COVID-19: Belastung der Intensivstationen reduzieren
Die Zahl der Menschen, die sich mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 anstecken, steigt rasant an. Besonders problematisch ist, dass auch immer mehr Infizierte schwer an COVID-19 erkranken und intensivmedizinisch behandelt werden müssen. Fachleute zeigen nun, wie die vierte Welle gebrochen werden könnte.
Die aktuelle Corona-Situation ist äußerst kritisch. Die exponentiell steigenden Inzidenzen sind direkt mit der Belegung auf den Intensivstationen gekoppelt, heißt es in einer aktuellen Stellungnahme eines interdisziplinären Teams von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland, Österreich und den Niederlanden. Um einer dauerhaften Überlastung der Intensivstationen entgegenzuwirken, ist insbesondere das Impfen sowie die Verbesserung des Impfschutzes durch eine Dritt-Impfung nachhaltig wirksam.
Boosterimpfung verstärkt den Impfschutz noch zusätzlich
Durch eine dritte Impfung für 50 Prozent der Menschen, die bereits doppelt gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft sind, könnte teilweise wettgemacht werden, dass sich zu viele Menschen gar nicht impfen lassen wollen, erklärt die Max-Planck-Gesellschaft in einer Mitteilung.
Die sogenannte Boosterimpfung frischt zum einen den Schutz der doppelten Impfung auf, die bereits nach etwa fünf Monaten nachlässt und auch die Übertragung des Virus nicht mehr so wirksam verhindert wie anfangs.
Zum anderen verstärkt eine dritte Impfung den Impfschutz noch zusätzlich. Allerdings müsste die Kampagne der Drittimpfungen rascher vonstattengehen als diejenige der Erst- und Zweitimpfungen, bei der in diesem Sommer pro Tag maximal ein Prozent der Bevölkerung geimpft wurde.
Dann kann der erhöhte Schutz der dreifach Geimpften den rasanten Anstieg der Neuinfektionen rasch bremsen und damit die Belastung von Intensivstationen durch COVID-19-Erkrankte bald reduzieren.
Zu diesem Schluss kommt das Team um Viola Priesemann, Leiterin einer Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen, in der Stellungnahme, in der die aktuelle epidemiologische Lage analysiert und Handlungsoptionen skizziert werden, um die vierte Coronawelle zu brechen und eine Überlastung von Intensivstationen zu verhindern.
Politik hätte früher reagieren müssen
Martin Stratmann, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft unterstützt die Aussagen der Stellungnahme: „Wir sind sehenden Auges in die derzeitige Situation geraten, die für einen Großteil der Bevölkerung unerträglich und gefährlich ist.“ Und: „Die Politik hätte viel früher auf die eindeutigen Analysen der Wissenschaft reagieren und bundesweit eine konsequente 2G beziehungsweise 3G-Regelung einführen müssen.”
Besonders Personen mit hohem Risiko schützen
Wie die Autorinnen und Autoren in ihrer Veröffentlichung schreiben, könnte in der jetzigen Situation eine Boosterimpfung nicht nur die Ausbreitung des Coronavirus bremsen, sondern auch den Anteil der Personen, die bei einem Impfdurchbruch intensivmedizinisch behandelt werden müssen, im Vergleich zu den Menschen mit doppelter Impfung auf etwa ein Zehntel reduzieren – und zwar in allen Altersgruppen.
Besonders wichtig sei die Boosterimpfung zwar laut den Fachleuten für die ältere Hälfte der Bevölkerung und Risikopersonen. Um der immer schnelleren Ausbreitung des Virus zu begegnen, sollten jedoch auch andere Personengruppen die dritte Impfung erhalten, und nicht unbedingt erst ein halbes Jahr nach ihrer Zweitimpfung.
