Was macht Omikron besonders?
Die Omikron-Variante des SARS-CoV-2-Virus scheint deutlich besser in der Lage zu sein, impfstoffinduzierten Antikörpern zu entgehen. Dafür sind schwere Erkrankungen der Lunge bei dieser Variante jedoch offenbar deutlich weniger wahrscheinlich.
Ein Team unter Beteiligung von Forschenden der University of Cambridge hat nachgewiesen, dass Omikron sich den impfstoffinduzierten Antikörpern besser entziehen kann, dafür aber nicht so häufig zu schweren COVID-19-Verläufen führt. Die Studienergebnisse können in dem frei zugänglichen Online-Archiv „bioRxiv“ nachgelesen werden.
Omikron wurde erstmals in Südafrika festgestellt
Fehler im Genetischen Code von SARS-CoV-2 können dazu führen, dass sich das Virus verändert und neue Varianten entstehen. Am 26. November des Jahres 2021 gab die Weltgesundheitsorganisation WHO der zuerst in Südafrika entdeckten Variante B.1.1.529 die Bezeichnung Omikron. Die Omikron-Variante weist eine große Anzahl von Mutationen auf und Fachleute befürchteten bereits früh, dass Impfstoffe durch diese Mutationen weniger wirksam vor Infektionen schützen.
Synthetische Pseudoviren untersucht
Die Forschenden der University of Cambridge schufen nun unter sicheren Bedingungen synthetische Viren, welche als Pseudoviren bezeichnet werden. Diese Viren trugen die Schlüsselmutationen der Delta- und Omikron-Stämme in sich. Das Team nutzte die Viren, um deren Verhalten genau zu untersuchen.
Die Fachleute testeten diese Pseudoviren an Blutproben. Die verwendeten Blutproben stammten von geimpften Personen, welche entweder bereits zwei Dosen des Impfstoffs von AstraZeneca (ChAdOx-1), des Impfstoffs von Pfizer (BNT162b2) oder bereits eine Booster-Impfung mit BNT162b2 erhalten hatten.
AstraZeneca-Impfstoff wirkungslos bei Omikron?
Es zeigte sich, dass bei Omikron, verglichen mit der Delta-Variante, eine etwa zehnfach höhere Konzentration von Serumantikörpern erforderlich war, um das Virus zu neutralisieren, berichtet das Team. Besonders besorgniserregend sei, dass die Antikörper der Mehrheit der Personen, die zwei Dosen des AstraZeneca-Impfstoffs erhalten hatten, das Virus nicht neutralisieren konnten. Dies habe sich auch in Experimenten mit lebenden Viren bestätigt.
Booster-Impfung schützt
Es gab allerdings auch einen erfreulichen Punkt: Nach einer dritten Dosis des Impfstoffs von Pfizer zeigte sich in beiden Gruppen eine deutliche Zunahme der Neutralisierung, so die Forschenden. Hierzu erklärt Professor Gupta von der University of Cambridge in einer Pressemitteilung:
„Die Omikron-Variante scheint viel besser als die Delta-Variante in der Lage zu sein, neutralisierende Antikörper bei Personen zu umgehen, die nur zwei Dosen des Impfstoffs erhalten haben. Eine dritte Auffrischungsdosis mit dem Impfstoff von Pfizer konnte dies kurzfristig ausgleichen, obwohl wir immer noch erwarten, dass die Immunität mit der Zeit abnimmt.“
Wie effektiv dringt Omikron in menschliche Zellen ein?
Um genau zu untersuchen, wie effektiv Omikron in menschliche Zellen eindringt, verwendeten die Forschenden die von ihnen erstellten Pseudoviren, um Zellen in Lungenorganoiden zu infizieren. Diese Mini-Lungen bilden Teile der Lunge nach.
So stellte sich heraus, dass obwohl drei Mutationen vorlagen, welche die Spike-Spaltung eigentlich begünstigen sollten, das Omikron-Spike-Protein den ACE2-Rezeptor weniger effizient spaltet als das Delta-Spike-Protein und auch weniger effizient in die Lungenzellen eindrang, berichten die Fachleute.
Das Team erläutert weiter, dass Omikron, sobald es in die Zellen eingedrungen war, verglichen mit der Delta-Variante, schlechter in der Lage war, eine Fusion zwischen den Zellen auszulösen. Diese Fusion sei mit einer gestörten Ausbreitung von Zelle zu Zelle verbunden und fusionierte Zellen seien häufig in Atemwegsgeweben zu sehen, die nach schweren Erkrankungen entnommen wurden.
Omikron replizierte sich deutlich schlechter
Als die Fachleute schließlich ein lebendes Omikron-Virus verwendeten und es mit der Delta-Variante in einem Ausbreitungsinfektionsexperiment unter Verwendung von Lungenzellen verglich, stellte sich heraus, dass sich Omikron deutlich schlechter replizierte. Laut den Forschenden bestätigt dies die Ergebnisse bezüglich des beeinträchtigten Eintritts.
„Wir vermuten, dass die Krankheit umso schwerwiegender sein könnte, je effizienter das Virus unsere Zellen infizieren kann. Die Tatsache, dass Omikron nicht so gut in Lungenzellen eindringt und dass es im Labor weniger fusionierte Zellen mit niedrigeren Infektionsraten verursacht, lässt vermuten, dass diese neue Variante eine weniger schwere lungenassoziierte Krankheit verursachen könnte“, erläutert Professor Gupta. Der Mediziner fügt hinzu, dass jedoch noch weitere Forschung erforderlich sei, um die Ergebnisse zu bestätigen.
Insgesamt deuten die Ergebnisse nach Ansicht der Forschenden darauf hin, dass die Mutationen von Omikron eine Art zweischneidiges Schwert für das Virus darstellen. Einerseits sei Omikron dadurch besser in der Lage, dem menschlichen Immunsystem zu entgehen, andererseits scheine aber seine Fähigkeit reduziert, die Zellen der Atemwege zu befallen.
Möglichst schnell impfen lassen
Dennoch mahnen die Forschenden in der Pressemitteilung zur Vorsicht, da Omikron immer eine große Herausforderung für die öffentliche Gesundheit darstelle. Wer noch keine Booster-Impfung erhalten hat, bleibe einem erheblichen Risiko ausgesetzt, an COVID-19 zu erkranken, und einige dieser Personen werden schwere Verläufe erleiden, so Professor Gupta. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Bo Meng, Isabella Ferreira, Adam Abdullahi, Akatsuki Saito, Izumi Kimura, et al.: SARS-CoV-2 Omicron spike mediated immune escape, infectivity and cell-cell fusion; in: bioRxiv (veröffentlicht 22.12.2021), bioRxiv
- University of Cambridge: Omicron may be significantly better at evading vaccine-induced immunity, but less likely to cause severe disease (veröffentlicht 20.12.2021), University of Cambridge
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.