Corona: Worin unterscheiden sich Impfstoffe?
Derzeit ist in Deutschland noch kein Impfstoff gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 zugelassen. Doch in Fachkreisen wird davon ausgegangen, dass Anfang kommenden Jahres hierzulande mit den Impfungen begonnen werden könnte. Zunächst werden wohl vor allem sogenannte m-RNA-Impfstoffe zum Einsatz kommen. Aber wie unterscheiden sich die einzelnen Impfstoffe? Wie schnell wirken sie und wie lange hält die Wirkung?
Großbritannien hat am Dienstag als erstes westliches Land eine Impfkampagne gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 gestartet. Hierzulande ist noch kein Impfstoff gegen den Erreger zugelassen, doch es wird damit gerechnet, dass auch hierzulande in wenigen Wochen mit dem Impfen begonnen wird. Es könnten bald verschiedene Corona-Impfstoffe zur Verfügung stehen. Der Infektiologe Professor Dr. Matthias Stoll von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) klärt in einer aktuellen Mitteilung über den aktuellen Stand in Sachen Corona-Impfstoff auf.
Gegen das Antigen gerichtete Immunantwort
Wie Prof. Stoll erläutert, ist Grundprinzip einer jeden Impfung, dass durch körperfremde molekulare Strukturen („Fremdantigene“) im Körper gezielt eine spezifische, gegen das Antigen gerichtete Immunantwort hervorgerufen wird, die nach dieser Lernphase des Immunsystems später dann schnell und effektiv abgerufen werden kann – zum Beispiel wenn das Fremdantigen auf einem Infektionserreger wiedererkannt wird und verhindert, dass die jeweilige Krankheit ausbricht.
Zu den vielversprechenden Impfstoffarten gehören Lebend- sowie Totimpfstoffe, Vektorimpfstoffe und neuerdings auch mRNA-Impfstoffe. Zu letzteren gehört auch der Impfstoff des deutschen Unternehmens Biontech und seines Partners Pfizer.
Mehrere Wochen bis zur vollständigen Impfwirkung
Auf die Frage von Vanessa Meyer von der Webredaktion der MHH, wie lange es dauert, bis man nach einer Impfung immun ist, erklärt Prof. Stoll, dass eine spezifische Immunantwort – die gewünschte Folge einer Impfung – schon nach wenigen Tagen allmählich in Gang kommt, jedoch etwa zwei Wochen oder etwas länger braucht, bis sie das gewünschte Niveau erreicht.
Dem Experten zufolge gehen fast alle gegen COVID-19 entwickelten Impfungen dann aber noch einen zweiten Schritt, da im Abstand von drei Wochen bis zwei Monaten eine Auffrisch-Impfung erfolgen muss, damit der Impfschutz einerseits höher ist und andererseits deutlich länger anhält. Dies bedeutet, dass die COVID-19-Impfungen erst nach frühestens vier bis sechs Wochen nach der ersten Dosis ihre vollständige Impfwirkung entfalten.
Schutzwirkung hängt von verschiedenen Faktoren ab
Machen alle Impfstoffe in gleicher Weise immun? Laut Prof. Stoll befinden sich derzeit weltweit etwa 50 unterschiedliche Corona-Impfstoffe bereits in klinischer Prüfung. Zwar ruft jedes dieser Mittel eine bestimmte Immunantwort hervor, doch die damit verbundene effektive Schutzwirkung vor einer Infektion hängt von mehreren Faktoren ab.
So spielt etwa die Art des Impfstoffs, beispielsweise als Lebendimpfstoff, Tot-Impfstoff oder RNA-Impfstoff eine Rolle. Dem Infektiologe zufolge führt jedes Impfprinzip zu unterschiedlichen Varianten der Immunabwehr. Lebendimpfstoffe und RNA-Impfstoffe sind demnach besonders gut in der Lage, gleichzeitig mehrere Varianten der spezifischen Immunabwehr zu induzieren, also nicht nur eine Antikörperantwort, sondern auch noch eine zelluläre Immunantwort.
Es kommt aber nicht nur auf den Impfstoff an, sondern auch auf Faktoren bei der zu impfenden Person. Hohes Alter, männliches Geschlecht, bestimmte Erkrankungen oder die Einnahme bestimmter Medikamente sind einige Faktoren, die mit einer weniger ausgeprägten Immunantwort einhergehen. Es wird aber versucht, die Impfstoffe so auszulegen, dass auch unter solchen Bedingungen möglichst noch eine ausreichende Immunantwort hervorgerufen wird.
Wie lange hält die Impfwirkung an?