Ob eine generelle Impfpflicht für alle die erwartete Wirkung entfalten würde, hält das Team dagegen nicht für garantiert. Für eine deutliche Wirkung müsste diese flächendeckend durchgesetzt sowie eine Missachtung mit empfindlichen Strafen geahndet werden müsse.
Andernfalls bestehe die Gefahr, dass eine generelle Impfpflicht zögerliche Menschen eher abschrecke, und überzeugte Impfgegnerinnen und -gegner auch nicht erreiche – da diese dann lieber die Strafe bezahlten als sich impfen zu lassen.
Anders sei ein Impfgebot am Arbeitsplatz vor allem in Berufen zu bewerten, die engen körperlichen Kontakt zu vulnerablen Gruppen mit sich bringen. Ein solches Gebot könne Personen mit hohem Risiko für den schweren Verlauf eine COVID-19-Erkrankung schützen, brächte aber auch Herausforderungen für den Zusammenhalt am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft mit sich.
Regelmäßige Tests
Als weitere Mittel gegen die vierte Coronawelle und eine Überlastung des Gesundheitssystems sehen die Forschenden Tests auf eine Coronainfektion vor – insbesondere bei Verdachtsfällen und vor Treffen mit vulnerablen Personen. Und das nicht nur für Ungeimpfte, sondern auch für geimpfte sowie genesene Menschen mit länger zurückliegender Impfung.
Besonders aussagekräftig seien dabei zwar PCR-Tests, aber auch Schnelltests könnten in der derzeitigen Situation sehr hilfreich sein: Würde jede Person etwa einen Schnelltest pro Woche machen, könnte die Pandemie eingedämmt werden, heißt es in der Stellungnahme.
Hilfreich könnten auch regelmäßige Tests in Schulen und am Arbeitsplatz sein. Dies seien jedoch nur Überbrückungsmaßnahmen zur Entlastung des Gesundheitssystems, bis die Impflücke besser geschlossen und das Boostern deutlich vorangeschritten sei.
Inzidenz innerhalb von zwei Wochen um 75 Prozent reduzieren
Zudem weisen die Forschenden auf die epidemiologischen Vorteile der 2G-Regel etwa für die Teilnahme an Veranstaltungen und für Restaurantbesuche hin.
Schließlich plädieren sie dafür, frühzeitig Pläne für einen Not-Schutzschalter zu formulieren, egal ob er gebraucht werde oder nicht: Wenn es die Lage in den Krankenhäusern und die damit verknüpften Infektionszahlen erforderten, das Infektionsgeschehen rasch und wirkungsvoll einzudämmen, sollten Maßnahmen zum Infektionsschutz nur gebündelt angewendet werden, denn nur so brächten sie in kürzester Zeit einen deutlichen Effekt.
Dies würde bedeuten, Home-Office, eine Pflicht zu engmaschigen Tests am Arbeitsplatz, die Reduktion der Gruppengrößen in Kindergärten, Schulen und am Arbeitsplatz, die Schließung beziehungsweise Beschränkung von Geschäften, Restaurants, Dienstleistungen und Veranstaltungen und eine deutliche generelle Reduktion von Kontakten am Arbeitsplatz, in der Öffentlichkeit und im privaten Bereich gleichzeitig vorzunehmen, um sie dann nach kürzester Zeit, also nach ein bis zwei Wochen wieder aufheben zu können.
Ein solcher Not-Schutzschalter könnte die Inzidenz innerhalb von zwei Wochen um 75 Prozent oder sogar deutlich mehr reduzieren und so das Gesundheitssystem entlasten. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Max-Planck-Gesellschaft: Rasches Boostern könnte die vierte Welle brechen, (Abruf: 13.11.2021), Max-Planck-Gesellschaft
- Max-Planck-Gesellschaft: Stellungnahme: Nachhaltige Strategien gegen die COVID-19-Pandemie in Deutschland im Winter 2021/2022, (Abruf: 13.11.2021), Max-Planck-Gesellschaft
Wichtiger Hinweis:
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