Wie hat sich die Corona-Pandemie auf die Sterblichkeit ausgewirkt?
Einer der größten Leitsätze in der Corona-Pandemie ist der Schutz von Menschenleben. Die Maßnahmen zielten überwiegend darauf ab, die Infektionszahlen so gering wie möglich zu halten, um auch die Todesfälle zu verringern. Wie gut dies funktioniert hat, lässt sich unter anderem an der Übersterblichkeit sehen. Ein deutsch-israelisches Forschungsteam hat nun die tödlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie im bislang größten Ländervergleich aufbereitet. So kann erstmals die Übersterblichkeit in 103 Ländern verglichen werden.
Forschende der Universität Tübingen und der Hebräischen Universität Jerusalem sammelten Daten zur Übersterblichkeit in 103 Ländern und bereiteten diese in einem großen Vergleich auf. Die Übersterblichkeit zeigt die Auswirkungen der Corona-Pandemie unabhängig von den gemeldeten COVID-19-Todesfällen und hat nach Angaben der Arbeitsgruppe somit eine starke Aussagekraft. Die Ergebnisse wurden im Online-Fachjournal „eLife“ präsentiert.
Was ist Übersterblichkeit?
Die Übersterblichkeit bezeichnet eine Erhöhung der Sterberate einer Bevölkerung im Vergleich zum Durchschnitt vergangener Jahre. Sie kann eine Aussage darüber treffen, wie sich ein bestimmtes Ereignis, wie eine Pandemie, ein Krieg oder eine Naturkatastrophe auf die Sterblichkeit eines Landes ausgewirkt hat. Die Übersterblichkeit kann ein neutrales Bild vermitteln, da sie lediglich aussagt, wie viele Menschen in einem bestimmten Zeitraum mehr gestorben sind als zu einem anderen Zeitpunkt.
Übersterblichkeit vergleichbar machen
„Die Sterbedaten sind unabhängig von zahlreichen anderen Aspekten und dadurch sehr aussagekräftig“, berichtet Ariel Karlinsky von der Hebräischen Universität Jerusalem. Ihm zufolge gab es bisher keine globale Sammlung dieser Daten. Diese Lücke hat das Forschungsteam nun geschlossen. Sie haben eine Datenbank aufgebaut, in der wöchentliche, monatliche und vierteljährliche Sterbedaten aus 103 Ländern und Regionen zusammenfließen. So konnte erstmals auch die Übersterblichkeit in den Ländern verglichen werden.
Große Unterschiede in der Übersterblichkeit
„Uns hat interessiert, ob eine Übersterblichkeit durch die Pandemie zu verzeichnen war, und wenn ja, in welchem Umfang – und ob die Zahlen über die Länder hinweg vergleichbar waren“, erklärt Dr. Dmitry Kobak vom der Universität Tübingen. Der Vergleich macht eines besonders deutlich: Während die Todeszahlen in einigen Ländern um über 50 Prozent anstiegen, sanken die durchschnittlichen Sterbezahlen in manchen Ländern sogar. Die Corona-Pandemie wirkt sich höchst unterschiedlich auf die Sterbedaten der untersuchten Länder aus.
Wo wütete die Pandemie am schlimmsten?
Der Vergleich der Übersterblichkeit zeigt, dass einige Länder in Südamerika am schlimmsten von COVID-19 betroffen waren. In Peru, Ekuador, Bolivien und Mexiko stieg die Übersterblichkeit um über 50 Prozent an. Auch Bulgarien, Nordmazedonien und Serbien waren hart betroffen. Hier starben innerhalb des untersuchten Zeitraumes in der Corona-Pandemie pro 100.000 Menschen über 400 Personen mehr als üblich.
In welchen Ländern gab es keine Übersterblichkeit?
In Australien, Grönland und in Neuseeland lag beispielsweise die Sterblichkeit während der Corona-Pandemie sogar unter dem üblichen Niveau, wie der Vergleich zeigt. Die Forschenden gehen davon aus, dass aufgrund bestimmter Maßnahmen, wie die Abstands- und Hygieneregeln, die Todeszahlen von anderen Infektionskrankheiten sanken.
Übersterblichkeit in Deutschland
Deutschland verzeichnet im europäischen Vergleich mit 50 Toten mehr pro 100.000 Menschen eine verhältnismäßig geringe Übersterblichkeit. Obwohl rund 90.000 COVID-19-Tote offiziell gemeldet wurden, starben insgesamt „nur“ 40.000 Personen mehr als üblich. „Wahrscheinlich sind die Sterbezahlen bei anderen Atemwegserkrankungen während der Wintermonate gesunken“, vermuten die Forschenden.
Große Unterschiede in umliegenden Ländern
Im Gegensatz zu Deutschland war die Übersterblichkeit in den naheliegenden Ländern deutlich höher. Eine Ausnahme stellt Dänemark dar. Hier wurde während der Corona-Pandemie keine Übersterblichkeit verzeichnet. In folgenden Ländern stieg die Übersterblichkeit:
- Niederlande: 110 Todesfälle mehr pro 100.000 Menschen,
- Belgien: 140 Todesfälle mehr pro 100.000 Menschen,
- Frankreich: 110 Todesfälle mehr pro 100.000 Menschen,
- Schweiz: 100 Todesfälle mehr pro 100.000 Menschen,
- Österreich: 110 Todesfälle mehr pro 100.000 Menschen,
- Tschechien: 320 Todesfälle mehr pro 100.000 Menschen,
- Großbritannien: 160 Todesfälle mehr pro 100.000 Menschen,
- Schweden: 90 Todesfälle mehr pro 100.000 Menschen,
- Spanien: 190 Todesfälle mehr pro 100.000 Menschen,
- Ungarn: 240 Todesfälle mehr pro 100.000 Menschen,
- Griechenland: 70 Todesfälle mehr pro 100.000 Menschen,
- Polen: 310 Todesfälle mehr pro 100.000 Menschen.
Umfassendes Bild der Folgen der COVID-19-Pandemie
„Insgesamt erhalten wir durch unsere Ergebnisse ein umfassendes Bild der Folgen der COVID-19-Pandemie“, resümiert Kobak. „Wir hoffen, dass wir so ein besseres Verständnis der Pandemie erlangen und sich der Erfolg verschiedener Eindämmungsmaßnahmen besser erfassen lässt.“ Die ständig aktualisierten Datenbestände sollen in Zukunft auch anderen Forschungsteams für weitere Studien zur Verfügung gestellt werden. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Ariel Karlinsky and Dmitry Kobak: Tracking excess mortality across countries during the COVID-19 pandemic with the World Mortality Dataset; in: eLife, 2021, elifesciences.org
- Eberhard Karls Universität Tübingen: Globale Studie zur Sterblichkeit in der COVID-19-Pandemie (veröffentlicht: 03.08.2021), idw-online.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.