Für COVID-19 ist noch nicht bekannt, wie lange die Impfwirkung anhält, weil es ja keine Langzeitbeobachtungen gibt. Die Immunreaktionen gegen SARS-CoV-2 scheinen jedoch leider rascher abzunehmen als bei vielen anderen Infektionen.
Ob im gleichen Maße der Immunschutz einer Impfung auch schneller abnimmt, ist bisher aber noch unbekannt. Es könnte also sein, dass möglicherweise regelmäßige Auffrisch-Impfungen durchgeführt werden müssen, wie das auch bei der Grippeimpfung oder Tetanusimpfung der Fall ist.
Impfungen zuerst für Risikogruppen
Da es einige Zeit dauern wird, bis genügend Impfdosen und die Infrastruktur zum Impfen zur Verfügung stehen werden, haben der Nationale Ethikrat und andere Fachinstitutionen empfohlen, zunächst bevorzugt diejenigen zu impfen, die ein stark erhöhtes Risiko haben, schwer an COVID-19 zu erkranken – sowie Personen im Gesundheitswesen und Beschäftigte in sogenannten systemrelevanten Berufen wie etwa in Krankenhäusern.
Prof. Stoll zufolge sollten sich auch Risikopatientinnen und -patienten mit geschwächtem Immunsystem impfen lassen, allerdings müsse hier im Einzelfall geklärt werden, wann ein möglichst günstiger Impfzeitpunkt im Krankheitsverlauf oder Rahmen einer laufenden immunschwächenden Therapie ist. Bei sehr schweren Immundefekten wäre mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt auch die Frage zu klären, ob die Impfung eine Gefährdung bewirken könnte.
Auf die Frage, ob sich auch Menschen impfen lassen sollten, die schon mit dem Virus infiziert waren, sagte der Mediziner, dass ihm bisher nicht bekannt ist, dass man Personen, die bereits COVID-19 hatten, von der Impfung ausschließen wollte. Solch ein Konzept würde auch keinen Sinn machen, da bekannt ist, dass die natürlich erworbene Immunantwort dieser sogenannten Rekonvaleszenten sehr häufig rasch wieder abnahm.
Keine Daten zu möglichen Langzeitnebenwirkungen
Doch wie groß ist die Gefahr von Nebenwirkungen? Leider sind dazu bisher nur sehr grobe und stark zusammenfassende Angaben bekannt. Für Details müsse abgewartet werden, wie die Behörden die vor wenigen Tagen erfolgten Studiendaten aus den ersten Zulassungsanträgen bewerten. Zudem wäre es wünschenswert, dass diese Daten schnell veröffentlicht und diskutiert werden.
Die beiden m-RNA-Impfstoffe der Firmen Biontech/Pfizer und Moderna sollen – übereinstimmend nach den Angaben der Hersteller sowie nach Aussagen von unabhängigen Studienbeobachter-Boards – recht gut verträglich sein. Hauptnebenwirkungen waren eher leichter – zumindest nicht lebensbedrohlicher – Natur und vorübergehend, wie zum Beispiel Kopfschmerzen und/oder Reaktionen an der Einstichstelle.
Allerdings liegen noch keine Daten zu möglichen Langzeitnebenwirkungen vor, da es sich ja um beschleunigte Zulassungen handelt. Dem durch das Fehlen von Langzeitdaten potenziell erhöhten Risiko wird Prof. Stoll zufolge aber Rechnung getragen durch eine verpflichtende und vergleichsweise aufwändige Beobachtung und Dokumentation von Nebenwirkungen bei allen Personen, die mit den neuen Impfstoffen geimpft werden.
Welt ohne AHA-Regeln wird es nicht so schnell geben
Damit eine weltweite Herdenimmunität erreicht werden kann, die im Idealfall bewirkt, dass das neue Coronavirus wieder komplett aus der Menschheit verschwindet, sollten möglichst viele Menschen geimpft werden. Um eine Herdenimmunität gegen SARS-CoV-2 zu erreichen, müssen mindestens 70 bis 75 Prozent der Bevölkerung immun sein.
In Deutschland liegt die Impfbereitschaft allerdings deutlich niedriger und mit diesen geringen Impfquoten wäre laut Prof. Stoll das erhoffte Versetzungsziel in eine Welt ohne Lockdown und AHA-Regeln hierzulande nicht zu erreichen. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Medizinische Hochschule Hannover (MHH): Impfstoff gegen Corona: Was wir aktuell wissen, (Abruf: 09.12.2020), Medizinische Hochschule Hannover (MHH)
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.