Der Anfang des Jahres eingeführte einkommensabhängige Zusatzbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung entzweit zunehmend das Lager der Krankenkassen. Der Vorstandsvorsitzende der drittgrößten deutschen Kasse, Herbert Rebscher, kritisiert jetzt: “Unsinniger Preiswettbewerb und schleichender Rückzug der Arbeitgeber aus der Finanzverantwortung sind die Ergebnisse der Einführung von Zusatzbeiträgen in der gesetzlichen Krankenversicherung. Da eine konsequente ordnungspolitische Ausrichtung fehlt, gerät zusehends das eigentliche Ziel einer sozialen Krankenversicherung aus dem Blick.”
Vertreter von Kassen und ihren Verbänden haben sich mit Fundamentalkritik bislang eher bedeckt gehalten, da sie mit Jahresbeginn nach sechs Jahren Einheitsbeitrag ihre Beitragsautonomie zumindest teilweise zurückgewonnen haben. Sie beklagten öffentlich hingegen eher, dass die Reformvorhaben der Koalition den Zusatzbeitrag weiter nach oben schrauben. Anfang 2016 wird er im Durchschnitt um 0,2 Prozent steigen. Bei einzelnen Kassen sind aber auch Steigerungsraten von bis zu 0,6 Prozent im Gespräch.
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hatte bereits 2012 in einem Sondergutachten – ganz im Sinne des DAK-Chefs – gewarnt: „Es liegt nahe, dass die Krankenkassen im Wettbewerb untereinander ihr Augenmerk stärker auf die vergleichsweise augenfälligen und eingängigen Beiträge im Versicherungsbereich als auf die schwer messbaren und eher intransparenten Qualitätsmerkmale und -unterschiede im Leistungsbereich richten.“ Es komme darauf an, die Zusatzbeiträge nicht per se als Indikatoren ineffizienter Krankenkassen zu stigmatisieren, so die Sachverständigen.
Mehr noch als die Kassen selbst achten die Versicherten vor allem auf die Beiträge: Empirische Daten zum 2009 eingeführten kassenindividuellen Zusatzbeitrag hatten gezeigt, dass per Saldo rund 90 Prozent der Mitgliederverluste bei jenen Krankenkassen eintraten, die einen Zusatzbeitrag verlangten. Das verwundert wenig: Über 400 Euro jährlich könnten Versicherte mit einem Wechsel zu einer günstigeren Kassen sparen, titeln Verbrauchermedien in diesem Herbst und forcieren damit das „Krankenkassen-Surfen“. Qualitätswettbewerb bleibt da auf der Strecke.
Mit Prof. Dr. h. c. Herbert Rebscher diskutieren das brisante Thema auf dem Gesundheitskongress des Westens im März in Köln: Rudolf Henke, MdB, Präsidenten der Ärztekammer Nordrhein und Vorstand Marburger Bund, Hilde Mattheis, MdB, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Dr. Gerhard Nordmann, 2. Vorsitzender der KV Westfalen-Lippe sowie Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin Verband Forschender Arzneimittelhersteller.
Der Gesundheitskongress des Westens 2016 findet am 8. und 9. März im Kongresszentrum Gürzenich in Köln statt. Er werden wieder rund 900 Besucher erwartet – Klinikmanager, Ärzte, Verantwortliche aus Gesundheitspolitik und Gesundheitsunternehmen, aus Forschung und Wissenschaft.
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