COVID-19: Warum Infizierte unterschiedlich schwer erkranken
Die Auswirkungen der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Erkrankung COVID-19 sind unterschiedlich schwer. Viele Menschen bemerken gar nichts von ihrer Ansteckung. Andere erkranken nur leicht. Es gibt jedoch auch schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle. Forschende berichten nun über neue Erkenntnisse zu den unterschiedlichen Krankheitsverläufen.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben neue Erkenntnisse dazu gewonnen, warum viele Menschen, die sich mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 anstecken, nur leicht an COVID-19 erkranken. Ihre Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.
- Die Immunabwehr der meisten Menschen kann die Ausbreitung des Coronavirus im Körper so effektiv eindämmen, dass es nicht zu einer Lungenentzündung kommt.
- Wie genau die Begrenzung des Eindringlings in den oberen Atemwegen passiert, blieb jedoch weitgehend ein Rätsel.
- Forschende haben nun festgestellt, dass bei nur leicht erkrankten Patientinnen und Patienten eine spezifische antiviral wirksame Hochregulierung sogenannter interferon-stimulierter Gene stattfindet.
Erfolgreiche Abwehr von SARS-CoV-2
Wie das LMU Klinikum München in einer aktuellen Mitteilung erklärt, sind nach bisherigen Erkenntnissen 90 Prozent der Infizierten zu einer erfolgreichen Abwehr von SARS-CoV-2 in der Lage, so dass ein schwerer Krankheitsverlauf mit einer Infektion der Lungen verhindert wird.
Um herauszufinden, warum das so ist, haben Forschende des LMU Klinikums um Dr. med. Kami Pekayvaz, Alexander Leuning, PD Dr. med. Konstantin Stark und Dr. med. Leo Nicolai nun in Zusammenarbeit mit anderen Forschungsinstitutionen Blutproben und Nasenabstriche von über 100 Patientinnen und Patienten untersucht.
Und zwar mit verschiedenen Methoden zur Untersuchung von Genen, Proteinen sowie anderen Molekülen, die in einer Immunantwort eine Rolle spielen. Die gewonnen Erkenntnisse wurden mit vorliegenden klinischen Daten kombiniert.
Der Schwerpunkt der Studie lag in der Untersuchung von Patientinnen- und Patientenproben über den gesamten Krankheitsverlauf. Die Forscherinnen und Forscher haben zunächst eine Kohorte von Corona-Infizierten mit Risikofaktoren für einen schweren Verlauf sehr engmaschig untersucht, und hierbei Betroffene mit und ohne Lungenbeteiligung unterschieden.
Die so gewonnenen Erkenntnisse wurden dann in einer großen Kohorte ambulanter Erkrankter mit milden Verläufen bestätigt.
Sehr starke antivirale Antwort
Laut den Autorinnen und Autoren von der Medizinischen Klinik und Poliklinik I des LMU Klinikums München haben sie festgestellt, dass schon früh in der Erkrankung Patientinnen und Patienten, „die kaum oder gar keine Symptome gezeigt haben, eine sehr starke antivirale Antwort in den Immunzellen im Blut zeigen“.
Die Antwort ist charakterisiert durch sogenannte „ISGs“ (Interferon Stimulierte Gene). „Diese kann man sich als eine ganze Waffenkammer an Proteinen vorstellen, die Zellen gegen virale Eindringlinge nutzen können“, erklären die Fachleute weiter.
Sie „glauben, dass diese Art der Immunantwort eine weitere Ausbreitung des Virus verhindert, weil sozusagen der Körper in Alarmbereitschaft versetzt wird und so zum Beispiel das Lungengewebe auf den Eindringling vorbereitet ist.“
Killerzellen scheinen weniger zellschädigend zu sein
Außerdem scheinen die sogenannten natürlichen Killerzellen sowie T-Zellen bei milderen Erkrankungen weniger zellschädigend zu sein. Dies verhindert wahrscheinlich eine Schädigung körpereigener Zellen. Letztlich zeigt sich noch eine anti-entzündliche Monozyten-Signatur.
Unterm Strich sprechen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler davon, dass sie eine „spezifische immunologische Signatur“ gefunden haben, die eine Ausbreitung von SARS-CoV-2 im Körper unterbinden kann. Dabei ist die Immunantwort zunächst unabhängig von Antikörpern, da diese erst im weiteren Krankheitsverlauf hergestellt werden können.
Ihren Angaben zufolge wäre es nun ein Ziel, das Immunsystem von Risikopatientinnen und -patienten „oder von Individuen nach viraler Exposition dazu zu bringen, dass es diese antiviralen Mechanismen aktiviert“.
Und: „Es gibt hier bereits Ansätze, es kamen zum Beispiel Nasensprays zum Einsatz, die über Interferon-alpha oder andere Mechanismen eine solche Antwort auslösen“. Diese Ansätze müssen nun optimiert werden.
Vielversprechend wäre daran auch, dass solche Strategien womöglich auch in der nächsten Pandemie gegen andere virale Erreger als das Coronavirus SARS-CoV-2 helfen könnten. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- LMU Klinikum München: Immunologische Signatur gegen SARS-CoV-2, (Abruf: 07.03.2022), LMU Klinikum München
- Kami Pekayvaz, Alexander Leunig, Rainer Kaiser, Markus Joppich, Sophia Brambs, Aleksandar Janjic, Oliver Popp, Daniel Nixdorf, Valeria Fumagalli, Nora Schmidt, Vivien Polewka, Afra Anjum, Viktoria Knottenberg, Luke Eivers, Lucas E. Wange, Christoph Gold, Marieluise Kirchner, Maximilian Muenchhoff, Johannes C. Hellmuth, Clemens Scherer, Raquel Rubio-Acero, Tabea Eser, Flora Deák, Kerstin Puchinger, Niklas Kuhl, Andreas Linder, Kathrin Saar, Lukas Tomas, Christian Schulz, Andreas Wieser, Wolfgang Enard, Inge Kroidl, Christof Geldmacher, Michael von Bergwelt-Baildon, Oliver T. Keppler, Mathias Munschauer, Matteo Iannacone, Ralf Zimmer, Philipp Mertins, Norbert Hubner, Michael Hoelscher, Steffen Massberg, Konstantin Stark & Leo Nicolai: Protective immune trajectories in early viral containment of non-pneumonic SARS-CoV-2 infection; in: Nature Communications, (veröffentlicht: 23.02.2022), Nature Communications
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.