Unterschiedliche Wirkung der Maßnahmen gegen COVID-19
Auf die zweite Welle der Coronavirus-Infektionen hat Deutschland mit einem erneuten weitreichenden Lockdown reagiert, wobei jedoch die Wirkung der einzelnen Maßnahmen durchaus umstritten bleibt. In einer aktuellen Studie wurde nun deutlich, dass vor allem die Beschränkung von Versammlungen, aber auch die Schulschließungen offenbar besonders wirksame Maßnahmen sind.
Während bei Ausbruch der COVID-19-Pandemie Anfang des Jahres und anschließenden Lockdown das Gesamtpaket der Maßnahmen schnell zu einem Rückgang der Infektionen mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 geführt hat, war der Teillockdown im November deutlich weniger erfolgreich. Hier stellt sich die Frage, welche Maßnahmen den größten Nutzen bei der Eindämmung der Infektionen haben. Ein intenationales Forschungsteam unter Leitung von Jan M. Brauner von der University of Oxford hat dies in einer aktuellen Studie untersucht und seine Ergebnisse in dem Fachmagazin „Science“ veröffentlicht.
Nicht-pharmazeutische Maßnahmen
Die erste Welle der COVID-19-Pandemie konnte mit unterschiedlichen sogenannte nicht-pharmazeutische Maßnahmen (NPI) in vielen Ländern relativ erfolgreich eingedämmt werden. Das Forschungsteam der Universität Oxford hat nun anhand der Daten aus 41 überwiegend europäischen Ländern untersucht, welche Wirkung die verschiedenen Einzelmaßnahmen auf den sogenannten R-Wert hatten. Dieser spiegelt wider, wie viele andere Menschen eine infizierte Person ansteckt.
Die Wirkung von sieben verschiedenen NPI während des Zeitraums vom 22. Januar 2020 bis 30. Mai 2020 hat das Forschungsteam untersucht, wobei die direkten Auswirkungen auf die COVID-19-Fälle allerdings nur bedingt nachvollziehbar waren. Denn beispielsweise haben die meisten Länder Universitäten und Schulen gleichzeitig geschlossen, sodass diese beiden NPI nicht zu trennen waren, erläutert das Deutsche Ärzteblatt in einem Beitrag zu den Studienergebnissen.
Auch hätten manche Maßnahmen in der Studie keine Berücksichtigung gefunden, da sie stark von der Eigeninitiative der Bevölkerung und von kulturellen Faktoren abhängen. Dies gelte beispielsweise für das Tragen von Masken oder die physische Distanz zu Mitmenschen.
Beschränkung von Versammlungen
Den Berechnungen der Forschenden zufolge zeigte während der ersten Infektionswelle vor allem die Beschränkung der Versammlungen auf unter zehn Personen einen deutlichen Effekt auf die SARS-CoV-2-Infektionen. Die Beschränkung von Versammlungen auf maximal zehn Personen hat die Reproduktionszahl des Virus (Rt) um 42 Prozent gesenkt, schreibt das Deutsche Ärzteblatt. Wenn nur Veranstaltungen von 1.000 Personen oder weniger verboten wurden, sei die Reproduktionszahl indes nur um 23 Prozent gesunken.
Schließung von Bildungseinrichtungen
Die Schließung von Schulen und Universitäten hatte während der ersten Infektionswelle ebenfalls eine deutliche Wirkung. So ging die Reproduktionszahl hierdurch um 38 Prozent zurück. Wirksam war vermutlich auch die Schließung von Geschäften mit einem hohen Face-to-Face-Risiko (etwa Restaurants, Bars, Nachtclubs, Kinos und Fitness-Center), die den Rt-Wert um 18 Prozent senkte. Dies sei allerdings anhand der vorliegenden Daten nicht ausreichend belegbar. Gleiches gilt für die Schließung aller nicht-essenziellen Geschäfte, die den Rt-Wert um 27 Prozent senkte.
Ausgangssperren mit geringer Wirkung
Den geringsten Effekte hatten laut Aussage des Forschungsteams Ausgangssperren, durch die der Rt-Wert nur um 13 Prozent sank. Insgesamt sei mit dem Gesamtpaket der ergriffenen Maßnahmen in allen Ländern jedoch eine Senkung des Rt-Werts um 77 Prozent erreicht worden, was ausgereicht habe, den R-Wert unter 1 zu senken, berichtet das Deutsche Ärzteblatt.
Nach Ansicht der Forschenden könnte vor allem durch die Beschränkung von Versammlungen auf weniger als zehn Personen, die Schließung aller Bildungseinrichtungen und die Schließung von Geschäften mit vielen Face-to-Face-Kontakten eine deutliche Eindämmung der Infektionen erreicht werden. Vorausgesetzt die Maßnahmen entfalten eine ähnliche Wirkung wie bei der ersten Infektionswelle. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Jan M. Brauner, Sören Mindermann, Mrinank Sharma, David Johnston, John Salvatier, Tomáš Gavenčiak, Anna B. Stephenson, Gavin Leech, George Altman, Vladimir Mikulik, Alexander John Norman, Joshua Teperowski Monrad, Tamay Besiroglu, Hong Ge, Meghan A. Hartwick, Yee Whye Teh, Leonid Chindelevitch, Yarin Gal, Jan Kulveit:: Inferring the effectiveness of government interventions against COVID-19; in: Science (veröffentlicht 15.12.2020), science.sciencemag.org
- Deutsches Ärzteblatt: COVID-19: Welche Maßnahmen die Erkrankungswelle am ehesten brechen könnten (veröffentlicht 16.12.2020), aerzteblatt.de
Wichtiger Hinweis:
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