Immunität und Reinfektionen nach COVID-19
Können Menschen nach einer Coronainfektion erneut COVID-19 entwickeln und wenn ja, wie lange hält eine mögliche Schutzwirkung an? Der nachfolgende Artikel fasst den bisherigen Wissensstand zu Reinfektionen und Immunität zusammen.
Die Frage, ob und wann Menschen nach einer Coronavirus-Infektion erneut an COVID-19 erkranken können, ist nicht nur wichtig für das Verständnis der Erkrankung, sie spielt außerdem auch eine entscheidende Rolle bei den Anforderungen an mögliche Impfstoffe.
Erneutes Auftreten von COVID-19 nach vorheriger Erkrankung
Bereits im Frühjahr gab es einige Fälle, bei denen das Coronavirus nach einem negativen Test einige Wochen später erneut nachgewiesen werden konnte. Es gibt in solchen Fällen verschiedene mögliche Erklärungen: Das Virus könnte weiter im Körper vorhanden sein, wodurch die Erkrankung später erneut wieder auftritt. Aber auch die Ergebnisse des Tests können irreführend sein, wenn beispielsweise totes Virenmaterial nachgewiesen wurde.
Fälle einer Reinfektion?
Es gab einige wissenschaftlich dokumentierte Fälle von Erkrankungen bei Personen in Belgien, den Niederlanden, den USA, Ecuador und Hongkong, welche innerhalb von Wochen oder Monaten nach einer Infektion mit Sars-CoV-2 erneut erkrankten. Dabei handelt es sich nach den Angaben der Forschenden recht sicher um Reinfektionen.
Unterschiede im genetischen Code
Der genetische Code (eine Art Fingerabdruck des Virus) unterschied sich bei der zweiten Infektion deutlich von der ersten. Dies spreche gegen ein Wiederaufflammen der ersten Infektion, berichtet Marion Koopmans, Virologin und Beraterin der niederländischen Regierung gegenüber Deutschlandfunk.
Außerdem wurde auch bei neu erkrankten Menschen aus Belgien ein anderer genetischer Fingerabdruck festgestellt. Diese waren bereits drei Monate nach der ersten Infektion erneut wieder erkrankt, fügt die Expertin hinzu.
Die University of Hong Kong berichtete über einen Mann, der sich nach viereinhalb Monaten erneut infiziert hatte. Bei dieser Person wurden ebenfalls andere Virussequenzen identifiziert als bei der Erstinfektion, berichten die Forschenden. Bei einem Fall in den USA und in Ecuador war dies genauso der Fall.
Wie schwer verlief eine zweite Infektion?
Es wurden erst drei Fälle von Reinfektionen sicher dokumentiert, im Fall des Mannes aus Hongkong ist bekannt, dass er bei der zweiten Infektion keine Symptome gezeigt hat. Im Fall der weiblichen Patientin in Belgien spricht der Virologe Marc Van Ranst von milden Symptomen. In den Niederlanden ist ein älterer Mann mit einem schwachen Immunsystem betroffen, Einzelheiten zu seinem Krankheitsverlauf sind nicht bekannt.
Es könne sein, dass der Verlauf bei einer zweiten Infektion zumindest leichter ist oder dass man nicht mehr ansteckend ist, so Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, gegenüber dem Deutschlandfunk.
Beispiele einer schwereren zweiten Infektion
Die Fälle aus den USA und Ecuador sprechen allerdings gegen diese Vermutung. In den USA wurde die betroffene Person im April nach milderen Erkältungssymptomen und Durchfall positiv auf Sars-CoV-2 getestet. Ende Mai erfolgte erneut ein positiver Test, wobei Fieber, Kopfweh und Husten auftraten und die betroffene Person sogar zeitweise beatmet werden musste. Bei der Person aus Ecuador traten bei der ersten Infektion im Mai nur milde Symptome auf. Bei der erneuten Erkrankung im August nahm die Erkrankung dagegen einen mittelschweren Verlauf.
Wie lange hält Immunität nach Infektion an?
In einem Beitrag des Deutschlandfunks mit dem Titel Forschung aktuell wurde zudem über neue Untersuchungen der Harvard Medical School und der Universität Toronto berichtet, welche Antikörper gegen des Coronavirus in den Mittelpunkt stellen. Bei den Forschungsarbeiten wurden mehr als 300 infizierte Personen untersucht.
Die Fachleute stellten fest, dass bei den meisten infizierten Menschen Antikörper im Blut und im Speichel nachweisbar waren. Allerdings fanden die Forschenden die größte Menge an Antikörpern zwei bis vier Wochen nach der Infektion, später sinkt die Menge der Antikörper ab.
Dauer von Immunschutz ist nur schwer zu bestimmen
Bei fast allen infizierten Personen waren nach drei Monaten weiterhin Antikörper vorhanden, bei manchen Menschen auch noch nach sechs Monaten, aber in einer geringeren Konzentration. Trotzdem ist daraus nur schwer abzuleiten, ob und wie lange der Immunschutz bestehen bleibt, weil neben den Antikörpern noch weitere Faktoren (beispielsweise die generelle Stärke des Immunsystems) eine wichtige Rolle spielen, erläutert das Robert Koch Institut (RKI).
Keine Antikörper nach Infektion?
Die Beantwortung der Frage, ob es einen natürlichen Immunschutz gibt und wie lange dieser vorliegen könnte, wird dadurch erschwert, dass bei einigen nachweislich infizierten Personen gar keine Antikörper identifiziert wurden, wie eine Untersuchung des Universitätsklinikums Jena zeigt. Eine Untersuchung des Lübecker Gesundheitsamts stellte ebenfalls fest, dass nur 70 Prozent der Erkrankten Antikörper gebildet hatten, 30 Prozent aber nicht.
Aber nicht nur Antikörper sind wichtig für die Bekämpfung einer Infektion auch sogenannte T-Helferzellen spielen eine wichtige Rolle. Diese Zellen merken sich über Jahre hinweg, welche Erreger der Körper erfolgreich bekämpft hat. Tests zur Feststellung dieser Immunzellen sind wesentlich aufwendiger als Antikörpertests, erklärt Gerard Krause vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung im Deutschlandfunk.
Keine Antikörper aber T-Zell-Immunität
Auch die Forschenden des Karolinska Instituts in Stockholm suchten bei einer kleinen Untersuchung der Blutproben von 2.000 Menschen nach Hinweisen auf eine T-Zell-Immunität gegen Sars-CoV-2. So stellten sie fest, dass einige Menschen zwar keine Antikörper hatten, aber dennoch eine T-Zell-Immunität aufwiesen. Dies galt vor allem für Personen, die nur sehr milde oder kaum nachweisbare Symptome aufwiesen.
Der tatsächliche Prozentsatz von Menschen, welche bereits an COVID-19 erkrankt waren und wohl vorerst immun sind, könnte also höher liegen, als Antikörper-Studien nahelegen, berichten die Forschenden.
Ab wie vielen Antikörpern tritt Immunität auf?
Es ist unklar, ab welcher Menge der Antikörperproduktion eine Immunität erreicht ist und wie lange diese anhält. Außerdem ist bisher nur bei dem Impfstoffkandidaten von der Universität Oxford und AstraZeneca klar, dass durch die Impfung auch passende T-Gedächtniszellen gebildet werden, was für eine langfristige Immunität durchaus relevant wäre. (as)
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Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.