Kann man durch eine Corona-Impfung unfruchtbar werden?
Nach einer Corona-Impfung bemerken einige Frauen Zyklusunregelmäßigkeiten. Im Netz kursieren zudem Gerüchte, dass eine Corona-Impfung unfruchtbar machen kann. Ist die Sorge berechtigt oder handelt es sich hierbei um einen Mythos? Eine Expertin für Reproduktionsmedizin erklärt den Zusammenhang.
Professorin Dr. med. Bettina Toth ist seit dem Jahr 2016 Direktorin der Universitätsklinik für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin an der Medizinischen Universität Innsbruck (Österreich). In einem aktuellen Beitrag der Klinik klärt die Expertin darüber auf, ob eine Corona-Impfung tatsächlich unfruchtbar machen kann.
Wie entstehen Zyklusunregelmäßigkeiten nach der Impfung?
„Jede Impfung löst eine Immunreaktion aus, da sich das Immunsystem mit dem Virus beziehungsweise den Viruspartikeln auseinandersetzt, auch wenn es eine abgeschwächte Form davon ist“, erläutert Toth. Das sei nicht schlimm und komme auch bei anderen Infektionskrankheiten wie der Grippe vor.
„Das Immunsystem wird stimuliert und die Prozesse, die dabei im Körper ablaufen, können dazu führen, dass sich zum Beispiel die Periode verschiebt“, so die Medizinerin. Abgesehen davon könne auch ein Körpertemperaturanstieg beziehungsweise Fieber Veränderungen mit sich bringen, die zu Zyklusunregelmäßigkeiten führen.
Kann eine Corona-Impfung die Fruchtbarkeit beeinflussen?
„Es wurde schon früher ganz häufig behauptet, dass Impfungen Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit haben“, kommentiert Toth. Die Sorge, dass die Corona-Impfung unfruchtbar machen könnte, rühre daher, dass Teile der Virushülle – das so genannte Spike-Protein – in der Impfung enthalten sind, die dem Plazenta-Protein Syncytin-1 ähnlich seien. Dieses Protein sei wiederum für die Bildung des Mutterkuchens zuständig.
„Nun befürchtet man, dass Antikörper, die gegen das Spike-Protein gebildet werden, aufgrund der Ähnlichkeit theoretisch auch Syncytin-1 angreifen könnten und so das Wachstum des Mutterkuchens stören“, berichtet die Klinikdirektorin. Diese Befürchtung sei mittlerweile eindeutig durch wissenschaftliche Untersuchungen ausgeräumt. „Die Corona-Impfung macht nicht unfruchtbar, genauso wenig wie ein Schnupfen oder Durchfall unfruchtbar machen“, verdeutlicht Toth.
Kann eine Corona-Infektion die Fruchtbarkeit beeinflussen?
„Es gibt deutlich weniger Studien über die langfristigen Folgen eines schweren Corona-Verlaufs auf die Fruchtbarkeit von Frauen als auf jene von Männern“, schildert die Professorin. Zum einen liege das daran, dass ein sogenanntes Spermiogramm, also eine Analyse der Spermien, sehr einfach und unabhängig von einem Kinderwunsch erstellt werden kann. Zum anderen gebe es nur wenige Frauen, die im relevanten Alter für eine Schwangerschaft schwere Corona-Verläufe entwickeln, die auf einer Intensivstation behandelt werden müssen.
„Bei den Männern, die eine Intensivbetreuung wegen COVID-19 benötigt haben, konnten im Spermiogramm jedoch Beeinträchtigungen der Spermien in Beweglichkeit, Konzentration und Morphologie, also Schwanz-Kopf-Geißel-Defekte, festgestellt werden“, so Dr. Toth. Das sei aber keine Besonderheit einer SARS-CoV2-Infektion, sondern das passiere bei jedem Mann, der in einem lebensbedrohlichen Zustand ist.
