Risikobewertung: Welchen Einfluss hat Vitamin D auf COVID-19?
Laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung gibt es Hinweise darauf, dass ein unzureichender Vitamin D-Spiegel mit einem erhöhten Risiko für akute Atemwegsinfekte einhergeht. COVID-19 falle auch darunter, die Datenlage sei jedoch bislang unzureichend. Menschen mit Vitamin D-Mangel könnten von einer zusätzlichen Gabe profitieren. Bislang konnte jedoch nicht gezeigt werden, dass gut versorgte Personen einen Vorteil durch die zusätzliche Einnahme haben.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) veröffentlichte kürzlich eine Stellungnahme, in der das Institut eine Einschätzung darüber abgibt, ob und in welchen Fällen Vitamin D vor COVID-19 schützen oder bei der Behandlung helfen kann.
Vitamin D-Unterversorgung in Deutschland weit verbreitet
Dem Bericht zufolge nehmen gesunde Menschen in Deutschland in der Regel ausreichend Vitamine und Mineralstoffe zu sich. Vitamin D stelle aber eine der wenigen Ausnahmen da. Eine Untersuchung des Robert Koch-Instituts kam zu dem Ergebnis, dass über 60 Prozent der Menschen in Deutschland unterversorgt mit Vitamin D sind – bei rund 30 Prozent liege eine mangelhafte Versorgung vor.
COVID-19 und Vitamin D – unsichere Datenlage
Vitamin D ist wichtig für die Knochen, die Muskelkraft sowie für das Immunsystem. Untersuchungen haben bestätigt, dass ein unzureichender Vitamin D-Serumspiegel mit einem erhöhten Risiko für akute Atemwegsinfekte verbunden ist. Laut dem BfR ist die Datenlage für den Zusammenhang mit COVID-19 aktuell noch unsicher.
„Die Einnahme von Vitamin D-Präparaten zur Vorbeugung einer SARS-CoV-2-Infektion oder eines schweren Verlaufs einer COVID-19-Erkrankung ist daher derzeit nicht begründbar“, schreibt das Institut. Die eigenständige Einnahme von Vitamin D-Präparaten in sehr hohen Dosen könne zudem gesundheitliche Risiken bergen. Höhere Dosierungen sollten nur unter Kontrolle einer Ärztin beziehungsweise eines Arztes sowie unter Berücksichtigung des individuellen Vitamin D-Status erfolgen.
Wie viel Vitamin D ist laut Bundesinstitut unbedenklich?
Nach Angaben des BfR sind Vitamin D-Präparate mit einer Tagesdosis von bis zu 20 Mikrogramm (800 Internationale Einheiten) unbedenklich. Bei diesen Mengen seien keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erwarten. Bei älteren Personen, beispielsweise in Pflegeheimen, sollte eine generelle Einnahme von 20 Mikrogramm Vitamin D pro Tag in Betracht gezogen werden.
Ältere Menschen sollten besonders auf Vitamin D achten
Gerade bei älteren Personen erhöht sich das Risiko für einen Vitamin D-Mangel, da sich das Vitamin unter dem Einfluss von Sonnenlicht in der Haut bildet. Ältere Menschen bewegen sich oft weniger im Freien. Zudem nehme die Vitamin D-Bildung im Alter deutlich ab.
Können Nahrungsergänzungsmittel vor COVID-19 schützen?
In Bezug auf COVID-19 wurde viel drüber diskutiert, ob Nahrungsergänzungsmittel die individuelle Immunabwehr verbessern und vor schweren Verläufen schützen können. „Alle bisher zu diesem Thema durchgeführten Studien zeigen, dass eine ausreichende Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen wichtig für die Immunfunktion des Menschen ist“, bestätigt das BfR. Menschen sollten vor allem darauf achten, sich gesund und abwechslungsreich zu ernähren, empfiehlt das Bundesinstitut. Der tägliche Konsum von Obst und Gemüse sei besonders wichtig.
„Es gibt aber bislang keine Studien, die belegen, dass eine über den Bedarf hinausgehende Aufnahme von Vitaminen und Mineralstoffen gesundheitsförderlich ist“, unterstreicht das BfR. Da die gesunde Bevölkerung in Deutschland über eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung im Allgemeinen ausreichend Vitamine und Mineralstoffe aufnimmt, bestehe in der Regel kein Grund für eine zusätzliche Zufuhr von Vitaminen und Mineralstoffen durch Nahrungsergänzungsmittel.
