COVID-19-assoziierte Pilzinfektionen: Klinische Risikofaktoren identifiziert
Pilzinfektionen sind eine große Herausforderung für die Medizin. Therapieoptionen für die lebensbedrohlichen Infektionen sind äußerst begrenzt. Corona verschärft das Problem: Forschende haben im Zusammenhang mit COVID-19 drei wichtige Pilzinfektionen identifiziert.
Corona kann langfristige Folgen haben. Neben Long-COVID gibt es eine weitere, akute und sehr bedrohliche Nebenerscheinung einer Infektion mit SARS-CoV-2: Pilzerkrankungen. Forschende haben nun wichtige immunologische Mechanismen und klinische Risikofaktoren für COVID-19-assoziierte Pilzinfektionen identifiziert. Ihre Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Nature Microbiology“ veröffentlicht.
Im Zusammenhang mit Corona drei wichtige Pilzinfektionen identifiziert
Wie in einer Mitteilung der Medizinischen Universität (Med Uni) Graz erklärt wird, wurden im Zusammenhang mit COVID-19 drei wichtige Pilzinfektionen identifiziert:
COVID-19-assoziierte pulmonale Aspergillose (CAPA), COVID-19-assoziierte Candidiasis (CAC) sowie insbesondere mit dem Aufkommen der Delta-Variante in Indien die COVID-19-assoziierte Mukormykose (CAM).
Viele Studien haben regionale Phänomene und Aspekte aufgegriffen, doch ein Blick auf die globale Entwicklung dieser COVID-19-assoziierten Erkrankungen fehlte bislang.
Eigenständige Erkrankungsformen?
Ein Hauptmotiv der aktuellen internationalen Studie mit Beteiligung der Med Uni Graz war, herauszufinden, inwiefern die Pilzerkrankungen tatsächlich mit COVID-19 zusammenhängen und durch COVID-19 mitbedingt sind.
Laut Martin Hönigl von der Klinischen Abteilung für Infektiologie der Med Uni Graz war eine grundlegende Fragestellung und Motivation für ihre Studie, „zu klären, ob CAPA und CAM eigenständige Erkrankungsformen darstellen, die durch spezifische immunologische Mechanismen und Interaktionen mitbedingt werden, oder ob diese rein die Folge von klinischen Risikofaktoren auf der Intensivstation sind“ und damit COVID-19- und Nicht-COVID-19-Erkrankte gleichermaßen betreffen.
Tatsächlich gibt es bei CAPA und CAM durchaus spezifische immunologische Verbindungen zu einer COVID-19-Infektion, bei CAC, also der Candidiasis, fehlt diese aber weitestgehend.
COVID-19-Behandlung als Risikofaktor
Der Pilz, der die Aspergillose hervorruft, findet laut dem Experten durch die Gewebszerstörung im Rahmen einer COVID-19-Infektion und der daraus folgenden hohen Zytokinfreisetzung eine perfekte Grundlage, um in das Lungengewebe einzuwachsen.
Dem Forscher zufolge prädisponiert insbesondere die Unterdrückung eines spezifischen immunologischen Mechanismus, der Typ-1-Interferon-Immune-Response, die durch COVID-19 bei schweren Verläufen auftritt, diese Patientinnen und Patienten, eine CAPA zu entwickeln.
„Zusätzlich spielt aber natürlich auch die COVID-19-Therapie auf der Intensivstation mit Dexamethason und Tocilizumab eine wichtige Rolle als Risikofaktor.“
In westlichen Ländern tritt CAM eher selten auf
Bei CAM zeigt sich ein differenziertes und auch komplexeres Bild. Die Mukormykose tritt zwar weltweit auf, jedoch am häufigsten in Indien, CAM (in den Medien auch als „Black-Fungus-Pandemie“ bezeichnet) hat während der Delta-Welle in Indien traurige Berühmtheit erlangt.
Krankheiten wie unbehandelter Diabetes können es sowohl SARS-CoV-2- als auch CAM-auslösenden Erregern leichter machen, über die Nasenschleimhaut in den Körper einzudringen.
In Indien führte dies vor allem zur sogenannten rhino-orbitalen beziehungsweise rhino-orbitalen zerebralen Mukormykose: eine Pilzerkrankung, die Strukturen im Gesicht im Bereich von Augen und Nase und letztlich auch im Gehirn zerstören kann.
In westlichen sowie reichen Ländern tritt CAM eher selten auf und wenn, dann eher in der pulmonalen oder disseminierten Form.
Vor allem in medizinischen Einrichtungen
Im Gegensatz zu CAPA und CAC gibt es bei der Candidiasis keine direkte Korrelation mit einer SARS-CoV-2-Infektion. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine Infektion, die vor allem in medizinischen Einrichtungen auftritt. Wichtige Faktoren hier sind überbelegte Intensivstationen, Zentralvenenkatheter, künstliche Ernährung sowie längerer Aufenthalt auf einer Intensivstation.
Hohe Sterblichkeit
Pilzinfektionen im Rahmen einer COVID-19-Erkrankung gehen leider mit einer hohen Sterblichkeit einher. Je nachdem, wie früh die Infektion erkannt wird, sterben 50 bis 80 Prozent der Erkrankten. Bei der rhino-orbitalen zerebralen Mukormykose tragen Überlebende aufgrund der notwendigen Operation lebenslange Entstellungen im Gesicht davon beziehungsweise verlieren oft ein oder beide Augen.
Noch kein Unterschied bei den Behandlungsoptionen
Derzeit unterscheiden sich die Behandlungsoptionen bei einer COVID-19-assoziierten Erkrankung noch nicht von ihren COVID-19-unabhängigen Gegenstücken, allerdings wird aktuell an neuen Klassen von Antimykotika geforscht, die bessere Ergebnisse zeigen sollten, sowie an spezifischen Interventionen, welche an den immunologischen Mechanismen ansetzen, die COVID-19-Erkrankte prädisponieren, beispielsweise eine CAPA zu entwickeln. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Medizinische Universität Graz: COVID-19-assoziierte Pilzinfektion: Studie analysiert Ansteckung, (Abruf: 28.08.2022), Medizinische Universität Graz
- Martin Hoenigl, Danila Seidel, Rosanne Sprute, Cristina Cunha, Matteo Oliverio, Gustavo H. Goldman, Ashraf S. Ibrahim & Agostinho Carvalho: COVID-19-associated fungal infections; in: Nature Microbiology, (veröffentlicht: 02.08.2022), Nature Microbiology
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.