Corona: Schwere COVID-19-Verläufe vorhersagen
Der Großteil der Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 verläuft relativ mild. Manche Infizierte haben gar keine Symptome. Doch ein Teil erkrankt schwer an COVID-19. Forschende berichten nun, dass schwere Krankheitsverläufe anhand einer Kombination von Blut- und Urinwerten vorhergesagt werden können.
Nach einer Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 dauert es im Mittel fünf bis sechs Tage, bis sich erste Symptome (Krankheitszeichen) von COVID-19 entwickeln, erklärt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) auf ihrem Portal „infektionsschutz.de“. Bei manchen Menschen verläuft die Infektion eher mild, bei anderen hingegen kommt es zu einem schweren Krankheitsverlauf. Eine Vorhersage, wie die Erkrankung ausfallen wird, kann durch eine Kombination von Blut- und Urinwerten getroffen werden.
Kombinierte Urin- und Blutanalyse
Laut einer aktuellen Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie e.V. (DGfN) belegt eine deutsche Studie den Nutzen eines diagnostischen Algorithmus, d.h. einer bestimmten, kombinierten Urin- und Blutanalyse, bei der stationären Aufnahme von COVID-19-Patientinnen und -Patienten.
Anhand dieser „einfachen“ Laborparameter kann der Verlauf einer COVID-19-Erkrankung eingeschätzt und Risikopatientinnen und -patienten können frühzeitig identifiziert werden.
Nierenbeteiligung bei COVID-19
Das Coronavirus SARS-CoV-2 kann Nierengewebe spezifisch befallen und eine Nierenbeteiligung bei COVID-19 ist mit einem signifikant schwereren Erkrankungsverlauf und einer zehnfach erhöhten Sterblichkeit assoziiert (11,2 Prozent versus 1,25 Prozent ohne Nierenbeteiligung).
Deswegen empfehlen die Leitlinien inzwischen eine Urinuntersuchung bei der stationären Aufnahme.
Von Prof. Dr. Oliver Gross und seinem Team der Klinik für Nephrologie und Rheumatologie der Universitätsmedizin Göttingen wurde vor einem Jahr in einer Pilotstudie die Hypothese aufgestellt, dass bestimmte Urinwerte Hochrisikopatienten für schwere COVID-19-Verläufe erkennen können.
In der nun in der Fachzeitschrift „Journal of Clinical Medicine“ veröffentlichten Arbeit wurde in einem Kooperationsprojekt der Universitätsklinika Göttingen, Hamburg, Köln-Merheim und Aachen diese Hypothese erhärtet und ein diagnostischer Algorithmus bestätigt, der anhand dieser Urinwerte – kombiniert mit einer Blutuntersuchung – bereits bei der stationären Aufnahme vorhersagt, ob eine Intensivtherapie notwendig werden könnte.
Höheres Risiko für Intensivbehandlung oder Tod
Das Risiko eines schweren COVID-19-Krankheitsverlaufs wurde abhängig von den Urin- und Blutbefunden in drei Kategorien klassifiziert (niedrig, mittel oder hoch): normale Urin- und Blutbefunde, auffällige Urinanalyse mit normalen Blutwerten oder auffälliger Urin sowie pathologisches Serumalbumin.
Ein auffälliger Urinbefund war definiert als Anurie oder mindestens zwei pathologische Urinwerte (Osmolarität beziehungsweise spezifisches Gewicht, Leukozyturie, Hämaturie, Albuminurie/Proteinurie).
Laut der Mitteilung erfolgte am Tag der stationären Einweisung eine Urinanalyse sowie die Messung der Serumalbuminkonzentration und der Antithrombin-III-Aktivität. Primärer Studienendpunkt waren die Zeit bis zur Aufnahme auf die Intensivstation oder bis zum Tod.
Von den insgesamt 223 gescreenten Patientinnen und Patienten wurden 145 in die Studie eingeschlossen. 43 hatten bei der stationären Aufnahme ein niedriges, 84 ein mittleres und 18 ein hohes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf.
Den Angaben zufolge war im Ergebnis eine auffällige Urinanalyse signifikant mit einem höheren Risiko für eine Intensivbehandlung oder Tod assoziiert (63,7 Prozent versus 27,9 Prozent; HR 2,6; p=0,002); in der Hochrisikogruppe sogar zu 100 Prozent.
Erkrankte mit pathologischem Urinstatus mussten häufiger mechanisch beatmet werden (44 Prozent versus 14 Prozent), benötigten öfter eine vollständige Lungenersatztherapie (extrakorporale Membranoxygenierung/ECMO: 10,8 Prozent versus 2,3 Prozent) oder eine Nierenersatztherapie (30,7 Prozent versus 11,6 Prozent).
SARS-CoV-2-assoziierte Urinauffälligkeiten
„Zusammenfassend zeigen die Daten, dass SARS-CoV-2-assoziierte Urinauffälligkeiten, kombiniert mit zwei einfachen Blutwerten bei der stationären Aufnahme eine Abschätzung erlauben, ob sich die Erkrankung weiter verschlechtert, der Krankheitsverlauf also gefährlich wird oder sogar eine Intensivtherapie notwendig wird“, erklärt Prof. Gross.
„Die Daten bestätigen prinzipiell den Stellenwert von Nierenparametern als Seismograph für den COVID-19-Verlauf“, so der Wissenschaftler.
Prof. Dr. Julia Weinmann-Menke, Mainz, Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN), fügt an: „Kliniken können potentielle Risikopatientinnen und -patienten früher identifizieren und damit den Bedarf ihrer verfügbaren intensivtherapeutischen Ressourcen nun etwas besser planen.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Gesellschaft für Nephrologie: Vorhersage schwerer COVID-19-Verläufe anhand einer Kombination von Blut- und Urinwerten, (Abruf: 21.07.2021), Deutsche Gesellschaft für Nephrologie
- Gross O, Moerer O, Rauen T et al.: Validation of a Prospective Urinalysis-Based Prediction Model for ICU Resources and Outcome of COVID-19 Disease: A Multicenter Cohort Study; in: Journal of Clinical Medicine, (veröffentlicht: 09.07.2021), Journal of Clinical Medicine
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Infektion mit dem Coronavirus: Symptome und Krankheitsverlauf, (Abruf: 29.01.2024), infektionsschutz.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.