Betroffene mit schweren COVID-19-Verläufen hatten oft zu wenig Vitamin D
Die Einnahme von Vitamin D könne unter gewissen Bedingungen eine Ausnahme darstellen. „Beobachtungstudien zeigen, dass COVID-19-Patientinnen und -Patienten, insbesondere schwer Erkrankte, häufig zu geringe Vitamin D-Konzentrationen im Blut aufweisen“, schreibt das BfR. Es sei jedoch unklar, ob die niedrigen Vitamin D-Serumspiegel bereits vor der Erkrankung vorlagen oder erst durch die Infektion verursacht wurden.
„Einige Beobachtungsstudien und Interventionsstudien weisen darauf hin, dass sich die Einnahme von Vitamin D-Präparaten positiv auf den Verlauf einer COVID-19-Erkrankung auswirken kann“, so das BfR.
Kein zusätzlicher Nutzen bei ausreichendem Vitamin D-Spiegel
Unterm Strich kommt das BfR unter Berücksichtigung der aktuellen Datenlage zu dem Schluss, dass eine gute Vitamin D-Versorgung wichtig ist. Für Personen mit einem angemessenem Vitamin D-Status könne ein zusätzlicher Nutzen bisher nicht belegt werden. Eine generelle Empfehlung zur Vorbeugung von akuten Atemwegserkrankungen durch die Einnahme von Vitamin D-haltigen Präparaten sei derzeit nicht begründbar, wenn keine Unterversorgung vorliegt.
Alternativen zu Präparaten
Am besten kann man dem BfR zufolge den Vitamin D-Spiegel durch die Eigensynthese der Haut bei körperlichen Aktivitäten im Freien auffüllen. 80 bis 90 Prozent des Vitamin D-Bedarfs könne so gedeckt werden. Hinzu sollte ein- bis zweimal wöchentlich fetter Seefisch wie Hering oder Lachs verzehrt werden. Insbesondere in den Wintermonaten könne eine zusätzliche Aufnahme von Vitamin D für bestimmte Personengruppen jedoch sinnvoll sein.
Welche Personen haben häufig zu wenig Vitamin D?
Zu den Risikogruppen für Vitamin D-Unterversorgung gehören laut BfR Personen,
- die sich kaum oder gar nicht im Freien aufhalten,
- die den Körper gänzlich durch Kleidung bedecken,
- die eine dunkle Hautfarbe haben (ein hoher Gehalt des Hautpigments Melanin senkt die Vitamin D-Bildung),
- die über 60 Jahre alt sind,
- die chronisch krank sind,
- die pflegebedürftig sind.
Wie hoch ist die empfohlene Maximalzufuhr von Vitamin D?
Das BfR weist darauf hin, dass die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine tolerierbare Gesamtzufuhrmenge für Vitamin D in Höhe von 100 Mikrogramm (4.000 Internationale Einheiten) pro Tag für Erwachsene und Kinder ab 11 festgelegt hat. Für jüngere Kinder sollte laut EFSA eine Menge von 50 Mikrogramm (2.000 Internationale Einheiten) pro Tag nicht überschritten werden. Diese Menge beziehe sich auf die Gesamtzufuhr inklusive aller Quellen, also auch Sonnenlicht und Lebensmittel.
Bei einer regelmäßigen täglichen Aufnahme von Vitamin D oberhalb der Maximalzufuhr
steige das Risiko für unerwünschte Wirkungen wie beispielsweise die Bildung von Nierensteinen oder Nierenverkalkung.
Vitamin D aus medizinischen Gründen
Aus medizinischen Gründen könne laut BfR unter bestimmten Bedingungen auch eine hochdosierte Einnahme sinnvoll sein. Diese sollte stets unter ärztlicher Kontrolle erfolgen. „Fallberichte haben gezeigt, dass die unkontrollierte Einnahme von Vitamin D-Präparaten in Eigenregie in sehr hohen Dosen schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben kann, wie zum Beispiel akutes Nierenversagen“, warnt das BfR. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Bundesinstitut für Risikobewertung: Vitamin D, das Immunsystem und COVID-19 8veröffentlicht: 14.05.2021), bfr.bund.de
- Robert Koch-Institut: Vitamin-D-Status in Deutschland (2016), edoc.rki.de
- Robert Koch-Institut: Antworten des Robert Koch-Instituts auf häufig gestellte Fragen zu Vitamin D (Stand 25.1.2019), rki.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.