Darmbakterien-Enzyme als Ursache von Colitis ulcerosa
Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa sind die häufigsten chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) in Deutschland. Schätzungen zufolge sind knapp eine halbe Millionen Menschen hierzulande davon betroffen. Trotz der weiten Verbreitung sind die Ursachen der chronischen Darmentzündungen immer noch unklar. Ein amerikanisches Forschungsteam liefert nun den ersten Beweis dafür, dass Enzyme von Darmbakterien an der Entstehung der Krankheit beteiligt sind.
Forschende der University of California San Diego School of Medicine (USA) haben Abbauprodukte von bestimmten Darmbakterien als mögliche Ursache für die chronisch-entzündliche Darmerkrankung Colitis ulcerosa identifiziert. Die Entdeckung eröffnet gleichzeitig einen neuen Angriffspunkt zur Behandlung der Krankheit. Die Ergebnisse wurden kürzlich in dem renommieren Fachjournal „Nature Microbiology“ vorgestellt.
Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa – Ursachen bislang unklar
Frühere Forschungen in dem Bereich haben bereits nahegelegt, dass Störungen im Darmmikrobiom (Darmflora) als Ursache für chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) in Betracht kommen. Derzeit gibt es jedoch keine Therapie, die auf das Darmmikrobiom abzielt. Nun erbrachte ein amerikanisches Forschungsteam den ersten Beweis dafür, dass Enzyme des Darmbakteriums Bacteroides vulgatus mit der Entstehung der Krankheit zusammenhängen – und möglicherweise auch mit der Heilung.
Erster Beweis
„Studien zeigen immer wieder Zusammenhänge zwischen der Darmgesundheit und mikrobiellen Bestandteilen, aber diese Trends erklären nicht genau, wie die Bakterien Krankheiten verursachen oder was wir dagegen tun können“, erläutert Studienmitautor Professor David J. Gonzalez von der UC San Diego School of Medicine. Dies ist ihm zufolge die erste Studie, die Beweise dafür liefert, dass eine spezifische Mikrobe und deren Abbauprodukte Colitis ulcerosa verursacht.
Mit Hilfe modernster Technik analysierte das Team Stuhlproben von gesunden und an Colitis Ulcerosa erkrankten Personen. Die Forschenden konnten nach eigenen Aussagen die biologische Zusammensetzung des Mikrobioms in den Proben in einer „noch nie dagewesenen Detailgenauigkeit“ erfassen. Die Ergebnisse wurden digitalisiert und analysiert und ermöglichten so neue Hypothesen über die Krankheitsentwicklung und den Krankheitsverlauf.
Enzyme von Darmbakterien als Krankheitsauslöser
Durch die neuartige Analyseform fand die Arbeitsgruppe heraus, dass viele Betroffene mit Colitis ulcerosa in ihren Stuhlproben einen Überschuss an bestimmten Enzymen des Bakteriums Bacteroides vulgatus aufwiesen.
In weiteren Versuchen verpflanzten die Forschenden Kotproben von Colitis ulcerosa-Betroffenen in die Därme von gesunden Mäuse, was bei den Tieren eine Darmentzündung (Kolitis) auslöste. Diese Entzündung konnte durch die Hemmung der entsprechenden Enzyme deutlich reduziert werden.
Bislang detaillierteste Hypothese
Die Forschenden stellen die Hypothese auf, dass Stressfaktoren die Produktion der Enzyme erhöhen, um die Proteine als alternative Nährstoffquelle zu nutzen. Da die Enzyme aber auch das Dickdarmepithel oder die Dickdarmschleimhaut schädigen, komme es zu einem Zustrom von Immunzellen. Dieser Kreislauf führe letztlich zu einer Verschlimmerung des Krankheitsbildes.
Grundlage für neue Behandlungen
Die Ergebnisse der Studie eröffnen neue Ansätze zur Behandlung sowie zur Diagnose von Colitis Ulcerosa. Beispielsweise könnten Medikamente helfen, die die entsprechenden Enzyme hemmen. Zudem könnten Tests entwickelt werden, die Stuhlproben auf die entsprechenden Enzyme untersuchen.
Digitalisierung von Fäkalien
Das Forschungsteam hebt darüber hinaus hervor, dass sich der neue Ansatz zur Analyse von Stuhlproben auch bei der Erforschung anderer Erkrankungen einsetzten lässt – vor allem bei Krankheiten, bei denen eine Beteiligung des Darmmikrobioms vermutet wird. Dazu zählen neben den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen beispielsweise auch Krebs, Rheuma, neurologische Erkrankungen und Diabetes.
„Wir haben gezeigt, dass Stuhlproben sehr aufschlussreich sein können, um unser Verständnis von Krankheiten zu verbessern“, resümiert Professor Gonzalez. Die Digitalisierung von Fäkalien habe viel Potenzial für zukünftige Forschungsarbeiten. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- University of California San Diego School of Medicine: Digitized Number 2: Stool Samples Reveal Microbial Enzyme Driving Bowel Disease (veröffentlicht: 27.01.2022), health.ucsd.edu
- Mills, R.H., Dulai, P.S., Vázquez-Baeza, Y. et al. Multi-omics analyses of the ulcerative colitis gut microbiome link Bacteroides vulgatus proteases with disease severity. Nat Microbiol (2022). https://doi.org/10.1038/s41564-021-01050-3, nature.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.