COVID-19: Aktuelle Erkenntnisse könnten neue Therapie ermöglichen
Trotz intensiver Forschung gibt es noch immer keine spezifische Therapie, die eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 heilen könnte. Viele der Behandlungsmöglichkeiten für COVID-19 werden derzeit noch erprobt. Forschende haben nun Erkenntnisse gewonnen, die eine neue Behandlung ermöglichen könnten.
Einem Forschungsteam unter der Leitung der Technischen Universität München (TUM) ist es gelungen, die Erbinformation von dem Coronavirus SARS-CoV-2 direkt nach dem Eindringen des Virus in die Zelle mit spezifischen Enzymen zu zerstören. Mithilfe der Erkenntnisse könnte laut den Fachleuten eine neue Therapie gegen COVID-19 entwickelt werden.
Mechanismus, der RNA zerstören kann
Wie in einer aktuellen Mitteilung der TUM erklärt wird, enthält unser Genom Bauanleitungen für Proteine und andere Moleküle.
Damit diese von der Zelle produziert werden können, muss zunächst eine Art Abschrift dieser Bauanleitung erstellt werden, welche in Form von sogenannten RNA-Molekülen vorliegt. Diese Abschrift wird von den Zellen erkannt und umgesetzt.
„Es existiert aber auch ein Mechanismus, der ganz spezifisch diese RNA zerstören kann, und in allen menschlichen Zellen als Teil der Genregulation stattfindet“, erläutert Dr. Thomas Michler, der die aktuelle, in der Fachzeitschrift „Nucleic Acids Research“ veröffentlichte Studie am Institut für Virologie der TUM und des Helmholtz Zentrums München geleitet hat.
„Es handelt sich um die sogenannte RNA-Interferenz.“ Den Angaben zufolge werden dabei in der Zelle kurze RNA-Stücke gebildet, siRNA genannt (small interfering RNA), die spezifisch an bestimmte Stellen in einem RNA-Molekül binden können.
Die siRNA bildet mit Proteinen den sogenannten RNA-induzierten Silencing-Komplex (RISC) – ein Enzym, das die Ziel-RNA zerschneidet.
Zwei Angriffspunkte
„Es gibt schon länger die Bestrebung, diesen Mechanismus für die Therapie von Krankheiten zu nutzen“, so Ulrike Protzer, die Leiterin des Instituts für Virologie.
„In den vergangenen Jahren gab es viele Fortschritte in diesem Bereich. Unter anderem ist es nun möglich, die siRNA durch chemische Modifikationen so zu stabilisieren, dass sie nicht so schnell in den Zellen abgebaut wird.“
Bei dem neuartigen Coronavirus gibt es für die RNA-Interferenz zwei Angriffspunkte: Zum einen besteht das Genom des Virus aus RNA, die in die infizierte Zelle eingeschleust wird und den Bauplan für neue Viren enthält. Und zum anderen werden sogenannte subgenomische RNA-Moleküle gebildet, welche die Wirtszelle anweisen, Virus-Proteine zu produzieren.
Welche Strukturen am besten angegriffen werden können
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollten vor allem herausfinden, welche Strukturen der Virus-RNA am besten angegriffen werden können und in welchem Schritt des Replikationszyklus die Behandlung erfolgen sollte.
„Unser Hauptergebnis ist, dass die RNA-Interferenz am effektivsten ist, wenn das Virus gerade in die Zelle eingedrungen ist“, sagt Shubhankar Ambike, einer der Erstautoren der Studie. Hierbei waren siRNAs, die selektiv das Virus-Genom angreifen, anderen siRNAs, die die subgenomischen RNA-Moleküle angreifen, überlegen.
In Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen der Ludwig-Maximilians-Universität sowie des Helmholtz Zentrum München machten die Forscherinnen und Forscher zudem Versuche an menschlichem Lungengewebe, das sie mit SARS-CoV-2 infiziert hatten.
In den Versuchen konnte das Team seine Ergebnisse bestätigen. In einem anschließenden Projekt planen die Forschenden nun eine Methode zu entwickeln, mit deren Hilfe der Wirkstoff am effektivsten in die Lunge eingebracht werden kann. Die Ergebnisse könnten auch Grundlage für Behandlungen von anderen respiratorischen Viruserkrankungen sein. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Technische Universität München: Zielgerichtete Enzyme zerstören Virus-RNA, (Abruf: 05.03.2022), Technische Universität München
- Shubhankar Ambike, Cho-Chin Cheng, Martin Feuerherd, Stoyan Velkov, Domizia Baldassi, Suliman Qadir Afridi, Diana Porras-Gonzalez, Xin Wei, Philipp Hagen, Nikolaus Kneidinger, Mircea Gabriel Stoleriu, Vincent Grass, Gerald Burgstaller, Andreas Pichlmair, Olivia M Merkel, Chunkyu Ko, Thomas Michler: Targeting genomic SARS-CoV-2 RNA with siRNAs allows efficient inhibition of viral replication and spread; in: Nucleic Acids Research, (veröffentlicht: 20.12.2021), Nucleic Acids Research
Wichtiger Hinweis:
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