Unter anderem sei dies auch der Einfluss von lebenserhaltenden Medikamenten, die oft auf einer Intensivstation eingesetzt werden. Letztendlich könne erst in ein paar Jahren eindeutig festgestellt werden, ob ein schwerer Corona-Verlauf die Fruchtbarkeit von Männern langfristig senkt.
Beeinflussen milde Corona-Verläufe die Fruchtbarkeit?
„Bei den Frauen, die eine – zumeist milde – Corona-Infektion gehabt haben, sehen wir derzeit weder kurz- noch langfristige Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit. Bei den Männern mit leichten Verläufen ist es ebenso“, versichert die Expertin für Reproduktionsmedizin. Laut Toth wurden bei schweren Infektionen leichte bis mittelgradige Veränderungen des Spermiogramms in Studien beschrieben. Diese normalisierten sich aber in den meisten Fällen wieder im Lauf der Zeit. Hierzu gebe es aber noch zu wenige Daten und Beobachtungen, um eine genaue Aussage zu treffen.
Was sollten Frauen mit Thromboseneigung beachten?
„Generell kommt eine vererbte Form der Thromboseneigung bei zwei bis fünf Prozent der Frauen vor“, erklärt die Professorin. Am häufigsten sei die so genannte Faktor-V-Leiden-Mutation, die eine Veränderung des Blutgerinnungssystems hin zu einer Thromboseneigung darstellt. Die in Zusammenhang mit der Corona-Infektion beziehungsweise der COVID-Impfung sehr selten auftretende Sinusvenenthrombose entstehe jedoch aufgrund einer Antikörperbildung gegen Blutplättchen im Zuge der Immunreaktion.
Diese „falsche“ Reaktion des Immunsystems komme auch bei anderen Infektionserkrankungen wie beispielsweise den Masern vor und zwar sowohl bei einer Infektion als auch nach einer Impfung gegen Masern. Nach Angaben der Gesellschaft für Thrombose und Hämostaseforschung spielt eine vererbte Thromboseneigung „nach heutigem Kenntnisstand keine Rolle für die Entwicklung einer Thrombose nach der Impfung“.
Hat die Einnahme der Pille Einfluss auf die Impfung?
Wie die Gesellschaft für Thrombose und Hämostaseforschung berichtet, gibt es „keine Anhaltspunkte dafür, dass die Einnahme der klassischen Pille das Risiko für eine Thromboseentwicklung aufgrund einer Immunreaktion nach Impfung mit der Astra Zeneca Vakzine erhöht“. Zudem habe das Absetzen der Pille keine präventive Wirkung.
Corona-Impfung bei Kinderwunsch?
„Wir empfehlen Frauen, sich vor der Verwirklichung des Kinderwunsches impfen zu lassen und dann noch vier Wochen zu warten“, rät Dr. Toth. Wenn die Frau bereits schwanger ist, empfiehlt die Medizinerin eine Impfung ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel.
Besonders ratsam ist Toth zufolge eine Impfung für Frauen mit einem hohen Risiko für einen schweren Infektionsverlauf in der Schwangerschaft. Dies sei besonders der Fall, wenn während der Schwangerschaft Adipositas, Diabetes oder Bluthochdruck vorliegt oder wenn die Schwangere anfällig für Infektionskrankheiten ist.
„Die Antikörper der geimpften Mutter gehen damit auf das Kind über und bieten ihm einen passiven Schutz“, betont die Expertin. In der Stillzeit könne man sich laut Toth jederzeit impfen lassen und auch hier sei ein Antikörpernachweis beim gestillten Neugeborenen nach Impfung der Mutter feststellbar. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Medizinische Universität Innsbruck: „Die Corona-Impfung macht genauso wenig unfruchtbar wie ein Schnupfen“ (veröffentlicht: 04.08.2021), i-med.ac.at
- Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung e.V.: Covid-19-Info (Abruf: 04.08.2021), gth-online.org
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.