Krätze-Mittel Ivermectin gegen COVID-19?
Bereits kurz nach Beginn der Corona-Pandemie berichteten Forschende, dass Ivermectin bei der Behandlung von COVID-19 helfen könnte. Das Medikament, das unter anderem gegen Krätze eingesetzt wird, ist günstig und in jeder Apotheke erhältlich. Ist es aber wirklich das Wundermittel, als das es von vielen angesehen wird?
Weltweit wird an Arzneimitteln geforscht, die gegen die durch das Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelöste Erkrankung COVID-19 helfen sollen. Parallel dazu wird auch untersucht, welche Rolle bereits zugelassene Medikamente gegen das Virus spielen können. Einige bekannte Präparate gelten hier als besonders vielversprechend. Eines davon ist Ivermeticin. Doch Forschende kommen nun zu dem Schluss, dass die Hoffnung auf das Krätze-Mittel wohl vergebens ist.
Günstiges Mittel gegen Krätze
Wie in einer aktuellen Mitteilung der Julius-Maximilians-Universität Würzburg erklärt wird, ist das Medikament Ivermectin ein günstiges Arzneimittel, das weltweit schon seit Jahrzehnten erfolgreich gegen einen Befall mit Parasiten und Würmer eingesetzt wird. In Europa ist das Medikament vor allem aus der Krätze-Behandlung bekannt.
Doch seit gut einem Jahr wird Ivermectin auch als Wundermittel zur Vorbeugung und Therapie von COVID-19 gehandelt.
Anfang 2020 hatten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Melbourne (Australien) gezeigt, dass das Medikament in Zellkulturen die Last an Coronaviren um den Faktor 5000 senken kann.
Seitdem wird es insbesondere in einigen Ländern Lateinamerikas und Asiens im großen Stil bei Menschen eingesetzt. Auch in Österreich berichtet der Hersteller Infectopharm von einem Run auf das Präparat, nachdem dessen Einsatz in der benachbarten Slowakei empfohlen wurde.
Das österreichische Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) hat jedoch bereits vor Monaten vor einer Anwendung von Ivermectin zur Behandlung von COVID-19 gewarnt.
Das Amt verwies dabei auf die Europäische Arzneimittelagentur (EMA), die zum Schluss gekommen ist, dass die vorliegenden Daten (Stand: März 2021) die Verwendung von Ivermectin zur Behandlung von COVID-19 außerhalb klinischer Studien nicht unterstützen.
Vergleich mit Standardbehandlung oder Placebo
Nun haben Forschende der Klinik für Anästhesiologie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) in Zusammenarbeit mit weiteren deutschen Universitätskliniken im Rahmen des „Nationalen Forschungsnetzwerks der Universitätsmedizin zu Covid-19“ in einem systematischen Review untersucht, ob Ivermectin gegen COVID-19 hilft.
Sie wurden dabei von der Cochrane Infectious Disease Group – einem Netzwerk, das medizinisches Wissen regelmäßig auf den Prüfstand stellt, unterstützt.
Das Ergebnis: Der nun veröffentlichte Cochrane Review fand keine Hinweise darauf, dass Ivermectin den Zustand von Erkrankten verbessert oder die Zahl der Todesfälle reduziert – verglichen mit einer Standardbehandlung oder einem Placebo (Scheinmedikament).
Das Medikament kann nach den aktuell vorliegenden Erkenntnissen auch eine SARS-CoV-2-Infektion nicht verhindern. Die Beweislage ist aber aktuell sehr dürftig und erlaubt keine endgültigen Aussagen.
Scheinbar große Effekte
Mehrere kleine Studien hatten scheinbar große Effekte von Ivermectin auf die Sterblichkeit der Erkrankten gezeigt. Allerdings hielten diese Ergebnisse einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand.
„Wir haben 14 randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 1678 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in unsere Untersuchung einbezogen“, erläutert die Biologin Dr. Stephanie Weibel, die gemeinsam mit der Ärztin Maria Popp, Hauptautorin des Reviews ist. Die beiden Wissenschaftlerinnen arbeiten in der Forschungsgruppe „Evidence Based Medicine und Systematische Reviews“ der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie des UKW.
In 13 dieser 14 Studien erhielten leicht bis mittelschwer erkrankte COVID-19-Erkrankte entweder eine Standardbehandlung, ein Placebo oder Ivermectin. Eine Studie untersuchte, inwieweit Ivermectin einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2vorbeugen kann – ohne dies mit einer anderen Form der Prävention zu vergleichen.
Die Forscherinnen und Forscher gingen anhand dieser Studien der Frage nach, ob die Gabe von Ivermectin die Zahl der Todesfälle unter COVID-19-Patientinnen und -Patienten senken kann, ob sich der Zustand der Infizierten durch die Therapie verbessert oder verschlechtert, und welche Nebenwirkungen die Therapie nach sich zieht.
Mehr Forschung nötig
Laut Stephanie Weibel und Maria Popp sind die Ergebnisse eindeutig: „Die aktuelle Evidenz rechtfertigt keine Verwendung von Ivermectin zur Behandlung oder Prävention von Covid-19“, sagen die Forscherinnen. Sie schränken aber gleichzeitig ein, dass dies nur für den Einsatz außerhalb qualitativ hochwertiger randomisierter Studien gelte.
Sie halten weitere Forschung vor allem aus einem Grund für nötig: „Die bisher zu Ivermectin durchgeführten Studien hatten vergleichsweise wenige Teilnehmer. Darüber hinaus waren sie von eingeschränkter Qualität in Bezug auf Studiendesign, Durchführung und Berichterstattung“, so Weibel. Dementsprechend mangele es ihnen an „qualitativ hochwertiger Evidenz“, um Aussagen zur Wirksamkeit sowie Sicherheit von Ivermectin treffen zu können.
Paul Garner, koordinierender Editor der Cochrane Infectious Disease Group, meint, der Hype um Ivermectin wird durch einige Studien vorangetrieben, in denen die Effektstärke von Ivermectin nicht glaubwürdig sei.
Das habe die Schlussfolgerungen in anderen bereits publizierten Reviews beeinflusst. Eine vor kurzem erschienene Studie, die einen starken positiven Effekt des Medikaments nachgewiesen hat, sei inzwischen sogar als „Fake“ zurückgezogen worden. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Julius-Maximilians-Universität Würzburg: Kein Wundermittel gegen Covid-19, (Abruf: 28.07.2021), Julius-Maximilians-Universität Würzburg
- Maria Popp, Miriam Stegemann, Maria-Inti Metzendorf, Susan Gould, Peter Kranke, Patrick Meybohm, Nicole Skoetz & Stephanie Weibel: Ivermectin for preventing and treating COVID‐19; in: Cochrane Libary, (veröffentlicht: 28.07.2021), Cochrane Libary
- Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen: Warnung vor Anwendung von Ivermectin zur Behandlung von COVID-19, (Abruf: 28.07.2021), Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.