehmenden mit überdurchschnittlich hohen mtDNA-Spiegeln war es sechsmal wahrscheinlicher, dass sie künstlich beatmet werden mussten und doppelt so wahrscheinlich, dass sie an COVID-19 sterben als Personen mit niedrigen mtDNA-Werten.
Wie kommt die mtDNA ins Blut?
„Viren können eine Art von Gewebeschaden verursachen, der Nekrose genannt wird und eine heftige, entzündliche Reaktion auf die Infektion darstellt“, erklärt Gelman. Die Zelle breche dabei auf und gebe den Inhalt frei, inklusive der mitochondrialen DNA, die ihrerseits weitere Entzündungen auslöst.Bei COVID-19-Betroffenen wurden Gewebeschäden solcher Art in Lunge, Herz und Nieren festgestellt. Die mitochondriale DNA im Blut könne ein frühes Anzeichen für diese Art von Zelltod in lebenswichtigen Organen sein, so der Wissenschaftler.
Test für die meisten Krankenhäuser einfach umsetzbar
Die Forschenden betonten auch, dass der Test schnell und unkompliziert in den meisten Krankenhäusern durchgeführt werden kann, da er die gleiche Maschinerie verwendet, die für den Standard-PCR-Test für COVID-19 benötigt wird. Die mtDNA im Blut könne so ohne Zwischenschritte direkt quantifiziert werden. Die Testergebnisse lägen in weniger als einer Stunde vor. Bevor der Test jedoch zugelassen werden kann, müsse er noch in einer größeren multizentrischen Studie verifizieren werden. (vb)
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Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Washington University School of Medicine: Rapid blood test identifies COVID-19 patients at high risk of severe disease (veröffentlicht: 15.01.2021), medicine.wustl.edu
- Scozzi D, Cano M, et al. Circulating mitochondrial DNA is an early indicator of severe illness and mortality from COVID-19. JCI Insight. Jan. 14, 2021, insight.jci.org
- RKI: Welche Rolle spielt ein mögliches Hyperinflammationssyndrom bei einer schweren COVID-19-Infektion und können hieraus Konsequenzen für die Therapie gezogen werden? (veröffentlicht: 27.07.2020), rki.de
Wichtiger Hinweis:
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