Fettgewebe ein wichtiger Vervielfältigungsort von SARS-CoV-2
Es ist schon länger bekannt, dass starkes Übergewicht (Adipositas beziehungsweise Fettleibigkeit) das Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf erhöht. Forschende haben nun eine wichtige Rolle des Fettgewebes für die Virusvermehrung von dem Coronavirus SARS-CoV-2 nachgewiesen. Ihre Ergebnisse zeigen auch neue therapeutische Strategien zur Behandlung von Corona-Infektionen auf.
Fettleibigkeit (Adipositas) ist ein wichtiger Risikofaktor für schwere Krankheitsverläufe bei Patientinnen und Patienten mit COVID-19. Laut einer aktuellen Mitteilung konnte ein multidisziplinäres Forschungsteam aus dem Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie (HPI) und dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) jetzt eine wichtige Rolle des Fettgewebes für die Virusvermehrung von SARS-CoV-2 nachweisen. Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift „Cell Metabolism“ veröffentlicht.
Risikofaktor für schwere Krankheitsverläufe
Überhöhtes Körpergewicht stellt weltweit eine schwerwiegende Bedrohung für die öffentliche Gesundheit dar. Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge hat die Prävalenz der Adipositas in den letzten Jahrzehnten dramatisch zugenommen und mittlerweile epidemische Ausmaße angenommen.
Etwa 39 Prozent der Erwachsenen (über 18 Jahre) sind demnach übergewichtig (BMI über 25 kg/m2) und 13 Prozent adipös (BMI über 30 kg/m2). Geschätzt sind 19 Prozent der Kinder und Jugendlichen übergewichtig und sieben Prozent adipös. Die Prävalenzen können länderabhängig erheblich variieren.
In der COVID-19-Pandemie hat sich wiederholt gezeigt, dass Fettleibigkeit ein Risikofaktor für schwere Krankheitsverläufe darstellt. Allerdings war die Rolle des Fettgewebes für die Virusinfektion und Virusvermehrung von dem Coronavirus SARS-CoV-2 sowie mögliche Konsequenzen für den Stoffwechsel zu großen Teilen ungeklärt. Dieser Fragestellung wurde jetzt in einer multidisziplinär angelegten Studie nachgegangen.
SARS-CoV-2 oft im Fettgewebe nachweisbar
Das Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Gülşah Gabriel (HPI) und Prof. Dr. Jörg Heeren (UKE) konnte in Autopsieproben von COVID-19-Verstorbenen zeigen, dass SARS-CoV-2 oft im Fettgewebe von COVID-19-Patientinnen und -Patienten nachweisbar ist.
Bemerkenswerterweise wurde das Virus vorwiegend im Fettgewebe von männlichen Personen nachgewiesen, die übergewichtig oder fettleibig waren. Bei weiblichen Personen wurde der Erreger ebenfalls in Fettgeweben nachgewiesen, wobei es keine eindeutige Korrelation zwischen der Fettmasse und den Virus-mRNA-Spiegeln gab.
Zudem wurde in einem präklinischen Modell einer COVID-19-Erkrankung gezeigt, dass sich SARS-CoV-2 vom Respirationstrakt ausgehend in das Fettgewebe ausbreitet und sich dort weiter vermehrt. Das führt zu einer lokalen Entzündung und hat Folgen für den gesamten Stoffwechsel.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die bei Patienten mit COVID-19 beschriebenen Veränderungen des Stoffwechsels durch die SARS-CoV-2-Infektion der Fettgewebe erklärbar sind“, so Jörg Heeren, Professor für Immunstoffwechsel am Institut für Biochemie und Molekulare Zellbiologie des UKE.
Virusreplikation reduziert
Des Weiteren konnte in reifen Adipozyten (Fettzellen) in Zellkultur gezeigt werden, dass der intrazelluläre Fettstoffwechsel für die Ausbreitung von SARS-CoV-2 ein maßgeblicher Faktor ist. So reduziert die Blockierung des Fettabbaus durch einen Lipase-Inhibitor die Virusreplikation in reifen Adipozyten um das 100-fache.
Durch die gleichzeitige Verabreichung eines Medikamentes, das zur Cholesterin-Senkung eingesetzt wird, konnte die Replikation sogar noch weiter unterdrückt werden.
„Da es sich dabei um zwei bereits gegen andere Krankheitsbilder zugelassene Wirkstoffe handelt, könnten unsere Ergebnisse eine Basis für neue Behandlungsstrategien gegen COVID-19 darstellen“, sagt Gülşah Gabriel, Leiterin der HPI-Abteilung „Virale Zoonosen – One Health“ und Professorin für Virologie an der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo). (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo), Heinrich-Pette-Institut – Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie: Fettgewebe wichtiger Replikationsort von SARS-CoV-2, (Abruf: 15.12.2021), TiHo
- Martin Zickler, Stephanie Stanelle-Bertram, Sandra Ehret, Fabian Heinrich, Philine Lange, Berfin Schaumburg, Nancy Mounogou Kouassi, Sebastian Beck, Michelle Y. Jäckstein, Oliver Mann, Susanne Krasemann, Maria Schröder, Dominik Jarczak, Axel Nierhaus, Stefan Kluge, Manuela Peschka, Hartmut Schlüter, Thomas Renné, Klaus Püschel, Andreas Klötgen, Ludger Scheja, Benjamin Ondruschka, Jörg Heeren & Gülşah Gabriel: Replication of SARS-CoV-2 in adipose tissue determines organ and systemic lipid metabolism in hamsters and humans; in: Cell Metabolism, (veröffentlicht: 10.12.2021), Cell Metabolism
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.