COVID-19: Deutlich höhere Antikörperspiegel nach Impfung bei Genesenen
Millionen Menschen haben sich bereits mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert und die durch den Erreger verursachte Krankheit COVID-19 überstanden. Bei Virusinfektionen bildet der Körper Antikörper, die den Erreger bekämpfen können. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass der Immunschutz von Genesenen länger als gedacht anhält. Doch ein zusätzlicher Booster ist offenbar auch für diese Personengruppe anzuraten.
Immer wieder wird darauf hingewiesen, wie wichtig Auffrischungsimpfungen, auch Booster-Impfungen genannt, gegen COVID-19 sind. So ein Booster für den Immunschutz ist offenbar auch für Genesene empfehlenswert. Das zeigt eine Dortmunder Forschungsinitiative.
Immunantwort nach Infektion und Impfung
Wenn unser Immunsystem in Kontakt mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 kommt, wehrt es sich und bildet Antikörper. Eine ähnliche Immunantwort wird durch die COVID-19-Impfstoffe ausgelöst. Zur Stärke und Dauerhaftigkeit des Immunschutzes liegen bislang allerdings nur wenig Daten vor.
Laut einer aktuellen Mitteilung hat ein Team um Prof. Carsten Watzl vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) jetzt in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie (MPI) und dem Klinikum Dortmund noch 300 Tage nach einer SARS-CoV-2-Infektion mit der ursprünglichen Variante hohe Mengen neutralisierender Antikörper in Probandinnen und Probanden nachweisen können.
Und mehr noch: Nach vollständiger Impfung zeigten die Genesenen etwa 5-fach höhere Antikörperspiegel als Geimpfte ohne vorherige Infektion. Sie wären damit bei einer Neuinfektion mit anderen Coronavirus-Varianten deutlich besser vor einem schweren Krankheitsverlauf geschützt.
Die Studienergebnisse wurden vor kurzem in der wissenschaftlichen Zeitschrift „European Journal of Immunology“ veröffentlicht.
Zuverlässiges und aussagekräftiges Nachweissystem
Der menschliche Immunschutz wird durch zwei Hand in Hand arbeitende Systeme gewährleistet. Bei der Infektion mit einem Virus reagiert unser Immunsystem mit der Produktion von Antikörpern, die den Erreger daran hindern können, weitere Zellen zu infizieren.
Gleichzeitig können sogenannte T-Killerzellen die fremden Virusbestandteile erkennen und so bereits infizierte Zellen abtöten. Die Antikörper verbessern sich während der Immunreaktion ständig und sind schließlich maßgeschneidert für den Erreger. Die Menge der neutralisierenden Antikörper zeigt an, wie gut eine neue Infektion vom Körper abgewehrt werden kann.
Wie IfADo Direktor Carsten Watzl erklärt, haben sie zusammen mit Kolleginnen und Kollegen vom Max-Planck-Institut und dem Klinikum Dortmund ein zuverlässiges Testsystem zum Nachweis von neutralisierenden Antikörpern entwickelt.
Um Antikörper zielgerichtet aus dem Blut fischen zu können, wird ein entsprechender Köder benötigt. Ein Hauptangriffsziel des Immunsystems ist das Spike-Protein, mit dem die Coronaviren an menschliche Zellen binden und sie dann infizieren.
„Ein Teil dieses Proteins, genauer gesagt den Bereich, der an die Zelle andockt, haben wir im Reagenzglas in hoher Reinheit herstellen können“, sagt Jan-Erik Hoffmann, Leiter der Proteinproduktion am MPI Dortmund.
Mit dieser exakten Kopie und Blutproben aus dem Klinikum Dortmund konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am IfADo ein zuverlässiges und aussagekräftiges Nachweissystem für die Coronavirus-Antikörper entwickeln.
Für eine Studie mit rund 140 freiwilligen Probandinnen und Probanden einer Dortmunder Gesundheitseinrichtung mit mehreren dokumentierten Fällen von SARS-CoV-2-Infektionen zu Beginn der Pandemie (März 2020) standen die Forschenden anschließend im engen Austausch mit dem Dortmunder Gesundheitsamt und dem Klinikum Dortmund.
Fünfmal mehr neutralisierende Antikörper
Bei fast allen der positiv getesteten Teilnehmenden konnten effektive Mengen neutralisierender Antikörper gegen das Spike-Protein nachgewiesen werden. Und selbst nach 300 Tagen waren die Antikörperspiegel in drei von vier Probandinnen und Probanden kaum gesunken.
Allerdings fanden die Infektionen noch mit der ursprünglichen Variante des Coronavirus statt und es wurden die neutralisierenden Antikörper gegen das ursprüngliche Spike-Protein gemessen.
Das Virus hat sich aber mittlerweile so weiterentwickelt, dass die Immunität gegenüber dem Ursprungsvirus aktuell deutlich weniger Schutz bietet. Die Forschenden untersuchten daher auch die Auswirkung einer Impfung mit den Impfstoffen von AstraZeneca und BioNTech auf das Immunsystem.
Sie stellten fest, dass genesene Probandinnen und Probanden nach vollständiger Impfung bis zu fünfmal mehr neutralisierende Antikörper entwickelten als Geimpfte ohne vorherige Infektion. Damit wären sie dann auch besser gegen aktuelle Virus-Varianten geschützt.
Wie lange eine Immunität anhält
„Mittlerweile gibt es einige Studien zur Immunantwort nach einer Corona-Infektion. Davon unterscheidet sich unsere Studie insofern, als uns Blutproben vor und aus den ersten Wochen der Pandemie zur Verfügung standen. So wussten wir genau, ob ein Proband bereits infiziert war oder nicht“, sagt Watzl.
„Die Spielregeln haben sich zwischenzeitlich natürlich geändert, da es neue Varianten wie Omikron gibt. Es ist jedoch wichtig zu wissen, wie lange eigentlich eine Immunität anhält. Denn diese kann auch bei einer Neuinfektion mit anderen Coronavirus-Varianten vor einem schweren Krankheitsverlauf schützen“, erläutert der Forscher.
„Aktuell verwenden wir unsere gemeinsam entwickelten Testsysteme auch zur Untersuchung der Immunreaktion auf die COVID-19-Impfungen und deren Schutz gegenüber verschiedenen Coronavirus-Varianten.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie: Booster für den Immunschutz nach Corona-Infektion, (Abruf: 21.03.2022), Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie
- Urlaub D, Wolfsdorff N, Hoffmann JE, Dorok S, Hoffmann M, Anft M, Pieris N, Günther P, Schaaf B, Cassens U, Bröde P, Claus M, Picard LK, Wingert S, Backes S, Durak D, Babel N, Pöhlmann S, Renken F, Raunser S, Watzl C: Neutralizing antibody responses 300 days after SARS-CoV-2 infection and induction of high antibody titers after vaccination; in: European Journal of Immunology, (veröffentlicht: 05.03.2022), European Journal of Immunology
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.